"Aktion Sicherer Schulweg" nennen sie das, was sie gedankenlos Jahr für Jahr vor Beginn des neuen Schuljahres auf dem Augustusplatz arrangieren: die Messestadt-Verkehrswacht Leipzig e. V., die Polizeidirektion Leipzig, die Leipziger Volkszeitung und die Stadt Leipzig. Die LVB nicht zu vergessen und - ja - die Bundeswehr. Könnte ja sein, Terroristen greifen die jungen ABC-Schützen an.

Am Freitag, 31. August, fand die Aktion in der Zeit von 10 bis 14 Uhr wieder auf dem Augustusplatz statt – mit Rettungshubschrauber des ADAC, Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr und der Polizei, einem Rettungswagen … Wer bei so viel Technik, die wirklich nur im Notfall zum Einsatz kommt, keine Angst vor dem Schulweg bekommt, der muss schon mit 6 Jahren ein recht abgebrühter Hund sein.

Der Rest ist die übliche Bespaßung fürs Volk mit großem Bus, Fahrradgeschicklichkeitsparcours und einer Wissensstraße “mit tollen Preisen für die richtigen Antworten”, Hüpfbus und Hüpfburg, Rollenrutsche sowie ein Glücksrad. Seit Tagen schon hängen die Plakate dafür in Bahnen und Bussen. Ohne Hinweis auf die Bundeswehr. Aber mit Hinweis auf den eigentlichen Initiator dieser Promotion-Aktion: die LVZ.
Aber so recht den Sinn, was man für die Kleinen tun sollte, damit sie nicht gerade mit panischer Angst in ihr Schülerdasein starten, scheint keiner der Organisatoren gehabt zu haben.

Die Bundeswehr nutzte den Vortag des Weltfriedenstages, um in eigener Sache zu werben. Mit tarnfarbenen Beuteln, Bleistiften und zum Entsetzen für Richard Gauch vom Leipziger “Bündnis gegen den Krieg”: “Betreut wird der Stand, den man durchaus nennen darf: ‘Werben für’s Sterben’ von mehreren Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, welche zu meinem Erschrecken zum Schulanfangsfest mit Waffen (Pistolen) und vermutlich sogar scharfer Munition erschienen. Diese verteilen an die Schulanfanfänger Gummibärchen mit Bundeswehrwerbung, kleine Bälle mit Bundeswehrkreuz und Malstifte, ebenfalls mit Werbung der Bundeswehr. Dies tun sie wahrscheinlich, damit sich die Kinder mit Gummibärchen ‘gut’ ernähren mögen. Um militärisch fit zu bleiben sollten die Kinder vermutlich viel mit dem Ball spielen und die Malstifte bekamen sie, so darf man annehmen, um sich schon einmal das Sterben als Kanonenfutter ausmalen zu können.
Krieg ist also nichts weiter als eine gemütliche sportliche Herausforderung und das Töten von Menschen eine Art Kinderspiel. Da wäre es besser, die Bundeswehr würde über Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), die Hinterbliebenenversorgung oder über die wirklichen politischen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Einsätze aufklären. Nur gewinnt man mit der Wahrheit eben keine Rekruten.”

Und dass Leipzigs OBM Burkhard Jung wieder freundliche Miene zum kriegerischen Spiel machte und aus dem Schwärmen für dieses Fest nicht mehr herauskam, fand Gauch keineswegs mehr würdig. Zumindest verschwimmt in Leipzig bei solchen Ereignissen mittlerweile alles: Spiel, Spaß und bitterer Ernst. Dass die LVZ diese seltsame Aktion seit über 20 Jahren veranstaltet und der Sinn dabei immer fragwürdiger ist, tröstet keineswegs. Es zeigt nur, wie gedankenlos Vieles in Leipzig mittlerweile geschieht.

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