Wenn Hochwasserschutzanlagen gebaut werden, dann sollen sie in der Regel 40 bis 80 Jahre halten. So lange bestimmen sie, welche Art Hochwasserschutz praktiziert wird. Die Landestalsperrenverwaltung (LTV) will jetzt das Nahleauslasswehr neu bauen, das bei den Hochwassern im Januar 2011 und im Juni 2013 geöffnet wurde, um die Burgaue dahinter kurzfristig als "Polder" zu nutzen.

Ein Vorhaben, das der Leipziger Ökoklöwe im Zusammenhang mit Auwaldschutz und Hochwasserkonzept als völlig überflüssig einschätzte. Die L-IZ fragte die Leiterin des Leipziger Umweltamtes, Angelika von Fritsch, nach dem Stand der Dinge.

Stimmt es, dass die Landestalsperrenverwaltung einen Antrag auf Erneuerung des 80 Jahre alten Nahleauslasswehrs gestellt hat? Nach unseren Informationen war das Anfang des Jahres der Fall.

Die Landestalsperrenverwaltung (LTV) hat bei der zuständigen Wasserbehörde (hier: Freistaat Sachsen, vertreten durch die Prüfstelle Wasserbau) einen Antrag auf Ersatzneubau des circa 45 Jahre alten Nahleauslassbauwerks nach Paragraph 26 Sächsisches Wassergesetz gestellt. Die Genehmigung wurde im naturschutzrechtlichen Einvernehmen durch die Stadt Leipzig als Untere Naturschutzbehörde, mit Beteiligung der Naturschutzvereinigungen gemäß Paragraph 57 Sächsisches Naturschutzgesetz erteilt.

Stimmt es, dass es eine qualifizierte Ablehnung des Vorhabens durch den Leipziger Ökolöwen gab, andererseits aber nur eine sehr knappe, wenn nicht nichtssagene Zustimmung des NABU?

Der Leipziger Ökolöwe und der NABU reichten regelgerecht qualifizierte Stellungnahmen zum Ersatzneubau des Nahleauslassbauwerkes ein (Ablehnung durch Leipziger Ökolöwen, Zustimmung durch NABU). Die in den Stellungnahmen genannten Bedenken und Variantenvorschläge wurden geprüft.

Hat das zuständige Amt für Umweltschutz die naturschutzrechtliche Genehmigung für den Ersatzbau gegeben? Wenn ja, wann und mit welcher Begründung?

Die Stadt Leipzig als Untere Naturschutzbehörde hat das naturschutzrechtliche Einvernehmen zum Vorhaben, unter Beachtung der Variantenuntersuchungen und Verifizierung der eingegangenen Stellungnahmen zum Ersatzneubau des Nahleauslassbauwerks unlängst erteilt.
Hat es Prüfungen im Zusammenhang mit den verschiedenen Varianten des Hochwasserschutzes in Leipzig gegeben, die 2002 bis 2004 diskutiert wurden?

Die verschiedenen Varianten des Hochwasserschutzes wurden im Zuge der Erstellung der Hochwasserschutzkonzepte (HWSK) im Jahr 2004 eingehend geprüft. Für das HWSK Weiße Elster wurden weiterführende Untersuchungen für das Gebiet des Ratsholzes, für das Integrierte Gewässerkonzept (Offenlegung der alten Weißen Elster, Verbindungsgewässer Weiße Elster – Neue Luppe, et cetera) sowie für das Gebiet der Elster-Luppe-Aue durchgeführt. Im Zuge dieser Untersuchungen wurde auch die Möglichkeit der Absenkung der Fachbaumhöhe des Nahleauslassbauwerks geprüft. Die Ergebnisse der Studie zeigten jedoch, dass aufgrund der topografischen Verhältnisse der “Südlichen Luppeaue/Burgaue” die Absenkung der Fachbaumhöhe nicht zu häufigeren Überschwemmungen des Polders führen würde. Daraufhin wurde die Gestaltung des Ersatzneubaus analog zum bisherigen Bauwerk, ohne Verringerung der Fachbaumhöhe, festgelegt. Die Ergebnisse der HWSK nebst weiterführender Untersuchungen wurden fachlich beurteilt und vom Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft als Handlungsgrundlage bestätigt.

Auch im Juni 2013 wurde das Nahlewehr geöffnet und die südliche Burgaue als Polder genutzt, obwohl sie als solcher (noch) nicht ausgebaut ist. Liegen Ausbaupläne der LTV für diesen Polder vor? Oder hat die Stadt solche im Zusammenhang mit der Abfrage zum Nahlewehr abgefordert?

Der Polder “Südliche Luppeaue/Burgaue” ist auch im aktuellen Zustand ein bedeutender Baustein in der Gesamtheit der Hochwasserschutzmaßnahmen der Stadt Leipzig.

