Von 12.000 Anträgen auf eine abschlagsfreie Rente mit 63 berichteten am Montag, 23. Juni, zahlreiche Medien und lösten geradezu wieder eine Alarmstimmung aus. Aus Mitteldeutschland waren die Meldungen noch heftiger: Rund 3.000 Anträge für die abschlagsfreie Rente mit 63 lägen inzwischen bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland vor. Ein gesteuertes Verunsicherungsmanöver nennt das der sozialpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Dr. Dietmar Pellmann.

“Der Aufschrei von Exponenten der Wirtschaft, die Rente mit 63 werde sich verheerend auf den Arbeitsmarkt auswirken, ist immer noch nicht verhallt, erweist sich aber zunehmend als bewusst gesteuertes Verunsicherungsmanöver. Schon lange haben wir darauf hingewiesen, dass sich die abschlagsfreie Rente mit 63 letztlich als viel Lärm um wenig erweisen würde”, erklärt er zu dem Thema. 3.000 Arbeitnehmer in den drei Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nehmen die Chance wahr, nach 45 Arbeitsjahren ohne Abzüge in Rente zu gehen. Das ist geradezu ein Witz. Die fünffache Zahl wird allein in Leipzig jedes Jahr in den verfrühten Ruhestand geschickt – mit saftigen Abschlägen, weil die Betroffenen Jahre der gebrochenen Berufskarriere hinter sich haben. Man könnte das Geschrei um die “Rente mit 63” auch als etwas schäbig bezeichnen, denn der Fachkräftemangel ist gerade in Sachsen auf ganz anderem Feld selbstorganisiert.

Im Dezember hatte Pellmann bei der Sächsischen Staatsregierung angefragt, mit welchen Zahlen sie bei der Antragstellung zur “Rente mit 63” rechne. Aber Zahlen hatte Sozialministerin Christine Clauß (CDU) damals keine.

“Nachdem die hiesige Staatsregierung überhaupt nicht aussagen konnte, wie viele Personen die Rente mit 63 überhaupt in Anspruch nehmen könnten, spricht die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland für die drei Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mittlerweile von ca. 3.000 Anträgen, die allerdings erst noch zu prüfen sind. Für Sachsen werden zwar keine konkreten Daten mitgeteilt; es dürften aber höchstens 1.200 sein”, rechnet Pellmann kurz mal durch. “Vor diesem Hintergrund bleiben wir bei unserer Grundkritik: Selbst wenn wir jeder und jedem den früheren Renteneintritt gönnen, wird damit jedoch der Reformstau in der Rentenpolitik nicht einmal ansatzweise aufgelöst. Überdies wird die abschlagsfreie Rente mit 63 jene begünstigen, die ohnehin eine auskömmliche Rente und keineswegs Altersarmut zu erwarten haben. So bleibt es beim schrittweisen Renteneintrittsalter mit 67, so wird das durchschnittliche Rentenniveau immer weiter abgesenkt, und so rückt die lange überfällige deutsche Renteneinheit in weite Ferne.”

Die Folgen spüren die Kommunen schon jetzt, wenn immer mehr Ältere zu Sozialfällen werden.

“Diese Defizite werden zum Anstieg von Altersarmut gerade im Niedriglohnland Sachsen führen”, prophezeit Pellmann. “Deshalb sollte die Staatsregierung nicht die Rente mit 63 feiern, sondern sich vielmehr um die eigentlich notwendigen rentenpolitischen Reformschritte kümmern. Entsprechende Initiativen waren bislang jedoch Fehlanzeige.”

Und weil das so schön passt zum Lamento des falschen Problems, ein Beitrag aus der “Zeit” über die eigentlich drohenden Rentenprobleme, die tatsächlich richtig teuer werden:

www.zeit.de/politik/deutschland/2014-06/grundsicherung-rentner-minijob

Die Kleine Anfrage von Dietmar Pellmann vom Dezember 2013: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=13279&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202

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