Haushaltsdisziplin, Arbeitsmarkt, Wirtschaft. Drei Begriffe, die Fragende und Antwortende schon im ersten Teil des großen L-IZ-Interviews rasch auch über die Leipziger Stadtmauern auf Land und Menschen schauen ließen. Der zweite Teil behandelt Themen wie den Lehrermangel und die Zukunft der Eigenbetriebe - ein intensives Gespräch zwischen Ralf Julke, Matthias Weidemann und Burkhard Jung.

Stichwort Lehrermangel. Die prekäre Situation führt mittlerweile flächendeckend zu Unterrichtsausfall an allen Schulen …

Und da geht es Leipzig noch gut. Aber Sie haben völlig Recht, die Anstrengung, neue Lehrerinnen und Lehrer zu gewinnen, ist eine der ganz wichtigen Aufgaben.

Wobei das ja nicht das Problem ist. Es gab 1.600 Bewerber auf 200 Plätze, die angeboten werden. Die jungen Leute wollen Lehrer werden, nur sie bekommen in Sachsen keine Anstellung.

Ja.

Eigentlich ein Thema, bei dem sich die Kommunen in Sachsen zusammentun müssten, um Krach zu schlagen.

Das würde dann so ausgehen, dass der Oberbürgermeister von Leipzig wieder einmal massiv genau das einfordert, vielleicht noch von der Kollegin aus Chemnitz begleitet wird, aber ansonsten Stille im Land ist.

Ein weiteres Thema, das angrenzt, ist die Kultur. Wie weiter mit den Eigenbetrieben? Das drohende Loch von 5 Millionen ist ja noch nicht geschlossen?

Doch, das ist schon lange geschlossen. Wir haben erstens eine Finanzierungssicherheit geschaffen, indem mit den Eigenbetrieben eine Vereinbarung über eine Budgetsicherheit von drei Jahren geschlossen wurde. Wir haben zweitens mehr Geld ins System gegeben, mit der Auflage, in bestimmten Bereichen einen Eigenbeitrag zu liefern, bis hin zur Verpflichtung, 50 % der Tariferhöhung in den Häusern selbst abzufangen.

Ich schaue mir die Entwicklungen in der Oper an, die mich sehr freut, wo durch den Zuschauerzuspruch fast eine Million Euro Mehreinnahmen generiert werden konnten. Ich sehe mit großer Freude, wie Enrico Lübbe es schafft, wieder Bindung an das Schauspielhaus zu erzeugen. Die Dreigroschenoper ist ausverkauft bis April – das heißt, es ist Zuspruch da, es finden sich auch wieder neue Sponsoren. Auch das Gewandhaus ist insgesamt gut aufgestellt und hat die Finanzierung bis 2016 ebenfalls unter Kontrolle.

Jetzt ist der actori-Prozess eingeleitet worden, der sehr positiv für die Zusammenarbeit gewirkt hat. Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, dass unsere Häuser in der Vergangenheit in der Form so intensiv zusammengearbeitet haben und bis ins Detail hinein diskutiert haben, ob man gemeinsam Kühltechnik nutzt, ob man Orchesterwarte gemeinsam einsetzen kann, eine Haustechnik organisiert. Ich komme ganz klar zu dem Ergebnis, dass erstens unsere Häuser viel besser aufgestellt sind, als man gemeinhin am Stammtisch diskutiert.

Zweitens müssen wir sehr sensibel und vorsichtig sein bei einer wie auch immer gearteten Neustrukturierung und Neuorganisation, weil sie sehr viel an künstlerischer Entwicklung gefährden kann. Ich schlage deswegen vor, in der Tat bis 2020 im System nichts zu verändern, sondern die Möglichkeiten der Einnahmeerhöhung durch Zuschauerzuspruch, durch Sponsoring, durch bessere Vermietungsmöglichkeiten auszuschöpfen, die Budgetierung und Kooperation ernst zu nehmen und zu leben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Stadtrat in der Gesamtheit dem auch folgt.

