Wie unterschiedlich die Meinungen und Ansichten der Leipziger Bevölkerung sind, hat sich in der Diskussion um das Unterbringungskonzept für Asylsuchende gezeigt. Der Süden und Westen der Stadt präsentierte sich dabei eher weltoffen und tolerant, wo hingegen aus dem Norden und Osten teilweise hemmungslos rassistische Äußerungen zu vernehmen waren. Bei den politischen Parteien im Leipziger Stadtrat waren die Unterschiede nicht ganz so groß - trotz des Gefühls bei vielen, dass etwas mit der Kommunikation im Vorfeld der Beschlüsse nicht geklappt hat.

Vor zwei Wochen hat Sozialbürgermeister Thomas Fabian das überarbeitete Konzept „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“ vorgestellt. Dazu haben die Fraktionen ihre Änderungs- und Ergänzungsanträge gestellt, welche in der heutigen Ratsversammlung zur Abstimmung standen.

SPD, Linke und Grüne haben einen gemeinsamen Ergänzungsantrag eingebracht. In der Riebeckstraße 63 solle die Belegungsdichte reduziert werden, wenn andere Objekte in Betrieb genommen oder weniger Personen zugewiesen würden. Denn hier werde die eigentlich angedachte Höchstzahl von 50 Bewohnern um 20 überschritten.
Bei der weiteren Standortsuche sollen überdies gezielt private Eigentümer angesprochen werden. Außerdem solle sich die Stadtverwaltung nicht nur für eine Erhöhung der Erstattung vom Land einsetzen, sondern auch für die Rücknahme des Erlasses des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur dezentralen Unterbringung.

Die Linke hatte noch zwei eigene Ergänzungsanträge zur Abstimmung vorgelegt. Sie wünscht sich in Beschlusspunkt 5, wo es um die Standards für gemeinschaftliches Wohnen geht, präzisere Angaben. Zum einen sollten die Asylbewerber selber entscheiden können, ob sie einer Arbeitsgelegenheit nachgehen wollen, die dann aber auch entsprechend entlohnt werden müsste. Diesem Personenkreis werde es sowieso schon schwer gemacht was die Ausübung von Arbeitsverhältnissen angehe.

Am Standort Eythstraße können künftig Menschen mit erhöhtem Betreuungsbedarf untergebracht werden. Wie genau diese Betreuung aussehen soll und nach welchen Kriterien die Bewohner ausgesucht werden, solle bis Ende dieses Jahres in einem Konzept erarbeitet werden. Die jetzigen Angaben sind der Linken-Fraktion „zu vage“. Die CDU setzte sich mit ihrem Änderungsantrag für die Streichung der Standorte Am Langen Teiche 17 und Pittlerstraße 5/7 ein.

Hier solle eine neue Unterkunftssuche erfolgen, bei der „eine angemessene Verteilung über das Stadtgebiet und die anhand von Erfahrungswerten anzunehmende Integrationsfähigkeit des Wohnumfeldes“ als Kriterien angeführt werden sollten.

Des Weiteren will die Fraktion, dass die Quadratmeterkaltmiete nicht die für Leipzig geltenden Kosten der Unterkunft übersteigt.

Beide Änderungsanträge lehnte die Versammlung heute allerdings ab. Und so heißt es nun: Alle im Konzept geplanten Standorte bleiben in der weiteren Planung und die Torgauer Straße 290 wird nach Inbetriebnahme der anderen Standorte geschlossen.

Juliane Nagel (Die Linke): „Ich möchte meine Skepsis zur Konzeption zum Ausdruck bringen, dass Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf isoliert untergebracht werden. Die Stadt Köln macht in einem Leitbild zur Unterbringung von Asylbewerbern die Feststellung, dass eine konzentrierte Unterbringung solcher Menschen nicht stattfinden sollte, weil sich Probleme verschärfen können. … Lassen Sie uns mit Beschluss dieser Vorlage und der Ergänzungsanträge zeigen, dass Humanität der treibende Gedanke unseres Handelns ist.“

Christopher Zenker (SPD): „Rassismus erteilen wir eine ganz klare Absage, die Aussagen, Asylsuchende seien Parasiten oder Kriminelle, wie sie in Leserbriefen fielen, sind beschämend.“ (Es handelte sich um Briefe von Bürgerinnen und Bürgern an die Fraktion der SPD. Außerdem fielen diese und ähnliche Aussagen laut Zenker in EinwohnerInnenanfragen an den OBM.)

Stefan Billig (CDU): „Die hohe Zahl von 180 Personen, die noch für das Jahr 2012 erwartet wird, stellt auch die Stadtverwaltung vor eine Herausforderung. Die CDU-Fraktion hat daher beantragt, die unstrittigen Standorte zu beschließen. Dabei muss der Antrag in alle Punkten in Einzelabstimmung erfolgen.“ (Einzelabstimmung erfolgte)

Katharina Krefft (B90 / Die Grünen): „Aus den Kommentaren der Bürger ließen sich teilweise große Wissenslücken zu Flüchtlingen in der Stadt herauslesen. 63 Prozent sind bereits zentral untergebracht. Es fehlt an Vertrauen und Erfahrungen und die Debatte zeigt, dass Rechtsextremismus ein Problem der Mitte der Gesellschaft ist. Daran, dass Leipzig wirklich eine tolerante Stadt wird, daran müssen wir noch arbeiten. Die Situation der Flüchtlinge können wir heute verbessern.“
René Hobusch (FDP): „Seit etwa 2 Jahren wird an einem Konzept zur Unterbringung gearbeitet und die Bürger sind zu spät und erst über die Medien informiert worden. … Die Stadt hätte nicht nur auf einen Anbieter zugehen sollen und dabei womöglich auf den falschen.“

Wolf-Dietrich Rost (CDU): „Die Verwaltung hat zu diesem heiklen Thema katastrophal informiert und kommuniziert. Das angesprochene Bürgerforum war eine konfliktreiche, aber auch konstruktive Diskussion (Anm. d. Red.: kurzes heftiges Raunen in der Versammlung). Mit der Riebeckstraße ist eine Alternative gefunden, warum soll dies nicht auch für Wahren möglich sein?“

Marcela Zuniga Medina (Vorsitzende des Migrantenbeirates): „Es ist nicht einfach zum Thema zu sprechen, da es eine sehr emotionale Debatte ist. Einige Mitglieder des Beirates haben selbst in Sammelunterkünften gelebt und begrüßen die Überlegungen zu diesen Verbesserungen. Wir sehen als Beirat den Prozess und die Vorlagen als kleinen Schritt. Diesen wollen wir gerne unterstützen.“

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