Es muss sein. Es hilft nicht anders. Es kommt selten vor, dass sich Leipziger Stadträte zu Ereignissen in Ausschusssitzungen äußern. Und noch seltener, dass sie öffentlich dementieren, was die Leipziger Volkszeitung (LVZ) dazu geschrieben hat. Am Donnerstag, 8. Januar, hat es die LVZ wieder getan. Und diesmal gab es das Dementi von SPD und Linkspartei gemeinsam.

Das Dementi in voller Länge:

“Erklärung und Gegendarstellung zur Presseveröffentlichung über die Anhörung zum STEP Verkehr und öffentlicher Raum im Fachausschuss Wirtschaft und Arbeit

Als Vorsitzender und stv. Vorsitzender des Fachausschusses Wirtschaft und Arbeit des Leipziger Stadtrates möchten wir folgende persönliche Erklärung und Gegendarstellung zur heute erfolgten Presseveröffentlichung über die Beratung des Stadtentwicklungsplanes (STEP) Verkehr im Fachausschuss abgeben:

1. Die Sitzungen der Fachausschüsse sind aus gutem Grund nichtöffentlich, um eine sachbezogene statt parteipolitische Diskussion und Meinungsbildung zu ermöglichen. Diese offene und freie Diskussion ist gefährdet, wenn aufgrund von Einzelinteressen aus nichtöffentlichen Sitzungen heraus an die Öffentlichkeit berichtet wird. Verstärkt wird diese Gefährdung, wenn die Veröffentlichung auch noch einseitig, tendenziös und falsch ist, wie im vorliegenden Fall. Dies entspricht einer Instrumentalisierung der Anhörung im Fachausschuss. Obendrein ist der Bruch der Verschwiegenheitspflichten rechtswidrig und strafbewehrt.

2. Richtigzustellen ist, dass der STEP Verkehr aufgrund des Absetzungsantrags des Fachausschusses Wirtschaft und Arbeit in der Ratsversammlung im Dezember vertagt wurde. Der Absetzungsantrag wurde damit begründet, dass eine Lesung der Vorlage im Fachausschuss Wirtschaft und Arbeit vorher nicht vorgesehen war und nachgeholt werden sollte. Insofern ist die Darstellung unrichtig, dass die Vertagung erfolgte, weil ‘die Verbände der Leipziger Wirtschaft den Entwurf als ´wirtschaftsfeindlich´ einstuften’.

3. Der Sitzungsverlauf und die Ergebnisse der Sitzung sind in der Presseveröffentlichung teilweise unwahr und größtenteils einseitig und tendenziös und damit falsch dargestellt. So entspricht es z. B. der Unwahrheit, dass ein Vertreter des Baudezernats empört die Sitzung verlassen haben soll. Ebenso hat der Fachausschuss als Gesamtgremium noch keine Positionierung gegenüber der Verwaltung eingenommen. Lediglich die Einzelmeinungen der Ausschussmitglieder kamen im Rahmen der 1. Lesung auf den Tisch. Aufgrund der im 1. Punkt genannten Nichtöffentlichkeit der Sitzung erfolgt keine weitere Erklärung zu den Diskussionsinhalten im Fachausschuss.”

Unterzeichnet haben Heiko Bär, Stadtrat und Vorsitzender des Fachausschusses Wirtschaft und Arbeit, und William Grosser, Stadtrat und stellvertretender Vorsitzender des Fachausschusses Wirtschaft und Arbeit.

Die LVZ hatte nicht belegt, wer ihr erzählt hat, dass der Wirtschaftsausschuss des Stadtrates dem zuständigen Baudezernat signalisiert habe, “dass er erhebliche Probleme mit dem Konzept hat – insbesondere wegen dessen negativer Auswirkungen auf den Wirtschaftsverkehr.”

Tatsächlich gibt es nur eine Fraktion im Stadtrat, die sich seit dem Herbst an einer Zahl im Entwurf zu STEP Verkehr reibt: die CDU-Fraktion.

Sie schickte am 8. Januar, nachdem der Text in der LVZ erschienen war, noch einmal ihren Standpunkt per Pressemitteilung aus.

Das in den allgemeinen Planungsgrundsätzen des STEP formulierte Ziel, eine Absenkung des motorisierten Individualverkehrs auf 25 % zu erreichen, werde nach Meinung der CDU-Fraktion die Bedingungen für den Wirtschaftsverkehr weiter verschlechtern heißt es darin.

