Darüber, wie die Demokratie in Sachsens Kommunen funktioniert, grübeln derzeit eine ganze Reihe von Leuten. Dass die Kommunen nicht ganz frei sind in ihren Entscheidungen und oft genug auf den guten Willen der Landesregierung angewiesen sind, war ja schon leidlich bekannt. Aber kann es sein, dass Oberbürgermeister die Kommunalparlamente eigentlich gar nicht brauchen zum Regieren? - Eine Frage, die jetzt die Grünen-Fraktion beschäftigt.

Im Juni hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt, ein Begleitgremium für die Unterbringung von Geflüchteten in Leipzig einzurichten. Der Antrag hat zum Ziel, eine ausgewogene soziale Betreuung im Rahmen der Aufnahme von Flüchtlingen sicherstellen zu können. Im Grunde eine Sache, die von der Verwaltung begrüßt werden müsste. Denn damit würden sich ja einige Ehrenamtliche in Leipziger wieder eine Menge Arbeit ans Bein binden und beratend tätig werden. Aber so richtig warm wird Leipzigs Verwaltung mit den Beiräten nicht. Irgendwie scheint man deren Existenz in manchem Amt als Störung und überflüssige Einmischung zu begreifen.

Rechtlich zulässig ist so ein Beirat. Aber mit einem Schreiben an die Grünen-Fraktion versucht Oberbürgermeister Burkhard Jung zu begründen, warum die Einrichtung eines solchen Beirats nicht in die Hoheit des Stadtrates gehört.

Obwohl die rechtlichen Möglichkeiten dazu geprüft wurden, stellt die Grünen-Fraktion nun fest, sei der Antrag vom Oberbürgermeister kassiert worden, mit dem Verweis darauf, dass es eine Angelegenheit des OBM wäre und daher der Antrag der Fraktion zum Begleitgremium nicht zulässig sei. Aufgrund dessen hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nun ein Verfahren vor der Landesdirektion angestrengt, um die Zulässigkeit der Zurückweisung des Antrags prüfen zu lassen.

Und nicht nur das: Im Auftrag der Fraktion mahnt Rechtsanwalt Jürgen Kasek, der auch Vorsitzender des Grünen-Stadtverbandes ist, die Wiederherstellung der “gemeindeordnungsrechtlich verbrieften Rechte” des Leipziger Stadtrates an.

Norman Volger, Fraktionsvorsitzender, erklärt dazu: “Es ist ein Stück aus dem Tollhaus, was hier zur Aufführung kommt. Obwohl schon das Konzept zur dezentralen Unterbringung von Asylsuchenden vom Stadtrat beschlossen wurde, und die Verwaltung schon damals die Zulässigkeit anzweifelte, meint die Verwaltung nunmehr erneut, dass ein Begleitgremium nicht Aufgabe des Stadtrates sei. Offensichtlich darf nicht sein, was Oberbürgermeister Jung nicht will.”

Bislang liegt die Entscheidungskompetenz für die Auswahl der sozialen Betreuung allein bei der Verwaltung. Um entsprechend des beschlossenen Konzeptes zur Unterbringung von Geflüchteten, für Transparenz bei der Auswahl zu sorgen und die Kriterien der Auswahl nachvollziehbar zu machen, sollte nach Vorstellung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ein Begleitgremium eingesetzt werden. Grundsätzlich sollte dabei die Auswahl des Anbieters auch in Übereinstimmung mit den Interessen der Geflüchteten erfolgen. Es wäre ein Beratungsgremium.

Aber, so der OBM in seinem Schreiben an die Grünen-Fraktion: Die Stadt erledige hier nur Weisungsaufgaben und sei “nur ausführendes Organ. Eine Zuständigkeit der Ratsversammlung ist somit nicht gegeben.” Im Grunde eine kleine Brüskierung, denn die Stadtratsfraktionen haben sich in den vergangenen Jahren mit viel Energie darum bemüht, die dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden in Leipzig voranzutreiben. Eben auch weil den Stadträten eine möglichst gute Integration der Asylsuchenden in in die Leipziger Stadtgesellschaft wichtig ist.

Und nun soll sich der Stadtrat nicht in die Betreuung einmischen? Nicht mal durch die Installation eines Beratungsgremiums?

Dies zu prüfen und dem Antragsanliegen doch noch zum Erfolg zu verhelfen, haben die Grünen die Landesdirektion um rechtliche Prüfung des Sachverhaltes der Zurückweisung ersucht.

“Es gibt offenbar keine nachvollziehbare Grundlage, wie die Gesetze angewendet werden”, stellt Grünen-Vorstandssprecher Jürgen Kasek fest. “Es entsteht der Eindruck, wenn es dem Oberbürgermeister passt, ist eine Einbeziehung des Stadtrates machbar auch gegebenenfalls am Gesetz vorbei; wenn es ihm nicht passt, dann eben nicht. Die Sächsische Gemeindeordnung biegt der OBM je nach Lage zurecht, mit Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Vertrauensschutz hat das nicht viel zu tun.”
Der Grünen-Antrag als PDF zum download.

Das Schreiben der Stadt Leipzig zum Begleitgremium als PDF zum download.

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