Bitte Geduld, teilte die Stadtverwaltung mit, als die L-IZ wissen wollte, wie das nun wirklich war im Sächsischen Städte- und Gemeindetag (SSG): Hatte Leipzig nun ganz offiziell gefordert, das Christentum aus dem sächsischen Schulgesetz zu streichen? Der CDU-Stadtrat Ansbert Maciejewski hatte da so was gehört und wollte jetzt Verantwortliche aus Leipzigs Stadtverwaltung benannt wissen.

Die Passage steht seit über 20 Jahren im Schulgesetz. Auch damals gab es heftige Debatten, die am Ende von der mit absoluter Mehrheit regierenden CDU einfach ignoriert wurden. Seitdem steht das Christentum im sächsischen Schulgesetz, obwohl die überwiegende Mehrheit der Sachsen in keiner Kirche gebunden ist.

Der Passus lautet: “Die schulische Bildung soll zur Entfaltung der Persönlichkeit der Schüler in der Gemeinschaft beitragen. Diesen Auftrag erfüllt die Schule, indem sie den Schülern insbesondere anknüpfend an die christliche Tradition im europäischen Kulturkreis Werte wie Ehrfurcht vor allem Lebendigen, Nächstenliebe, Frieden und Erhaltung der Umwelt, Heimatliebe, sittliches und politisches Verantwortungsbewusstsein, Gerechtigkeit und Achtung vor der Überzeugung des anderen, berufliches Können, soziales Handeln und freiheitliche demokratische Haltung vermittelt, die zur Lebensorientierung und Persönlichkeitsentwicklung sinnstiftend beitragen und sie zur selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Anwendung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten führt und die Freude an einem lebenslangen Lernen weckt.”

Darf man ja nach 22 Jahren mal nachfragen, ob die “christliche Tradition” da endlich gestrichen werden kann. Aber auch im SSG geht es etwas komplizierter und demokratischer zu, als man sich das manchmal denkt. Wenn ein Leipziger Verwaltungsmitarbeiter das Thema dort  zur Sprache bringt, heißt das noch lange nicht, dass die anderen Beifall klatschen und sagen: Ja, so machen wir’s.

So war’s auch in diesem Fall.

“Durch wen wurde festgelegt, dass die Stadt Leipzig eine derartige Position innerhalb des SSG vertritt?”, fragte Maciejewski im Dezember.

Nun gab’s die trockene Auskunft aus dem Sozialdezernat: “Eine solche Festlegung gab es nicht. Die Diskussion erfolgte nicht in einem Gremium, sondern in einer Arbeitsgruppe des SSG, deren Ergebnisse zunächst dem Ausschuss für Soziales, Bildung und Kultur vorgelegt werden und erst danach gegebenenfalls im Präsidium beschlossen werden. Der genannte Vorschlag wurde von der Arbeitsgruppe nicht übernommen.”

Ist also wie im Ausschuss. Nehmen wir mal den Wirtschaftsausschuss. Da sagt eine Partei, dass sie – sagen wir mal – den “Modal Split” aus dem STEP Verkehr raushaben möchte und die andern sagen, nee. Dann bleibt er eben drin. Da kann die eine Partei ganz laut protestieren. Ist eben so.

Bleibt die “christliche Tradition” eben drin.

“Zu welchem Zeitpunkt wollte der Oberbürgermeister den Stadtrat informieren?”, fragte Ansbert Maciejewski noch.

Schlichte Antwort: “Eine Information des Stadtrates war nicht erforderlich, da es sich nicht um einen Diskussionsprozess in einem Gremium, sondern in einer Arbeitsgruppe handelte.”

Dritte Frage: “Welche städtischen Regelungen gelten generell für die Gremienarbeit von Vertretern der Stadt Leipzig im SSG sowie im Deutschen Städtetag?”

“Beigeordnete vertreten den Oberbürgermeister in Gremien des SSG und des DST, sofern dieser nicht selbst Mitglied ist. In Arbeitsgruppen, bei denen es sich nicht um Gremien im engeren Sinn handelt, wirken auch Mitarbeiter aus Fachämtern mit. Diese sind gehalten, bei Themen, die fachlich oder politisch besondere Aufmerksamkeit erfordern, inhaltliche Stellungnahmen und Anregungen im Vorfeld mit ihrem jeweiligen Vorgesetzten abzustimmen.”