Es wird sicherlich zu meiner Informationsvorlage von der einen oder anderen Fraktion Änderungsanträge geben, wo gerne ein Vorschlag eingebracht werden kann, der abgestimmt werden soll. Wir werden sehen, wie der dann diskutiert wird im Stadtrat. Aber ich glaube, es ist allgemein akzeptiert, dass der Prozess gut war, dass er die Häuser zusammenführt und alle sehr vorsichtig sind im Hinblick auf die Veränderungen in größerer Form, weil man doch Sorge hat, gegebenenfalls die Dinge zu gefährden, die uns so wichtig sind.

Anm. d. Red.: Das Interview wurde vor der Stadtratssitzung am 12. Februar geführt. Den Änderungsanträgen wurde nicht zugestimmt. Bis 2020 soll es somit keine Umstrukturierungen geben.

Offen ist auch noch die Diskussion der Zusammenlegung von jeweils zwei Verwaltungen …

Da sehe ich zurzeit keinen Handlungsbedarf. Ein Ergebnis des actori-Prozesses ist doch auch, dass wir sehen, dass man dort am besten aufgestellt ist, wo eine personelle Kontinuität über lange Jahre positiv erfolgt ist. Ich meine, wir wären gut beraten, den Intendanten Schirmer und Lübbe die Zeit zu geben, die ein Intendant Schulz für das Gewandhaus hatte. Wir brauchen eine personelle Kontinuität sicherlich noch für 5 Jahre bis 2020 und dann können wir natürlich neu diskutieren – ist das ein Zeitpunkt wo man einen nächsten Schritt gehen kann? Ich fand es vom Stadtrat klug, diesen Prozess nicht mit einem Konsolidierungsziel zu beginnen, sondern vor dem Hintergrund, wie müssen wir unsere Betriebe strukturell und verwaltungstechnisch aufstellen, damit sie auf diesem Niveau weiter Kunst machen können.

Der Fall Schauspielhaus zeigt, dass es auch ein bisschen auf die Person ankommt, die das Haus leitet. Herr Hartmann war vielleicht etwas zu introvertiert der Stadt gegenüber?

Introvertiert … (schmunzelt). Kulturbetriebe leben wesentlich von der Handschrift des Intendanten und von der Kommunikation mit dem Publikum. Herr Lübbe versucht, mit einer künstlerisch größeren Vielfalt einen neuen Ansatz zu finden, um Menschen wieder ans Haus zu binden. Und indem er gezielt Unterrichtsstoffe des Deutschunterrichtes aufnimmt. Zum Beispiel “Antigone”, welches fast ständig ausverkauft ist, auch durch Oberstufenkurse von Gymnasien.

Sebastian Hartmann ist einen anderen Weg gegangen. Auch da habe ich ihn vor 5 Jahren glühend verteidigt, weil ich glaube, dass es richtig und gut ist, dass jemand versucht, mit seiner eigenen Handschrift ein Haus zu prägen. Im Ergebnis muss man feststellen, dass die Abonnentenzahl ganz gering wurde, dass ein überregionaler Erfolg sich erst Ende der Spielzeit mit der Einladung zum Theaterfestival eingestellt hat. Ich denke, Herr Hartmann hat dann auch die Konsequenz für sich gezogen, die Intendanz nach 5 Jahren zu beenden. Da will ich auch gar nicht nachwaschen – es ist ein Versuch gewesen, ein radikaler Versuch, Theater zu machen, der in Leipzig nicht richtig funktioniert hat. Wahr ist aber auch, dass er eine kleinere Gruppe Menschen durchaus angesprochen hat.

Wobei die kleinere Gruppe durch die Freie Szene vom “Lofft” bis zu den “Cammerspielen” schon sehr gut bedient wird in Leipzig …

Das war meine Auffassung am Ende der Spielzeit, dass ein Schauspielhaus, was wir hier in der Stadt haben, in der Tat eine größere Breite abdecken muss. Ich denke, dass das Herr Lübbe versucht und mit Erfolg in den letzten Monaten angegangen ist, aber auch da müssen wir die nächsten Jahre abwarten, wie die Entwicklung ist und neugierig begleiten.

Was passiert mit den 400.000 Euro, die übrig geblieben sind?

