Dass nicht viel Luft drin ist, beim Personal des Freistaats Sachsen noch weiter zu sparen, das hat zuletzt selbst der Rechnungshof Sachsen gezeigt, als er die Kürzungspläne von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) unter die Lupe nahm. Die Zahl 70.000 ist nichts als ein Phantasiewert. Schon jetzt knirscht es in allen Bereichen des Landes. Polizisten, Lehrer, Studierende demonstrieren. Schon die minimalen Stellenstreichungen der letzten fünf Jahre haben tief ins Fleisch geschnitten.

Nun hat das Landesamt für Statistik und Wahlen zwei neue Statistiken zu den Landesbediensteten vorgelegt. Eine davon eine mehr als deutliche Warnung: “Personal im öffentlichen Dienst wird immer älter”. Denn wer jahrelang auf Neueinstellungen verzichten, der hat auf einmal eine ganz neue Not: Woher soll der Nachwuchs kommen?

Die erste Meldung trägt den Titel: “Personalbestand im öffentlichen Dienst geringfügig gesunken”. – “Insgesamt 199.340 Beschäftigte arbeiteten am 30. Juni 2013 im öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen. Davon waren 34.228 als Beamte und Richter und 165.112 als Arbeitnehmer vertraglich gebunden. Im Vergleich zum Vorjahr verringerte sich die Zahl des Personals geringfügig um 0,2 Prozent bzw. 362 Personen.”

Wie das Statistische Landesamt weiter mitteilte, waren 56,9 Prozent der Beschäftigten bzw. 113 429 Personen im Landesbereich, d. h. in Behörden, Staatsbetrieben, Landeskrankenhäusern und rechtlich selbstständigen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen (wie z. B. in Öffentlichen Hochschulen, Berufsakademien und Universitätskliniken) tätig. Gegenüber der Jahresmitte 2012 sank in diesem Bereich der Personalbestand um 0,4 Prozent (-459 Personen).

Im Klartext: Das Land Sachsen hat auch 2013 weiter Personal abgebaut, obwohl es an allen Ecken und Enden fehlt. Die Abbau-Dimension, die Tillich 2009 beschworen hat, bekommt er zwar nicht hin, weil dann ganze Behörden sofort ihre Arbeitsfähigkeit verlieren. Aber genauso wenig geht er auf die längst sichtbaren Probleme ein.

Abgebaut haben freilich auch die Kommunen: “Weitere 37,2 Prozent der Beschäftigten bzw. 74.158 Personen arbeiteten zum Erhebungsstichtag im kommunalen Bereich. Dazu gehören insbesondere Landratsämter, Stadt- und Gemeindeverwaltungen, Eigenbetriebe, kommunale Krankenhäuser und Zweckverbände. Im Vergleich zum Vorjahr verringerte sich deren Anzahl um 0,1 Prozent (-107 Personen).”

Nur bei den Sozialversicherungsträgern unter Landesaufsicht waren Ende Juni 2013 die übrigen 5,9 Prozent bzw. 11.753 Personen berufstätig. In diesem Beschäftigungsbereich erhöhte sich gegenüber 2012 das Personal um 1,8 Prozent (204 Personen).

Die Zahlen zum Landesbereich muss man noch ein bisschen auseinanderklamüsern. Denn natürlich fällt es auf, wenn mal – wie hier – von 113.429 Angestellten gesprochen wird und dann wieder von 86.000, die Ministerpräsident Stanislaw Tillich zu viel waren. In den Zahlen der Landesbediensteten stecken sowohl das “Land” selbst als auch “Rechtlich selbstständige öffentlich-rechtliche Einrichtungen”. Da wird gern hin und her geschoben. ” Rechtlich selbstständige öffentlich-rechtliche Einrichtungen” klingt zwar toll. Ist es in Sachsen aber nicht. Hier stecken zum Beispiel die Hochschulen drin, die mit dem so genannten “Hochschulfreiheitsgesetz” mittlerweile derart geknebelt sind, dass von “rechtlich selbstständig” eigentlich keine Rede mehr sein kann. Der Freistaat Sachsen beweist hier, dass man über das Knapphalten und Budgetieren von Geldern problemlos in die Hochschulen hineinregieren kann.Insgesamt sind mittlerweile 32.326 Personen, die rein rechtlich Beschäftigte beim Land Sachsen sind, in dieser Kategorie ” Rechtlich selbstständige öffentlich-rechtliche Einrichtungen” einsortiert. Das sind 3.615 mehr als im Vorjahr. Aber nicht, weil mehr Leute eingestellt wurden, sondern weil der Freistaat die Medizinischen Fakultäten, die vorher beim “Land” (Kategorie “Staatsbetriebe”) mitgezählt wurden, jetzt bei den Hochschulen mitzählt.

