"Wer den Leipziger Herbst '89 verstanden hat, muss die Stadtbevölkerung über das Einheitsdenkmal abstimmen lassen". Die Linke OBM-Kandidatin Dr. Barbara Höll fordert einen Bürgerentscheid zum Für und Wider. "Die Not muss groß sein, wenn eine gut bekannte und wohl begründete Initiative der Leipziger Stadtratsfraktion meiner Partei aus dem Jahr 2009 nunmehr vom CDU-Oberbürgermeisterkandidaten aufgegriffen und an die Öffentlichkeit getragen wird", freut sich Dr. Barbara Höll, Bundestagsabgeordnete und selbst OBM-Kandidatin der Linken.

Am Freitag erfreuten dicke fette Schlagzeilen die Leipziger: Horst Warzynski, OBM-Kandidat der CDU und noch Polizeipräsident von Leipzig, forderte einen Bürgerentscheid zum geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz. Im Juli waren die Siegerentwürfe präsentiert worden. Seitdem wird diskutiert, großen Teils sehr ablehnend. Das findet auch Horst Wawrzynski der Sache nicht dienlich.

“Ich stehe für einen Bürgerentscheid in dieser Frage. Das wäre mehr als angemessen und würde die Akzeptanz erhöhen. Ich spüre nämlich bei dem Thema eine große Unzufriedenheit in der Leipziger Bevölkerung”, zitiert ihn die Leipziger “Bild”. Und benennt damit natürlich einen Webfehler, der schon vor Jahren absehbar war. So ein Denkmal braucht hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, sonst macht es nur Ärger.
Barbara Höll dazu: “Herrn Wawrzynski als profundem Kenner der Leipziger Kommunalpolitik ist sicher geläufig, dass es Die Linke war, die vor drei Jahren im Stadtrat beantragt hatte, die Leipziger Bevölkerung in einem Bürgerentscheid über das aus bestimmten Teilen der Stadtspitze gewünschte Freiheits- und Einheitsdenkmal abstimmen zu lassen. Damals wurde dieser Antrag mit fadenscheinigen Begründungen durch die anderen Stadtratsfraktionen abgeblockt. Doch nun – da das Kind in Gestalt alberner Entwürfe in den Brunnen gefallen ist – sollen die Leipzigerinnen und Leipziger plötzlich doch noch ihre Meinung dazu sagen dürfen, wie ihre Erinnerung an die Ereignisse des Herbstes ’89 in würdiger Form gestaltet werden soll. Diese Einsicht der Christdemokraten kommt spät, aber keineswegs zu spät.”

“Auch wenn das Geld vom Bund kommt, ist es das Geld der Bürger. Ideal wäre es, wenn ein Denkmal entsteht, zu dem die Leute stehen. Schlimm wäre es, wenn in Leipzig ein Denkmal entstünde, von dem die Bürger der Stadt sagen, dass sie das nie gewollt haben”, erklärte die Linke-Stadträtin Ilse Lauter noch am 12. Januar 2011, bevor die ganze schwerfällige Wettbewerbsmaschine angeworfen wurde. Und bei der Gelegenheit verwies sie noch einmal auf die selige Stadtratssitzung vom 17. Juni 2009, als der Stadtrat mit Mehrheit für das Denkmal stimmte – und die Linke Fraktion sich enthielt. Linke-Stadtrat Jens Herrmann hatte den Antrag eingebracht, einen Bürgerentscheid durchzuführen, um die Akzeptanz der Leipziger zu gewinnen, die bis heute das Gefühl nicht los werden, dass hier ein paar Politiker sich selbst mit einem schönen Projekt würdigen.

Barbara Höll: “Mit Sicherheit hat das pseudoöffentlich vorangetriebene Auswahlverfahren von Denkmalsort und Denkmalsgestalt seit dem Jahr 2010 neue Tatsachen geschaffen, aber angesichts der durch und durch misslungenen Entwürfe muss die Bevölkerung zur Grundsatzfrage des Denkmals nun umso nachdrücklicher ihre Meinung bekunden dürfen. Deshalb plädiere ich dafür, den Bürgerentscheid über das Für und Wider eines weiteren Denkmals nun endlich nachzuholen, zumal ich die Auffassung vieler Leipzigerinnen und Leipziger teile, dass die beschlossenen Denkmalskosten von 6,5 Millionen Euro eigentlich für ein soziales Vorhaben umgewidmet werden sollten.”

Genug Denkmäler, die die Ereignisse im Herbst 1989 wesentlich besser zum Ausdruck bringen, habe Leipzig auch. “Ich bin davon überzeugt, dass mit dem würdigen Ensemble aus Säule und Brunnen auf dem Nikolaikirchhof und den vielen weiteren schriftlichen Hinweisen an den authentischen Orten dem Erinnern angemessen Genüge getan ist – ob aus Sicht der Akteure jener aufwühlenden Tage oder derjenigen, die mit ihren Einsichten zu spät gekommen sind, heute aber allesamt Nutznießer demokratischer Errungenschaften sind”, sagt Höll. “Es darf nicht dazu kommen, dass mit schlechtem Gewissen die Umsetzung eines der vorliegenden Denkmalsentwürfe uneinsichtig durchgezogen wird, um unsere Stadt anschließend mit einer infantil-monströsen Freiflächengestaltung dem Gespött der Welt preiszugeben.”

Berlin hat zwar mit seinem Denkmal auch eine Schlingertour hinter sich. Doch ist das Leipziger Wettbewerbsergebnis tatsächlich besser?

Barbara Höll: “Auch wenn die stolzen Leipzigerinnen und Leipziger sich nur ungern mit Berlin vergleichen: Die vorliegenden Leipziger Denkmalsentwürfe sind keineswegs besser als die empörenden Vorschläge für das Berliner Denkmalsgegenstück. Diese Ansicht hat der von der Linken nominierte Leipziger Kulturbürgermeister Michael Faber nun im Kern noch einmal wiederholt. Wer auch nur das geringste Gespür für den Charakter des in Leipzig im Herbst ’89 begonnenen Umbruchs hat, muss die Stadtbevölkerung grundsätzlich über das Denkmal abstimmen lassen. Die ästhetischen Debatten über das befremdliche Trauerspiel, das die Stadtbevölkerung beschämt, würden sich dann von selbst erledigen, und den Nutzen hätten unsere Stadt und alle ihre Bürgerinnen und Bürger. Nicht wer sich ein Denkmal setzen will, ist gefragt, sondern diejenigen, die den Mut hatten, in unserer Stadt wirklich etwas zu ändern.”

Eine Chance hat sogar der Stadtrat noch: Er kann im Herbst das Ansinnen des OBM ablehnen, ihn mit den Verhandlungen zum Bau des Denkmals zu beauftragen.Und was den Bürgerentscheid betrifft: Auch den kann der Stadtrat beschließen. Es muss nur eine Fraktion den Mumm haben, einen entsprechenden Antrag einzureichen.

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