Was ja wohl heißt: Die Frage war mit Bürgermeister Thomas Fabian (SPD) abgestimmt. Hat aber trotzdem nichts genutzt, weil die anderen Städte und Gemeinden keinen Handlungsbedarf sehen. Oder lieber keinen Ärger haben wollen.

Und so bleibt der Passus vorerst da stehen und verschafft der christlichen Minderheit im säkularen Sachsen einen erstaunlich prominenten Platz.

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“Beigeordnete vertreten den Oberbürgermeister in Gremien des SSG und des DST, sofern dieser nicht selbst Mitglied ist. In Arbeitsgruppen, bei denen es sich nicht um Gremien im engeren Sinn handelt, wirken auch Mitarbeiter aus Fachämtern mit. Diese sind gehalten, bei Themen, die fachlich oder politisch besondere Aufmerksamkeit erfordern, inhaltliche Stellungnahmen und Anregungen im Vorfeld mit ihrem jeweiligen Vorgesetzten abzustimmen.”

Bezüglich der Frage, ob Leipzig ganz offiziell gefordert hat, das Christentum aus dem sächsischen Schulgesetz zu streichen, habe ich keine Informationen. Unter Berücksichtigung der Darlegungen über die Mitwirkung der Kommunen im Sächsischen Städte- und Gemeindetag sowie Deutschen Städtetag jedoch folgende Hinweise. Ich habe keine Problem zu behaupten, dass diese kommunalen Spitzenverbände vorwiegend Interessenvertreter der Bürgermeister sind, also nicht der Bürgerinnen und Bürger. Hier wird Lobby-Politik gemacht, nichts anderes! Mir ist es beispielsweise beim Sächsischen Städte- und Gemeindetag (SSG) bisher nicht gelungen, dass dieser sich für eine Reform der kommunalen Finanzkontrolle durch entsprechende Hinweise an den Sächsischen Landtag einsetzt. Die Unterstützung der Landtage ist eine wichtige Aufgabe dieser kommunalen Spitzenverbände,

Vom SSG wurde mein Anliegen überheblich und fachlich fragwürdig abgespeist. Eine der dümmsten und zugleich skandalösen Begründungen war, dass die Bürgermeister bisher keine Informationen an den SSG gegeben hätten. Das werden diese auch nie machen, weil man beide Hände über das Prüfungswesen haben will! Weil eine ordnungsgemäße Kontrolle der Steuergelder gar nicht gewünscht ist!!!

Ich habe in den letzen 2 Jahren mehrmals den Deutschen Städtetag und weitere Städte- und Gemeindetage sowie Landkreistage in verschiedenen Bundesländern auf die dringende Veränderung der Struktur den kommunalen Finanzkontrolle hingewiesen. Nichts hat sich bisher getan. Ich hoffe auch deshalb, dass endlich die Stimmen von der Straße über diese katastrophale Finanzpolitik (die Kontrolle der Steuergelder ist Bestandteil der Finanzpolitik) so laut werden, dass sich auch diese Spitzenverbände nicht mehr ihren goldenen Palästen verschanzen können. Das gilt übrigens auch für den Bund der Steuerzahler.

Ich persönlich habe erhebliche Bedenken, ob diese Spitzenverbände in dieser Form überhaupt noch erforderlich sind.

Sachsen könnte ein Wegbereiter für eine längst überfällige gravierende Reform des kommunalen Prüfungswesens (u.a. Auflösung der Landesrechnungshöfe!!!) im Interesse des Gemeinwohls sein.

“…die am Ende von der mit absoluter Mehrheit regierenden CDU einfach ignoriert wurden. Seitdem steht das Christentum im sächsischen Schulgesetz, obwohl die überwiegende Mehrheit der Sachsen in keiner Kirche gebunden ist.”

Dies scheint mir der Kernsatz des Artikels, des Dilemmas. Die Ignoranz der CDU.
Und mit jedem Tag der vergeht, verlieren Sinn und Vernunft mehr und mehr an Boden.
Und wie unbemerkt, wird auf diesem eine nächste Kirche denen gebaut, die jährliche 100.000 Austritte verzeichnet. Gewinnen kann so niemand.

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