Als gäbe es gar keinen Fachkräftemangel, gehen immer noch viele Unternehmen in Leipzig davon aus, dass sie ihre Arbeitskräfte auch mit befristeten Arbeitsverträgen bekommen können. Ein Großteil der Neueinstellungen in Leipzig hat deshalb immer noch ein Verfallsdatum: 10.628 von insgesamt 23.267 neu abgeschlossenen Arbeitsverträgen in der Stadt waren im zweiten Quartal des vergangenen Jahres befristet.

Das entspricht einer Quote von 46 Prozent, wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten mitteilt. Die NGG-Region Leipzig-Halle-Dessau beruft sich hierbei auf eine aktuelle Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung.

„Befristete Stellen sind in der Lebensmittelbranche und im Gastgewerbe besonders verbreitet. Und das, obwohl Bäckereien, Metzgereien, Hotels und Restaurants dringend neues Personal suchen. Das gewinnt man aber nicht, indem man wackelige Jobs bietet. Beschäftigte suchen keine Arbeit mit Ablaufdatum, sondern eine langfristige Perspektive“, betont NGG-Geschäftsführer Jörg Most.

Nach Beobachtung der Gewerkschaft werden Befristungen häufig zur „Karrierefalle“ – gerade für Berufsstarter.

„Die Betroffenen haben größere Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden oder einen Kredit zu bekommen. Manchmal muss wegen unklarer Job-Aussichten sogar der eigene Kinderwunsch hinten angestellt werden“, geht Most auf die Probleme dieser Befristungen ein.

Jeder Arbeitsvertrag habe eine Probezeit. Diese reiche in der Regel, um sich ein Bild vom Beschäftigen zu machen. Trotzdem argumentierten Wirtinnen oder Bäckermeister häufig damit, sie wollten „auf Nummer sicher gehen“, was die Eignung des Mitarbeiters angehe.

„Dass es sich dabei um ein vorgeschobenes Argument handelt, liegt auf der Hand. Befristungen sorgen vielmehr dafür, dass bewährte Fachleute zu anderen Firmen wechseln“, sagt Most.

Befristungen brächten für die Betroffenen gleich mehrere Nachteile, so der Gewerkschafter. Er verweist auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken (Drucksache 20/2418). Danach arbeitet über ein Drittel aller befristet Beschäftigten in Sachsen zu Niedriglöhnen (37,4 Prozent) – unter allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern liegt die Quote bei 26,6 Prozent.

Für 60 Prozent aller Befristungen gibt es laut Bundesregierung in Sachsen keinen „Sachgrund“ wie etwa eine Elternzeitvertretung oder eine Probezeit. Und junge Beschäftigte sind weit überdurchschnittlich oft auf Zeit angestellt: In der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen liegt der Befristungsanteil im Bundesland bei 25,6 Prozent – Auszubildende nicht mitgerechnet. Unter den 25- bis 34-Jährigen hat jeder Achte eine befristete Stelle (13 Prozent).

Zum Vergleich: Im Schnitt liegt die Befristungsquote landesweit bei 7 Prozent.

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