Dass alle Pläne für eine Kindertagesstätte auf dem Gelände des Volkshauses in der Südvorstadt ins Stocken geraten sind, darüber hat die L-IZ schon am 9. Juni berichtet. Damit fehlt jedoch ein wichtiger Baustein in der Leipziger Kita-Planung. Und das auf Jahre. Die Grundstücksgesellschaft von ver.di sieht keinen Druck zu bauen. Das kritisieren jetzt zwei Stadträte der SPD-Fraktion. Und ver.di antwortet postwendend.

Am Montag, 17. Juni, meldeten sich die SPD-Stadträte Heiko Oßwald und Christopher Zenker zu Wort. – “Im Leipziger Süden gibt es immer noch deutlich zu wenige Kita-Plätze. Für die Familien mit kleinen Kindern bedeutet dies oft sehr lange Wege bis zur Krippe oder zum Kindergarten. Eine Kita auf dem Gelände des Volkshauses an der Karl-Liebknecht-Straße wäre da eine deutliche Verbesserung. Seit mittlerweile zwei Jahren sind wir hier intensiv am Ball, haben aber noch kein Einlenken von Ver.di in dieser Angelegenheit erreichen können”, resümiert Heiko Oßwald, Stadtrat aus Mitte.

Ursprünglich wollte die Caritas am Volkshaus eine Kindertagesstätte errichten, hatte dafür sogar schon Architektenworkshops durchgeführt, einen Bauantrag eingereicht und auch Fördermittelzusagen bekommen. 2012 sollte diese Kita fertig sein und war schon Bestandteil der städtischen Bedarfsplanung. In letzter Minute habe Ver.di dann 2011 die seit sechs Jahren laufenden Verkaufsverhandlungen abgebrochen. 2012 hatte die SPD-Fraktion daraufhin einen Antrag gestellt, dass die Stadt Mittel für den Bau dieser Kita vorhalten soll, um das Projekt nicht sang- und klanglos untergehen zu lassen. Mittlerweile liegt zum Antrag ein Verwaltungsstandpunkt vor, der aus Sicht der SPD-Fraktion sehr ernüchternd ist.

“Nachdem die Stadtverwaltung Kontakt zur Immobiliengesellschaft von Ver.di aufgenommen hatte, teilte das Unternehmen mit, dass ein Verkauf des Grundstücks im Zuge der Gesamtplanung für das Volkshaus nicht möglich sei”, meint Christopher Zenker, Stadtrat aus dem Leipziger Süden und Mitglied im Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule. “Zwar würde Ver.di eine Kita auf dem Grundstück begrüßen, kann sich aber eben nicht durchringen, hier Nägel mit Köpfen zu machen. Schließlich betont doch auch Ver.di immer wieder die Wichtigkeit, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Gerade vor diesem Hintergrund ist die gewählte Hinhaltetaktik der Gewerkschaft enttäuschend, denn bisher war Ver.di für mich ein Akteur, der sich zu seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bekannt hat. Dennoch habe ich noch die Hoffnung, dass das gewerkschaftseigene Immobilienunternehmen seine Haltung überdenkt und einen Teil des Gesamtgrundstücks am Volkshaus doch noch für eine städtische Kindertagesstätte zur Verfügung stellt.”Kaum war das Statement der SPD-Fraktion in der Welt, gab es eine Antwort aus dem Volkshaus von Ines Jahn, Bezirksgeschäftsführerin von ver.di Leipzig-Nordsachsen. Mit Erstaunen habe ver.di die heutige Pressemitteilung der Herren Zenker und Oßwald zur Kenntnis genommen. Diese lasse sich nur mit dem enormen Druck erklären, unter dem die SPD-Fraktion scheinbar vor der unmittelbar bevorstehenden Wahl des Sozialbürgermeisters am nächsten Mittwoch stehe. Offenbar wolle man hier mit Macht von dem Problem ablenken, dass die Stadt mit SPD-Oberbürgermeister und Bürgermeister für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule nicht in der Lage war, Perspektiven für Kita-Platz-suchende Eltern aufzuzeigen.

Den Schuldigen nun bei einem Grundstückeigentümer namens ver.di zu suchen, gehe weit an einer Problemlösung vorbei. Denn bereits mit Schreiben vom März 2013 habe die ver.di-Immobilienverwaltungsgesellschaft mit Sitz in Berlin nach einem Kontakt mit dem Herrn Schmidt vom Leipziger Jugendamt mit Weiterleitung an Herrn Zenker und Herrn Oßwald mitgeteilt: “dass wir derzeit keinerlei Aktivitäten auf der freien Fläche unseres Grundstücks entfalten. Im Rahmen einer evtl. später stattfindenden, heute jedoch noch nicht feststehenden Gesamtbeplanung des Areals finden wir den Ansatz, hier Raum für einen Kindergarten zu schaffen, sehr interessant.”

“Durchsichtiger kann das Manöver gar nicht sein. Ein Nichteinlenken oder eine Hinhaltetaktik von ver.di sieht anders aus!”, meint Ines Jahn. “Unbestritten gibt es einen hohen Bedarf an Plätzen in Kindertagesstätten, besonders im Bereich der Südvorstadt. Allerdings kann die Stadt nicht allein darauf vertrauen, dass sich die Pläne von ganz allein in die Tat umsetzen.”

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Vor vier Jahren hatte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ihr Vorkaufsrecht nutzen können und von der Cerberus – einem Finanzinvestor – das ehemalige Gewerkschaftseigentum (zurück-)erwerben können. Leipziger Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter begrüßten diesen Kauf außerordentlich, waren es doch viele, die sich 2007 mit Protesten gegen den DGB-Bundesvorstand wandten, um den Verkauf der Volkshäuser in Deutschland zu verhindern.

Das Volkshaus Leipzig ist durch Beiträge von ver.di-Mitgliedern wieder gewerkschaftliches Eigentum geworden. Genauso wie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft von der Stadt fordert, sorgfältig mit kommunalem Eigentum umzugehen und nicht für einen schnellen Gewinn Bürgereigentum zu verkaufen, würde auch ver.di sorgfältig abwägen und dann entscheiden, wie ihr Grundstück zukünftig gestaltet wird – im Interesse ihrer Mitglieder und der Stadt Leipzig, so die Mitteilung von ver.di.

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