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Fakt ist definitiv, dass das Schauspielhaus mit etwa 400.000 Euro Defizit das Jahr 2013 abschließt. Nach sächsischem Eigenbetriebsgesetz könnte ich mir das jetzt ganz einfach machen, innerhalb von drei Jahren müssen die ausgeglichen sein.

Heißt das, Herr Lübbe bekommt das als Aufgabe mit?

Das müssen wir noch zu Ende diskutieren, ob das wirklich zu stemmen und zu schaffen ist. Aber klar, vordringlich und zuerst ist der Eigenbetrieb gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Defizit in drei Jahren wieder auszugleichen. Ob das zu schaffen ist, werden wir miteinander besprechen müssen.

Das andere große Projekt ist der Stadtkonzern. Da steht nun ein Führungswechsel an. Wie sieht’s aus?

Gut (lacht).
Anm. d. Red.: Der Aufsichtsrat der LVV Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH hat am 10. Februar Dr. Norbert Menke ohne Gegenstimme zum neuen Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung der LVV berufen. Zudem wurde Volkmar Müller vom Aufsichtsrat erneut als kaufmännischer Geschäftsführer bestellt. Damit steht das Führungsduo der LVV-Geschäftsführung für die nächsten fünf Jahre fest.

Noch eine Frage zur Bilanz. Was haben Herr Rahmen mit Detlev Kruse und Volkmar Müller geschaffen in den letzten Jahren? Wie ist der Prozess aus Ihrer Sicht einzuschätzen?

Wir haben enorme Schritte geschafft. Wenn ich den Vergleich mit den Kulturbetrieben wage: noch nie in den letzten 23 Jahren haben Verkehrsbetriebe, Stadtwerke und Wasserwerke so eng in Arbeitsgruppen unterschiedliche Kooperationen und Strukturfragen nicht nur diskutiert, sondern auch entschieden, wie innerhalb der letzten zwei Jahre. Insgesamt ist der Weg von der Finanzholding zum Managementholding sehr stringent verfolgt worden. Wir haben momentan die Situation, dass wir etwa 10 bis 12 Millionen Euro Einsparung per anno in den Projekten untersetzt haben, die ab 2014 beginnen zu greifen und 2015 vollständig greifen sollen. Ich glaube, dass wir noch mehr Möglichkeiten haben und wir werden diesen Weg weiter konsequent gehen. Ich bin überaus zufrieden mit diesem Prozess.

Der Prozess müsste ja dahin führen, dass der Konzern wieder Spielräume hat, die LVB besser zu unterstützen. Langsame Fahrstrecken, alter Fuhrpark erhöht die Attraktivität des ÖPNV in Leipzig nicht …

Ja. Zum einen stelle ich fest, die Fahrgastzahlen steigen. Das liegt natürlich auch an der wachsenden Stadt Leipzig. Ich habe dem Stadtrat zugesagt und das ist auch untersetzt, dass wir das Förderprogramm des Freistaates abfassen und neue Straßenbahnen austauschen können, das ist für 2014 im Haushalt der LVV untersetzt. In 2015/16 wird es unter Umständen dazu kommen, und so ist es jetzt eingeplant, dass die Stadt Leipzig auch einen weiteren Zuschuss bereitstellt, die neuen Straßenbahnen abzurufen und die Tatras auszutauschen. Wir haben das Riesenbauprojekt Heiterblick vor der Brust, da liegt eine der Wurzeln dieser schwierigen Finanzlage, weil der Freistaat sich deutlich aus der Finanzierung zurückgezogen hatte und wir über Kredite neu finanzieren müssen. Damit steigt die Belastung für den Konzern.

Wir haben aber auch im Wassernetz Bedarf, über 75-jährige Wasserleitungen auszutauschen. Wir haben in den Stadtwerken das Thema, wo investieren wir richtig für regenerative Stromerzeugung? Das sind alles Herausforderungen, die auf uns zukommen, aber wenn der Konzern diesen Weg so weitergeht, die Synergien hebt, ist mir da nicht bange. Die Betreibe sind gut aufgestellt, sie machen einen guten Job. Viel, viel wichtiger ist, wir müssen jetzt in London unseren KWL-Prozess gewinnen, erst dann sind wir auf der sicheren Seite.

Der dritte und letzte Teil in Kürze an dieser Stelle.

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