Es gibt ja ungeduldige Zeitgenossen, die wollen nicht nur schnell Taten sehen, sondern auch Ergebnisse. Deswegen hat sich bei einigen Medien so eine 100-Tage-Frist eingespielt. 100 Tage nach Amtsantritt werden gewählte Politiker unter die Lupe genommen und ein redaktionell bestallter Oberlehrer verteilt Zensuren. Der OBM-Kandidat der Leipziger Grünen Felix Ekardt will dem Problem mit einem 8-Punkte-Programm schon mal vorgreifen.

Am Mittwoch, 9. Januar, stellte er es vor und bekam dafür Schützenhilfe aus Schwaben. Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, war extra angereist, um Parteifreund Felix zu unterstützen. Auch mit ein paar stolzen Hinweisen darauf, dass die Schwaben seit einiger Zeit von einem grünen Ministerpräsidenten regiert werden und auch die Hauptstadt Baden-Württembergs nun seit kurzem einen grünen OBM hat. Das könnte ja Ansporn sein für Leipzig, wo die Grünen 2009 immerhin das weit und breit beste Ergebnis für einen sächsischen Kreisverband eingefahren hätten. Und eine Gemeinsamkeit hätten ja Stuttgart und Leipzig: beide hätten einen attraktiven Kopfbahnhof. Nur dass der Stuttgarter nun für ein irrsinniges unterirdisches Bahnhofsprojekt abgerissen werden würde, während die Leipziger ja stolz seien auf ihren Kopfbahnhof.

Was er nicht sagte: Die Leipziger bekommen ihren Tunnel für ein Sechstel des Preises – und er führt unter dem Hauptbahnhof hindurch. Da hätte man sich in Schwaben durchaus etwas abgucken können in Leipzig.

Ansonsten habe man auch die berechtigte Diskussion um Großprojekte gemeinsam. Es sei kein Zufall, dass derzeit nicht nur über Stuttgart 21, sondern auch über den Nürburgring, die Hamburgische Elbphilharmonie und den Großflughafen Berlin-Brandenburg diskutiert werde. Alle diese Projekte zeigten, wie fern vom Bürgerwillen Planer und Politiker solche Prestigeprojekte durchzögen. Gerade dann, wenn eine der Volksparteien seit Jahren allein regiere. “Da vergessen sie oft, dass die Macht nur eine geliehene ist und auch etwas mit Demut zu tun hat”, sagte Özdemir. Sie vergäßen dabei auch oft, dass viele umgesetzte Projekte auch das Verdienst der Bürgerschaft seien.Und so sieht es auch Ekardt in Leipzig, der der Leipziger SPD nach 22 Jahren im OBM-Amt eine Art Besitzanspruch auf “ihr Leipzig” attestiert. Und er bekräftigte seine Aussage vom Vortag zum Mangel einer fundierten Streitkultur in Leipzig, in der auch unterschiedliche Pläne und Ansichten durchaus kontrovers diskutiert werden müssten.

Dass er gar nicht einmal das “Leipziger Modell”, das von OBM Hinrich Lehmann-Grube als ein Konsens-Modell im Stadtrat geschaffen wurde, für die fehlende Streitkultur verantwortlich macht, zeigte dann sein vorgelegtes 8-Punkte-Programm für die ersten 100 Tage im OBM-Amt. Das Programm kann jeder auf seiner Wahl-Website http://www.leipzig-obm.de nachlesen. Es steckt aber auch in den nächsten Tagen in 30.000 gedruckten Exemplaren in den Kartendisplays von culturtraeger in diversen Leipziger Clubs, Gaststätten und Veranstaltungshäusern.

Auf der grünen Vorderseite die durchaus selbstironisch gemeinten Sprüche “Kinder, Klima, Katzenbabys” und “Kein Horst – Burkhard”. Die Sache mit den Katzenbabys griffen die Grünen auf, nachdem der OBM-Wahlkampf-Slogan “Kinder. Klima. Klein-Paris” einige Zeitungen zu deftigen Glossen veranlasst hatte. “Aber wir stehen dazu”, sagt Grünen-Kreisvorsitzender Jürgen Kasek.

“Und in mein 8-Punkte-Programm habe ich vor allem Sachen aufgenommen, die man auch wirklich in 100 Tagen umsetzen kann, wenn man nur will”, sagt Ekardt.

