Die politische Debatte um das Verwaltungsversagen bei den sogenannten Herrenlosen Häusern wird schärfer. Die örtliche Piraten-Partei erwartet von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) Antwort auf acht Fragen. Gefragt wird auch nach mutmaßlichen Parteispenden von Nutznießern der Immobiliendeals, insbesondere an die SPD.

Die Piraten stellen von jeher die Eigentumsfrage. Das ist nun einmal der Sinn von Freibeuterei.

Im politischen Raum ziehen die Digital-Kosaren konsequent die Berechtigung von privaten Eigentumstiteln an geistigen und künstlerischen Dingen in Zweifel. Was ihnen aktuell der Urheber, war anderen Stellern der Eigentumsfrage weiland der Besitzer von eher gewerblichen Produktionsmitteln.

Doch beim Grundrecht auf privates Eigentum verstehen die Leipziger Piraten keinen Spaß – jedenfalls, wenn es um Grund und Boden und Häuser geht. Also um Immobilien.

Die wurden nach 1990 in Leipzig schon mal mehrhundertfach als herrenlos erklärt. So bedauerlich und unentschuldbar das freihändige Agieren von drei Rathausmitarbeitern auch gewesen sein mag, heißt es seit Ende März 2012 aus dem Rathaus, es war irgendwie doch rechtskonform und diente einem guten Zweck.
Investitionsvorrang lautete die Zauberformel der Förderer des Aufbaus Ost. Und ein Investor, das haben wir Ossis gelernt, ist per se ein rundum selbstloser Aktivbürger mit ausschließlicher Gemeinwohlorientierung.

Während die im Leipziger Stadtrat vertretenen Parteien darum ringen, wer in der Verwaltungsspitze wann was hätte wissen und unterbinden müssen, geht die Apo in Orange einen Schritt weiter. Da die Piraten in Ermangelung von Stadtratsvertretern dort noch keine Anträge stellen können, haben sie nun einen Offenen Brief an den Oberbürgermeister geschrieben.

Zum einen liefern die parteipolitischen Newcomer eine andere Sicht auf die Rechtslage. “Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung war auch nur, in der Aufbauphase der Rechtspflege nach der deutschen Wiedervereinigung den Kommunen Handlungsmöglichkeiten vereinfacht an die Hand zu geben”, schreiben sie über die Reichweite der Investitionsvorrangregelungen in ihrem Offenen Brief.
“Dieser Vereinfachungszweck ist schon lange durch eine funktionierende Rechtspflege weggefallen, auch wenn das Gesetz insoweit noch nicht aufgehoben wurde”, befinden die Piraten weiter. Dennoch habe die Stadtverwaltung systematisch – “auch in den letzten 10 Jahren” – noch regelmäßig von den Regelungen Gebrauch gemacht, so die Digital-Freibeuter.

Somit kommen Leipzigs Piraten zu dem Schluss: “Das Handeln der Stadt Leipzig ist grob rechtswidrig gewesen und dies über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten. Die Stadt Leipzig hat somit rechtswidrig die Ursache für eine Enteignung von hunderten von Grundstückseigentümern gesetzt.” Das Grundrecht auf Eigentum nach Artikel14 Grundgesetz werde hier konterkariert, meinen die Piraten, seitens der Stadt werde hier der Schein der Legalität erzeugt, wo in Wahrheit tiefe Finsternis herrscht.

Nun bringen die nun vorliegenden Prüfberichte schon eines ans Tageslicht. “Konkret bekannt gewordene Einzelfälle belegen deutlich, dass die vereinbarten Verkaufspreise erstaunlicherweise zu niedrig ausfielen”, haben die Piraten den Texten entnommen. Noch gänzlich unerforscht seien darüber hinaus “mögliche Manipulationen in den vielen Gutachten, indem dort haltlose Bewertungsansätze niedergeschrieben wurden und so der Anschein erweckt werden sollte, dass die Immobilien zum korrekten Verkehrswert veräußert worden seien”.

Als Beispiel führen die Piraten das Grundstück Pfaffendorfer Straße 1 an. Das sei bei einem Bodenwert von mindestens 540.000 Euro für nur 90.000 Euro veräußert worden. Die dort angeführte Begründung, dass die Abrisskosten den Wert herabsetzen würden, nennen die Piraten eine Behauptung. Denn der Denkmalschutz stand einem Abriss des ehemaligen “Gastmahl des Meeres” entgegen, führen die Piraten an.

Zum anderen wagen die Piraten einen weiteren Tabubruch. Bislang war in der Leipziger Politik die Sprachregelung unwidersprochen, dass es bei den Verwaltungsvorgängen, die das Interesse der Staatsanwaltschaft fanden, keine Anzeichen von Korruption gibt.

Die Piraten drehen ihr Fernrohr hingegen in eine andere Richtung. “Weiterhin besteht der Verdacht, dass im Hinblick auf das häufige Fehlen von förmlichen Anträgen zu den Vertreterbestellungen hier eine besondere Nähe zwischen den Akteuren und der Verwaltung bestand und möglicherweise noch immer besteht”, schreiben die Digitalen in ihrer Pressemitteilung, die ihr stellvertretender Kreisvorsitzender Matthias Jung versandte.

Das gelte es aufzuklären. Deshalb wollen die Piraten in Frage sechs ihrer acht Fragen an das Stadtoberhaupt wissen: “Gibt es parteipolitische Beziehungen der bestellten Vertreter oder deren Sozien oder der unmittelbaren Vertragspartner (Käufer der Immobilien) oder deren nahe Angehörige zu den im Stadtrat vertretenen Parteien? Wurden aus diesem Personenkreis Parteispenden zugunsten der Parteien zugewendet?”

Nun entzieht sich die Rechnungslegung miteinander konkurrierender politischer Parteien vernünftigerweise der Einsicht und dem Durchgriff eines Oberbürgermeisters. Dieses offenbar antizipierend, fahren die Piraten fort: “Können Sie als der von der SPD im Jahre 2005/06 aufgestellte und gewählte Kandidat für den Posten des OBM veranlassen, dass die SPD eine Liste aller Spenden erstellt, die 1.000 Euro im Einzelfall übersteigen und zwar für den Zeitraum der letzten 20 Jahre? Können Sie darlegen, wie das Spendenaufkommen im Zusammenhang Ihres OBM-Wahlkampfes im Jahre 2006 sich gestaltete?”

Eine Rückäußerung des Stadtoberhaupts erwarten die Piraten bis zum 18. Juni 2012. Einstweilen wollen die Piraten schon mal an der “Aufklärung des Skandals” mitwirken. Piratenmitglied Dr. Thomas Walter, Jurist und Immobilienrechtsfachmann allhier, steht bereit, “unentgeltlich neben dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes, Herrn Eckart Hien, an der Aufklärung mitzuwirken”. Natürlich nur, “wenn ihm uneingeschränktes Einsichts- und Aufklärungsrecht gegeben werde”.

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