Wenn es nach dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Regionalgruppe Leipzig, ginge, dann wäre bei der OBM-Wahl in Leipzig im Januar schon alles klar. Dann stünde der Lieblingskandidat fest. Ab Mittwoch waren alle Antworten der sechs angefragten OBM-Kandidaten eingetrudelt, auch die der beiden, die zur Podiumsdiskussion am Montag, 12. November, keine Zeit hatten.

Der BUND Leipzig hat die Antworten zu seinen zwölf Fragen auf seiner Website online gestellt. Die Fragen beschäftigen sich natürlich alle mit den für den BUND wichtigen Themen – mit Naturschutz, Umweltpolitik, Verkehr und Energie. Bei manchen Themen – das hat man auch schon am Montag mit Staunen erleben können – gibt es über alle Parteien und Kandidaturen hinweg Einhelligkeit. Beispielgebend die Absage an die Kohlekraft – insbesondere an das von der Mibrag bei Profen geplante neue Kohlekraftwerk und die von einigen Politikern zeitweise geforderte Beteiligung der Stadtwerke Leipzig an diesem Projekt.

Doch weder denken die Stadtwerke an so eine Beteiligung, noch passt das Projekt in die in Leipzig selbst maßgebliche Energiepolitik, die auf eine – möglichst unabhängige – Zukunft mit einer Versorgung aus Erneuerbaren Energien setzt.

Bei anderen Fragen sind auch die Antworten schon deutlich komplexer – so komplex, dass der BUND dazu kein grünes Plus als sichtbare Übereinstimmung mit eigenen Positionen setzte, sondern lieber ein Fragezeichen. Denn auch das hatte ja die Veranstaltung am Montag gezeigt: Nicht jede Umweltentscheidung liegt tatsächlich in Leipziger Hoheit. Oft ist man auf den guten Willen von Gesetzgebern oder Fördergeldbewilligern angewiesen. Oft macht aber auch das eigene Haushaltsbudget einen fetten Strich durch die Rechnung oder es müssen Kompromisse ausgehandelt werden mit Bevölkerungsgruppen, die eigene Interessenlagen anmelden.

Demokratie ist – im Unterschied zu jeder Diktatur – immer ein komplexer Prozess des Miteinander-Lernens und des Kompromisse-Findens.

In der letzten Zeit etwas seltsam anmutend, weil die Bundesrepublik einen Bundeskanzler und eine Bundeskanzlerin erlebt hat, die irgendwie beide ein sehr seltsames Verständnis von Demokratie bewiesen. Der eine wurde als “Basta”-Kanzler bekannt, weil ihm einige Diskussionen überhaupt nicht gefielen, die andere sagt immer dann, wenn ihr die Alternativen nicht gefallen, ihr Vorschlag sei “alternativlos”.

Das verwirrt auch Demokraten. Denn die Grundlage jeder Demokratie ist auch das Denken in Alternativen. Deswegen geht man doch wählen. Sonst könnte man ja gleich zu Hause bleiben.Im Werk 2 standen am Montag, 12. November, Dr. Barbara Höll (Die Linke), Prof. Dr. Felix Ekardt (Bündnis 90 / Die Grünen), René Hobusch (FDP) und der unabhängige Kandidat Dirk Feiertag als OBM-KandidatInnen Rede und Antwort. Der amtierende Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und Horst Wawrzynski (CDU) konnten aufgrund terminlicher Engpässe nicht persönlich teilnehmen und entsandten Vertreter, Holger Mann (SPD) und Dr. Sabine Heymann (CDU), um die jeweiligen Standpunkte darzulegen.

“Wir freuen uns sehr, dass viele LeipzigerInnen den Weg ins Werk 2 zu unserer ersten Podiumsdiskussion gefunden haben. Mit dieser Veranstaltung haben wir gezeigt, dass Umwelt- und Naturschutz den Menschen wichtig sind und vor allem in der Umsetzung von der Politik ernst genommen werden müssen”, resümiert Martin Hilbrecht, Vorsitzender des BUND Leipzig und Moderator der Veranstaltung, den Abend.