Punkt 1, die “Schaffung einer zentralen Koordination für Kita-Plätze” sei nicht zu verwechseln mit einer zentralen Kita-Platzvergabe. “Das beißt sich schon mit dem Recht der freien Träger, ihre Plätze in Eigenregie zu vergeben. Aber es wäre schon viel erreicht, wenn es einfach eine zentrale Koordinierungsstelle gibt, die die Interessenbekundungen sammelt und mit den Trägern abklärt. Was auch den Trägern eine Menge Arbeit abnimmt. Die Erzieherinnen sind eigentlich nicht dazu da, diese ganze Anmeldearbeit auch noch zu erledigen”, sagt Ekardt.

Die “Erhöhung des Budgets für Spielplatzsanierungen auf 500.000 Euro” (als Punkt 2) hatten die Grünen schon 2012 in die Haushaltsdebatte eingebracht, waren aber an der Mehrheit im Stadtrat gescheitert. “Als OBM würde ich aber dafür sorgen, dass die Aufstockung wieder auf den Tisch kommt”, so Ekardt.Dass er – als Punkt 3 – ” Klimaschutz zur Chefsache im Rathaus” machen will, ist von einem Grünen und Nachhaltigkeitsforscher gar nicht anders zu erwarten. Von all den derzeit so gern verkündeten Mixen (Energiemix, Verkehrsmix …) hält er nichts. “Wenn man ernsthaft Klimapolitik machen will, muss man auch klare Ziele setzen”, sagt er.

Genauso wenig hält er von der verwaschenen Fünf-Cluster-Strategie der Stadt. “Da ist alles irgendwie drin. Aber es gibt keine richtigen Handlungsschwerpunkte, wo die Stadt wirklich hin will. ” Also soll es (Punkt 4) mit ihm ein “Anschieben einer Gründerinitiative im Bereich Energieeffizienz und Kreativwirtschaft” geben, den eigentlichen Zukunftsclustern der Stadt.

Und er drängt (Punkt 5) auf die “Aufstellung einer Lärmaktionsplanung” für Leipzig, die selbst nach Bundesimmissionsschutzgesetz schon 2008 hätte vorliegen müssen. 2013 wäre schon längst die Fortschreibung dran. Aber beim Lärm, so Ekardt, würde die Verwaltung in Leipzig regelrecht kneifen.

Punkt 6 auf seiner Liste ist eigentlich erst einmal eine Untersuchung in der Stadt, denn wo es “sichere Querungen für Fußgänger und Radfahrer” gäbe, wisse niemand. Die letzte flächendeckende Ergebung der Verwaltung stamme aus dem Jahr 1996, sagt Jürgen Kasek. Seither hätte sich eine Menge verändert. Wer aber die Bedingungen für Fußgänger und Radfahrer verbessern wolle, müsse zuallererst wissen, wo es Problemstellen im Verkehrsnetz gäbe – auf dass sie so schnell wie möglich behoben werden könnten.

Ein Dauerthema in der Stadtratsdiskussion ist mittlerweile die Sache mit der “Transparenz” (Punkt 7). Auch ohne irgendwelche weiterführenden Beschlüsse wäre es ein Leichtes, ab sofort eine “ständig aktualisierte und leicht verständliche Veröffentlichung sämtlicher geplanter Vorhaben der Stadt (Straßen, Spielplätze, Parkanlagen, Verkehrsführung usw.)” im Internet zugänglich zu machen. Und zwar auch die Frühphase umfassend, wenn noch keine Beschlüsse gefasst sind und die Bürger tatsächlich in die Diskussion einbezogen werden können. Als Negativ-Beispiel von einer Schein-Bürgerbeteiligung nannte Grünen-Stadtrat Norman Volger bei der Gelegenheit das geplante Parkhaus in der Thomasiusstraße und die künftige Bebauung auf dem Gelände des Bayerischen Bahnhofs.

Und mehr Personal wird es wohl brauchen, die Wartezeiten der Bürger bei ihren notwendigen Gängen zur Stadt zu verkürzen (Punkt 8). “In den letzten Jahren ist in der Verwaltung immer mit den Rasenmäher gekürzt worden, wenn es um Personalkürzungen ging. Dabei hat man einfach nicht geschaut, wo vielleicht Aufgaben reduziert wurden und wo Kürzungen eher schädlich sind.” Tenor: In den Bürgerämtern hat man das falsche Personal eingespart.

Aber richtig prächtig haben sich Özdemir und Ekardt tatsächlich über die Postkarten amüsiert. Warum sich nicht auch um Katzenbabys kümmern, wenn Kinder und Klima sowieso schon auf der Agenda stehen? Gearbeitet werden muss so oder so.

Das 8-Punkte-Programm: www.leipzig-obm.de/?page=100-tage-programm

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