Schöner Effekt für Stanislaw Tillich: Die Zahl der “Landes”-Bediensteten sank durch diese Neuverbuchung von 85.177 auf 81.103. Da stecken nicht nur die “verschobenen” Bediensteten an den Medizinischen Fakultäten mit drin. Der Freistaat hat in seinem Kernhaushalt auch 2013 wieder 500 Personalstellen gestrichen, also weiter gemacht mit einer Demontage, die jetzt immer stärker zeigt, in welche Abgründe sie führt.

Denn nichts anderes beschreibt das Amt für Statistik, wenn es zeigt, wie die verbliebenen Arbeitskräfte immer mehr überaltern.

“Die Entwicklung des Altersaufbaus der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zeigt einen stetig alternden Personalbestand. Waren nach Angaben des Statistischen Landesamtes am 30. Juni 2000 die Beschäftigten noch durchschnittlich 42,6 Jahre alt, betrug das Durchschnittsalter zur Jahresmitte 2013 bereits 45,7 Jahre.”

Es geht nicht nur dem Land so. Auch die Kommunen haben sich mit dem Nachwuchs jahrelang zurück gehalten: Die durchschnittlich ältesten Beamten und Arbeitnehmer mit 46,5 Jahren arbeiteten im kommunalen Bereich. Hier waren reichlich 73 Prozent aller Beschäftigten 40 Jahre und älter und fast 30 Prozent sogar 55 und mehr Jahre alt. Was allein für die Kommunen im Freistaat bedeutet, dass sie in den nächsten fünf Jahren über 10.000 neue Arbeitskräfte benötigen, wenn sie nicht arbeitsunfähig werden wollen. 2.000 jedes Jahr.

Bei den Beschäftigten im Bereich der Sozialversicherungsträger unter Landesaufsicht betrug der Altersdurchschnitt 45,8 Jahre, hat das Statistische Landesamt noch ausgerechnet. Auch hier waren bereits über 74 Prozent des Personals 40 Jahre und älter und rund 27 Prozent zählten zu den ab 55-Jährigen.

Im Landesbereich lag das Durchschnittsalter bei 45,1 Jahren. Gut 68 Prozent dieser Beschäftigten waren 40 und mehr Jahre alt und fast ein Viertel 55 Jahre und älter. Was eben auch für den Freistaat bedeutet: Wenn er jetzt nicht Jahr für Jahr um die 2.800 bis 3.000 Neueinstellungen vornimmt, wird er seine Arbeitsfähigkeit verlieren.

Prekär wird es ja bekanntlich jetzt schon im Bereich Justiz: “34.228 Beamte und Richter waren am 30. Juni 2013 in einem Dienstverhältnis vertraglich gebunden. Die Altersgruppe der 50 bis unter 55 Jährigen war mit einem Anteil von 18,5 Prozent (6.333 Personen) am meisten vertreten, gefolgt von den Bediensteten im Alter von 45 bis unter 50 Jahren mit einem Anteil von 16,5 Prozent (5.648 Personen)”, rechnen die Statistiker vor.

Bei der zahlenmäßig größten Beschäftigtengruppe im öffentlichen Dienst, den Arbeitnehmern, haben die Statistiker zum Erhebungsstichtag (30. Juni 2013) 165.112 Personen ermittelt. Mit 17,1 Prozent wurden die meisten Arbeitnehmer (28.175 Personen) in der Altersgruppe von 50 bis unter 55 Jahren erfasst, gefolgt von der Altersgruppe der 55- bis unter 60-Jährigen. Ihr Anteil lag bei 16,7 Prozent (27.569 Personen).

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Sowohl Land als auch Kommunen schieben also gerade eine Riesenbugwelle vor sich her: Die starken Jahrgänge der über 50-Jährigen werden in den nächsten Jahren verstärkt in den Ruhestand gehen. Und das zu einer Zeit, in der auch die Wirtschaft nach Fachkräften schreit und die geburtenschwächsten Jahrgänge in der Berufsausbildung angekommen sind. Vorgesorgt hat unter den öffentlichen Trägern kein einziger. Im Gegenteil. In einem Moment, in dem ein verantwortlicher Ministerpräsident ein Vorsorgepaket hätte schnüren müssen, hat er einen Radikalabbau fürs Landespersonal verkündet, das er so nicht umsetzen kann.

Unter den 81.000 Bediensteten des “Landes” sind übrigens über 45.000 Beschäftigte im Schulwesen – allein hier hätten 10.000 Lehrerinnen und Lehrer entlassen werden müssen, um Tillichs Ziel zu erreichen. Über 23.000 sind im Bereich des Inneren angesiedelt – darunter auch Sachsens Polizei. Über 11.000 arbeiten in der Justiz. Und überall tickt dieselbe Uhr. Die Behörden sind deutlich überaltert. Und um die Lücken, die da in den nächsten Jahren aufreißen, zu schließen, fehlt bislang jedes Konzept.

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