Bereits vor der Podiumsdiskussion wurden den OBM-KandidatInnen Fragen zu den Themen des Abends zugesandt. Alle Antworten sind ab Donnerstag, 15. November, auf der BUND-Website unter der Rubrik Wahlprüfsteine nachzulesen. “Wir haben die Wahlprüfsteine ins Leben gerufen, damit alle Interessierten bis zur OBM-Wahl am 27.01.2013 die Möglichkeit haben, die einzelnen Positionen der Kandidaten auch im Nachhinein auf einen Blick nachvollziehen zu können. Wer im Werk 2 live dabei war, kann nun selbst entscheiden, ob und wie gut die Aussagen übereinstimmen”, so Hilbrecht.

Über manche Bewertung kann man natürlich streiten: “Ich verweise auf die Beschlusslage des Leipziger Stadtrates und weise darauf hin, dass die Entscheidungen über Flugrouten und Flugzeiten nicht im städtischen Entscheidungsrahmen liegen”, sagte Burkhard Jung zum Thema Fluglärm. Und die Stadtratsbeschlüsse sehen ja einige Aktionen gegen Nachtfluglärm und Südabkurvung vor. Aber vielleicht gab’s das dicke blaue Minus vom BUND auch für den fehlenden “städtischen Entscheidungsrahmen”.

Viel mehr versprach auch René Hobusch nicht: “Bei der angesprochenen kurzen Südabkurvung handelt es sich um eine reine Tagroute. Flugrouten werden von der Deutschen Flugsicherung festgelegt. Ein Oberbürgermeister hat hierbei kein Mitspracherecht. Jeder, der etwas anderes behauptet, streut den Betroffenen Sand in die Augen. Ich kann Ihnen aber versprechen, dass ich mich dafür einsetze, dass diese Flugroute so wenig wie möglich oder gar nicht genutzt wird. Zu den Nachtflügen: Als Oberbürgermeister werde ich zu Ihnen ehrlich sein: es gilt der Planfeststellungsbeschluss. Und darin sind nächtliche Frachtflüge erlaubt. Trotzdem werde ich, wie auch in der Vergangenheit, den Betroffenen Gehör schenken und versuchen, möglichst viele Verbesserungen mit auf den Weg zu bringen.”

Der BUND gab ihm dafür aber ein grünes Plus.

Da hilft dann also nichts, als alle Antworten einzeln anzuklicken (einige sind auch noch nicht im Programm, weil die Antworten zu lang waren) und sich ein detailliertes Bild zu machen. Denn die Tücke und Komplexität bei vielen Themen auch im Umweltschutz tut sich oft erst auf, wenn man nach konkreten Handlungsspielräumen fragt. Manchmal – so war es auch in der Diskussion am Montag hörbar – sind auch Oberbürgermeistern rechtlich die Hände gebunden.

Was freilich nicht ausschließt, dass sie einfach verbal Position beziehen. Etwas, was viel zu selten praktiziert wird. Denn in verschiedenen Gremien – wie den Städtetagen etwa – bekommen solche Worte Gewicht, wenn die Mehrzahl der Kommunen und Bürgermeister dahinter stehen. Manchmal braucht es auch ein immer wieder geäußertes Ja oder Nein zu bestimmten Wildwüchsen, egal, ob sie auf lokaler, Landes- oder Bundesebene ihre Ursache haben. Manchmal führt nur Beharrlichkeit zu einer Änderung der Lage – und das kann man, wenn man ehrlich ist, nicht immer nur den Bürgerinitiativen und ehrenamtlichen Vereinen überlassen.

www.bund-leipzig.deAnmerkung der Redaktion: Ein Leser wies uns darauf hin, dass die Angaben auf der Website des BUND Leipzig heute noch ergänzt wurden. Jetzt sind auch die Antworten von Manuel Kuzaj (unabhängig), dem 7. OBM-Kandidaten, auf der Internetseite nachzulesen. Hier die aktualisierte Voransicht der Tabelle, bitte besuchen Sie für weitere Details die Website des Leipziger BUND:

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