Darüber hinaus ist im HWSK Weiße Elster die Verbesserung der hydraulischen Leistungsfähigkeit und Kapazität der Retentionsfläche als erforderliche Maßnahme genannt. Die Planung der LTV zu diesem Vorhaben erfolgt in Abstimmung mit dem Projekt “Lebendige Luppe” des Amtes für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig.
Wurde geprüft, welchen Sinn die Ersatzbaumaßnahme im Zusammenhang mit dem Projekt “Lebendige Luppe” hat? Wenn nein, warum nicht? Und welchen Sinn macht das Projekt “Lebendige Luppe”, wenn die Burgaue durch Deich und Wehr trotzdem “gegen Hochwasser” geschützt bleibt?

Der Ersatzneubau des Nahleauslassbauwerks und das Projekt “Lebendige Luppe” haben verschiedene Ziele: Das Nahleauslassbauwerk hat als technisches Bauwerk eine Schutzfunktion zur Vermeidung hochwasserbedingter Schäden in den Stadtteilen Wahren und Lützschena-Stahmeln (infolge der Entlastung/Verminderung der Wasserführung in der Neuen Luppe). Hier geht es nicht um einen “Hochwasserschutz für die Burgaue”.

Das Projekt “Lebendige Luppe” verfolgt hingegen die Ziele der Renaturierung historischer, zum Teil nur noch rudimentär vorhandener Wasserläufe des Grabensystems Alte Luppe sowie der Vernässung des Auwaldes. Der Zulauf zur Aktivierung der alten Wasserläufe ist vorrangig aus der Kleinen Luppe geplant.

Wie bereits im Punkt fünf genannt, finden Abstimmungen zum Ersatzneubau des Nahleauslassbauwerks und dem Projekt “Lebendige Luppe” statt. Im Zusammenhang mit den topografischen Gegebenheiten in der Burgaue (siehe Punkt vier) kann die Öffnung des Nahleauslassbauwerks jedoch nur eine zusätzliche Wasserbeaufschlagung des Polders “Südliche Luppeaue/ Burgaue” bei Hochwasserereignissen mit höherer Jährlichkeit darstellen.

Gibt es überhaupt Pläne in der Stadtverwaltung, die 2002/2004 für Flutung/Polder vorgesehenen Teile des Leipziger Auwaldes in nächster Zeit wieder mit der Elster zu verbinden oder überlässt man diese Entscheidungen alle der LTV?

Es gibt eine fortgeschrittene Planung für das Projekt “Dynamische Aue” unter Mitwirkung der Naturschutzbehörde der Stadt Leipzig, die das Ziel der Reaktivierung alter Grabenverläufe im südlichen Auwald verfolgt. Die Wasserzufuhr wird über das Elsterhochflutbett erfolgen. Es finden enge Abstimmungen mit allen beteiligten Behörden der Stadt Leipzig und der LTV statt. Außerdem wird auf das oben genannte Projekt “Lebendige Luppe” verwiesen.

Gibt es überhaupt eine Verwaltungsinitiative, die vollmundigen Versprechungen zur Revitalisierung des Leipziger Auwaldes mit konzeptionellen Plänen und klaren Handlungsschritten mit der LTV umzusetzen? Oder gibt es niemanden, der dafür den Hut auf hat?

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Die Planungen zur Revitalisierung des Leipziger Auwaldes erfolgen, wie oben bereits ausgeführt, in enger Kooperation zwischen Stadt Leipzig und der LTV. Im Zuge dessen werden Lösungen mit konkreten Handlungsschritten entwickelt, in denen der Schutz des Menschen und seiner Kulturgüter im Einklang mit dem Schutz der Natur stehen.

Wer auf leipzig.de nach den Hochwasserschutzkonzepten der Stadt Leipzig sucht, findet nur die Hochwassergefährdungskarten. Warum sind die Konzepte oder zumindest die Diskussionsgrundlagen eines Hochwasserschutzkonzeptes nicht online abrufbar?

Die HWSK stellen keine ingenieurtechnische Planung zur Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen dar. Vielmehr sind sie als Arbeitsgrundlage zur Planung konkreter Hochwasserschutzmaßnahmen zu werten (siehe Punkt vier).

Die Fülle der HWSK, das der Weißen Elster umfasst 18 Aktenordner, würde das Informationsinteresse der Bürgerinnen und Bürger überfrachten. Die auf der Website der Stadt Leipzig veröffentlichten Gefahrenkarten ermöglichen eine gute Interpretation zur potentiellen Gefährdung von Ortsteilen und Grundstücken. Weiterführende Fragen zu den Inhalten der HWSK können jederzeit an die Stadtverwaltung gerichtet werden. Die Dokumente können außerdem bei der Stadt Leipzig, Amt für Umweltschutz, Sachgebiet Wasserbehörde eingesehen werden. Im Übrigen wäre die Einstellung der HWSK für die Gewässer erster Ordnung Sache des Freistaates Sachsen, da dieser Auftraggeber für diese war bzw. Eigentümer der HWSK ist.

