Mit der Note "mangelhaft" bewertete Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung den Umgang der Stadtverwaltung im Umgang mit den so genannten Herrenlosen Grundstücken. Bis Ende 2013 soll alles geordnet sein, für Korruption gebe es keine Anzeichen. Als Vertrauensperson präsentierte Jung den ehemaligen Bundesverwaltungsrichter Eckart Hien.

So ein Zwischenzeugnis ist kein Ruhmesblatt. Gleich viermal gab das Leipziger Stadtoberhaupt der von ihm geleiteten Verwaltung die Note “mangelhaft”: in den Fächern Aktenführung, Eigentümerrecherche, Dienst- und Fachaufsicht sowie wegen Überweisung von Geldbeträgen an Alteigentümer ohne die aufgelaufenen Zinsen.

Zu diesem Schluss kommt das Stadtoberhaupt nach Lektüre des Abschlussberichtes zu den so genannten Herrenlosen Grundstücken. Diesen hat das städtische Rechnungsprüfungsamt nun vorgelegt.Die gute Nachricht bei all den folgenden schlechten: “Der Bericht lässt nach wie vor keine Hinweise auf Korruption oder auf eine wie auch immer geartete Systematik im Umgang mit den sogenannten herrenlosen Grundstücken erkennen.” Für ein Rathaus, das im Frühjahr 2007 im Zusammenhang mit den Akten des sächsischen Verfassungsschutzes und einen möglichen “Sachsen-Sumpf” im Fokus der medialen Aufmerksamkeit stand, eine wichtige Erkenntnis.

Offen sei hingegen weiter, so der Oberbürgermeister auf der Pressekonferenz am Donnerstag, 29. März, wem das alles genützt habe. Auch Stadtsprecher Matthias Hasberg verspricht sich von den noch andauernden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Klarheit über das Motiv der damals handelnden Behördenmitarbeiter.Schon mal vorsorglich warb Jung um Verständnis. Schließlich sei “Investitionsvorrang” in den frühen 1990er Jahren der “Geist der Zeit” und das Gebot der Stunde gewesen. Dem habe auch der Gesetzgeber entsprechen wollen. Damit also die blühenden Landschaften bald blühen und sich die Baukräne drehen können, musste offenbar manch Individualanspruch zurücktreten. So entstand damals denn auch – ganz im Geist der damaligen Zeit – ein Witz mit hier leicht abgewandelter Pointe. “Frage: Wann ist die deutsche Einheit vollendet? Antwort: Wenn kein Alteigentümer mehr im Grundbuch steht.”

Auf Nachfrage musste Verwaltungsbürgermeister Andreas Müller schon einmal einräumen, dass die Balance zwischen dem Interesse an zügiger Investitionstätigkeit und der Wahrung von wohl erworbenen Eigentumsrechten wohl nicht immer ganz geglückt sei.

Nun soll alles im Rathaus in Ordnung gebracht werden, versicherten Oberbürgermeister Burkhard Jung, Verwaltungsbürgermeister Andreas Müller und der amtierende Leiter des Rechtsamtes, Dirk Müller, auf der Pressekonferenz.Dazu kommen die Akten auf Wiedervorlage. Nachgearbeitet wird immer dann, wenn sich zwischen den Aktenblättern keinerlei Hinweise auf eine Eigentümer- oder Erbenermittlung finden. “In 565 Fällen findet sich in den Akten kein Hinweis auf eine Eigentümerrecherche durch das Rechtsamt selbst”, so der amtliche Befund nach Sichtung von insgesamt 754 Akten. Solche Hinweise könnten sich zwar in den Beständen anderer Ämter befinden, aber nun soll alles ordnungsgemäß an einer Stelle zusammengetragen werden. Fehlende Eigentümerrecherchen werden nachgeholt.

“Die Stadt wird aktiv auf mögliche Eigentümer/ Erben zugehen”, versichert die Stadtverwaltung weiter, “werden Eigentümer ermittelt, wird in laufenden Verfahren die gesetzliche Vertretung korrigiert.”

Auch nennt der Prüfbericht 21 Fälle von Kassation der Akten. Das heißt nach Ansicht der Stadtverwaltung aber nicht zwingend, dass die Akten nachträglich um etwaige Hinweise auf Eigentümer und Erben bereinigt wurden.

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Bis Ende 2013 soll nach dem Willen der Stadtspitze die Aufarbeitung ausgestanden sein. Auf die Aufarbeitung aller Fälle sollen Schadensregulierung und Wiedergutmachung folgen. In besonders eilbedürftigen Einzelfällen kann es jedoch schneller gehen.

Bislang muss sich die Stadt mit drei angemeldeten Fällen auf Schadensersatz befassen. Hier schätzt die Stadtverwaltung die “möglicherweise einklagbare Schadenssumme” auf einen “unteren sechsstelligen Betrag”. Eine weitere Kostenstelle bilden Zinsnachzahlungen an Alteigentümer: Hier steht aktuell belastbar die Zahl von 1,1 Millionen Euro im Raum. Hinzu werden wohl Personalkosten für zehn weitere Sachbearbeiterstellen im aufarbeitenden Rechtsamt kommen: jährlich “zehn mal 50.000 Euro”, wie es auf der Pressekonferenz freihändig hieß.

“Viel schwerer wiegt der immaterielle Schaden”, ist sich die Stadtspitze bewusst. Denn das Vertrauen der Bürger in Teile der Verwaltung sei “nachhaltig beschädigt”. Deshalb werde das städtische Rechtsamt “grundlegend neu organisiert”.

Oberbürgermeister Jung setzt Gerichtspräsidenten als Vertrauensperson einAls Vertrauensperson zur gütlichen Regelung von Streitfragen rund um die so genannten herrenlosen Grundstücke präsentierte Oberbürgermeister Jung den pensionierten Verwaltungsrichter Eckart Hien. Der 69-Jährige stand als Präsident von 2002 bis 2007 dem Bundesverwaltungsgericht am hiesigen Simsonplatz vor. Hien ist Leipzig auch weiterhin durch verschiedene kulturelle und wissenschaftliche Ehrenämter verbunden.

Hien nennt “Ich bleibe arbeitslos” als “Endziel” seiner neuen Tätigkeit. Er bekannte, noch nicht so weit zu sein, dass er sagen könne, was falsch gelaufen sei.

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