Der Wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Stadtrat Frank Tornau, erklärte dazu: „Experten halten eine Absenkung des motorisierten Individualverkehrs auf 25 % für illusorisch. Wir haben nun die berechtigte Sorge, dass, sollte diese Größe als Benchmark im STEP stehen bleiben, dies dazu genutzt werden wird, um weitere diskriminierende Maßnahmen für den motorisierten Kraftverkehr zu begründen.“

Aus Sicht der CDU-Fraktion solle deshalb der sogenannte Modal Split als Bewertungsgröße aus dem STEP entfernt werden.

„Ich habe auch kein Verständnis dafür, dass der OBM das Thema schon in der Januarsitzung des Rates beschließen lassen will. Der neue Rat wurde erst am 18.12.2014 konstituiert und soll am 21.01.2015 ein Antrag beschließen, der der Verwaltung einen Leitfaden an die Hand gibt, der bis 2025 Auswirkungen hat. Ich erbitte mir als neuer Stadtrat wenigstens die Möglichkeit, mich mit diesem Thema ausführlich befassen und auch die Interessenverbände hören zu können. Dies sehen übrigens Vertreter der anderen Fraktionen genauso“, so Tornau weiter.

Verschoben auf Antrag der CDU

Tatsächlich sollte der neue STEP Verkehr schon im Dezember verabschiedet werden, doch die CDU-Fraktion beantragte wenige Tage vorher, dass das Papier, in dem die Leitlinien für die Leipziger Verkehrspolitik der nächsten zehn Jahre formuliert sind (darunter fünf Seiten allein für den Wirtschaftsverkehr), auch noch im Wirtschaftsausschuss zu behandeln wäre. Dem füge sich dann die Verwaltung. Am 6. Januar fand dann auch die Sitzung statt. Und augenscheinlich ging es da wesentlich ruhiger und sachlicher zu, als es die LVZ dargestellt hat. Die natürlich nicht dabei war. Die Ausschusssitzungen sind nichtöffentlich, auch damit die Mitglieder der Fraktionen hier die Chance haben, sich über wichtige Beschlüsse abzustimmen, bevor sie im Stadtrat endgültig zur Abstimmung kommen. Und damit dieser Arbeitsprozess nicht gestört wird, herrscht eben auch Schweigegebot.

Nur scheinen das der eine oder andere im Gremium nicht ernst zu nehmen und die Verschwiegenheit der anderen Ausschussmitglieder zu nutzen, um dann via LVZ schon einmal Stimmung zu machen für die eigene Position. Frank Tornau ist Mitglied in diesem Ausschuss, in dem die CDU immerhin drei von elf Vertretern aus den Fraktionen stellt. Dazu kommen in der Regel noch die Fachvertreter aus der Verwaltung. Wenn man sich nicht einigen kann, wird das Thema in der Regel vertagt oder dann mit unterschiedlichen Anträgen im Stadtrat abgestimmt.

Unveränderte Positionen

Im vorliegenden Fall verfolgt die CDU gemeinsam mit der LVZ seit Dezember das Anliegen, den schon mehrfach vom Stadtrat beschlossenen “Modal Split” aus dem STEP Verkehr zu kegeln, obwohl genau das dazu führen würde, dass der Wirtschaftsverkehr künftig noch schwerer durch die Stadt kommt. Denn Leipzigs Straßen sind ja nicht verstopft, weil mehr Menschen mit Straßenbahn, Bus und Fahrrad fahren, sondern weil immer mehr Privat-Pkw Straßen und Parkraum verstopfen. Um den Verkehr in Leipzig flüssig zu halten, ist es geradezu angebracht, immer mehr Leipziger zu überzeugen (und zwar mit guten Angeboten), auf das eigene Auto zu verzichten und lieber mit Fahrrad oder ÖPNV zu fahren.

Tatsächlich sitzt die CDU auch im Wirtschaftsausschuss einer Mehrheit von Stadträten gegenüber, die die Welt eben nicht aus der Scheuklappenperspektive der LVZ betrachten. Dass der Beschluss zum STEP Verkehr im Dezember von der Tagesordnung des Stadtrates abgesetzt wurde, war nur möglich, weil die SPD das Anliegen der CDU, da noch eine Besprechung im Wirtschaftsausschuss zwischenzuschieben, befürwortete.

Aber mit dem Artikel in der LVZ dürfte auch die SPD wieder was gelernt haben.

Was bleibt nun übrig von der LVZ-Behauptung „Verkehrskonzept steht auf der Kippe – im Stadtrat wird die Kritik lauter“? – Nichts. Außer dass die CDU ihre Position unverändert vertritt und auch die Argumente noch immer dieselben sind wie im Dezember.  Auch so kann man Mehrheiten in Ausschüssen und Stadtrat ignorieren. Nur bringt das Leipzigs Verkehrspolitik keinen Millimeter weiter.

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