Plant die Verwaltung überhaupt einmal die Diskussion und Verabschiedung eines durchdachten Hochwasserschutzkonzeptes?

Wie aus den obigen Ausführungen ersichtlich, gibt es nicht ein HWSK für die Stadt Leipzig. Vielmehr werden HWSK gewässerbezogen erarbeitet.

Im Zuge der Erstellung der HWSK für die Gewässer erster Ordnung fand ein intensiver Gedankenaustausch aller Beteiligten statt. Im Ergebnis stehen Konzepte, die den verschiedenen Anforderungen der Beteiligten bestmöglich entsprechen. Wie bereits im Punkt vier ausgeführt, sind die HWSK für die Weiße Elster, Pleiße und Parthe fachlich anerkannt und vom Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft bestätigt. Im Leipziger Amtsblatt Nummer neun vom 6.Mai 2006 erfolgt eine öffentliche Bekanntmachung zur möglichen Einsichtnahme der HWSK für die Gewässer I. Ordnung bei der Stadt Leipzig und der LTV. Die HWSK wurden zudem wiederholt in den verschiedenen Gremien der Stadtverwaltung und einer Mehrzahl von öffentlichen Veranstaltungen vorgestellt und diskutiert. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt in Abstimmung mit der Stadt Leipzig.

Seitens der Stadt Leipzig selbst wurde für den Pösgraben ein HWSK erarbeitet und einzelne sich daraus ableitende Maßnahmen bereits realisiert. Für die Nördliche Rietzschke wurde eine Hochwasserrisikomanagement-Planung in Auftrag gegeben. Deren Ergebnisse liegen allerdings noch nicht vor.

Die Konzepte werden fortgeschrieben und somit auf neue örtliche und sachliche Gegebenheiten angepasst und validiert. So können Handlungsschritte, die im Ereignisfall aus den HWSK abgeleitet werden, unter anderem besser auf die naturschutzfachlichen Bedürfnisse und Ziele abgestimmt werden.

Welche Projekte stehen in Sachen Hochwasser auf der Arbeitsliste? Oder lässt man sich die Reihenfolge weiter von der LTV vorgeben und segnet sie einfach ab?

Die Bau- und Unterhaltungslast für öffentliche Hochwasserschutzanlagen, wie Deiche, Deichverteidigungswege und andere Anlagen, die dem Schutz der Allgemeinheit vor Hochwasser dienen, obliegen für Gewässer I. Ordnung dem Freistaat Sachsen, vertreten durch die LTV (Paragraph 80 in Verbindung mit den Paragraphen 79 und 32 Sächsisches Wassergesetz). Die Maßnahmen werden von der LTV mit den jeweils beteiligten Kommunen abgestimmt. Die Reihenfolge der Umsetzung erfolgt auf Basis der Prioritätenzuweisung der einzelnen Maßnahmen, die das jeweilige Schadenspotential widerspiegeln.

Weitere wichtige Projekte neben dem Ersatzneubau des Nahleauslassbauwerks sind derzeit die Herstellung DIN-gerechter Deichverteidigungswege und Instandsetzung der Deiche am Elsterhochflutbett, der Ersatzneubau des Verteilerbauwerks Knauthain, die Erhaltung der hydraulischen Leistungsfähigkeit des Elsterbeckens, die Partheüberleitung von der Unteren Weißen Elster zur Neuen Luppe sowie die Instandsetzung der Deiche am Elsterflutbett.

Gab es auch zu den nördlichen Deichbauten 2011 eine naturschutzrechtliche Anfrage der LTV oder war das nicht nötig? Hat die Stadt überhaupt qualifiziert zu diesen Deichbauten an der Neuen Luppe Stellung genommen und wenn ja, mit welcher Aussage?

Die Instandsetzung des rechtsseitigen Deiches an der Neuen Luppe fand in drei Bauabschnitten (BA) statt. Für den ersten und zweiten BA (bis zum Kleingartenverein Stahmeln Süd) erfolgte eine Gestattung in Form einer Plangenehmigung durch die Stadt Leipzig. Für den dritten BA, anschließend an den zweiten BA bis über die Stadtgrenze hinaus, erfolgte die Gestattung durch die Landesdirektion. Sämtliche wasserbehördliche Gestattungen erfolgten per se im naturschutzrechtlichen Einvernehmen.

An den Deichen der Neuen Luppe linksseitig und der Kleinen Luppe wurden 2011 Deichunterhaltungsmaßnahmen in Form von Holzungsarbeiten durchgeführt. Diese sind wasserbehördlich genehmigungsfrei. Das erforderliche naturschutzrechtliche Einvernehmen dazu wurde durch die Stadt Leipzig als untere Naturschutzbehörde erteilt.

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