Auf einmal ist das Thema auf der Tagesordnung. Lange hat es gebraucht. Ein paar zaghafte Vorstöße gab es in den letzten zehn Jahren immer wieder, die Straßenausbaubeiträge in Leipzig abzuschaffen. Das darf die Stadt sogar. Aber darauf muss man erst mal kommen. Die CDU-Fraktion hat dazu in einer alten Verwaltungsantwort nachgelesen. Und nun staunen auch die anderen Fraktionen.

Im Januar hat die CDU-Fraktion ihren Antrag vorgelegt, den nächsten Doppelhaushalt 2019/2020 ohne die Straßenausbaubeiträge der Leipziger zu planen. Der ist – mit bis zu 75 Prozent Eigenanteil – saftig und bringt vor allem Eigenheimbesitzer an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Dabei ist die Erhebung dieser Beiträge kein Gesetz. Kommunen in Sachsen dürfen diese Beiträge erheben, müssen es aber nicht. Im Detail erst wird es kompliziert.

Nur war Leipzig vor zehn Jahren regelrecht verpflichtet, die Gelder einzutreiben. Der Grund war simpel: ein Schuldenstand von über 900 Millionen Euro und eine Auflage der Landesdirektion (damals noch Regierungspräsidium), dass Leipzig auf die Straßenausbaubeiträge in so einer klammen Haushaltssituation nicht verzichten darf.

Schon damals fragte die CDU-Fraktion an und kann nun aus dem damaligen Verwaltungsstandpunkt zitieren: „Eine Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung oder eine Reduzierung der Beitragshöhe ist in der gegenwärtigen Haushaltslage nach Schreiben des Regierungspräsidiums vom 21.05.2008 nicht möglich (Anlage). Daher ist, wenn dann politisch mehrheitlich gewollt, eine Senkung der Beiträge bzw. der Verzicht auf ihre Erhebung frühestens ab 2010 denkbar.“

„Zwischenzeitlich hat sich die Haushaltslage der Stadt Leipzig deutlich verbessert“, stellt die CDU-Fraktion nun fest. „Damit ist die Grundlage der bisherigen Rechtsauffassung der Kommunalaufsicht entfallen, und die Stadt Leipzig hat ihren Ermessensspielraum zurückgewonnen. Somit greift auch die im o.g. Verwaltungsstandpunkt eingeräumte Möglichkeit eines Verzichtes auf die Beitragserhebung.“

Es spräche also einiges für die Aufhebung der Satzung.

Eine Position, die vom Ortschaftsrat Lützschena-Stahmeln unterstützt wird. Der beantragte in einem eigenen Antrag die Aufhebung der Satzung für Lützschena-Stahmeln.

Und der CDU-Antrag hat gute Aussichten, im Stadtrat eine Mehrheit zu bekommen. Denn am 14. März beschloss die Linksfraktion einmütig, die Straßenausbaubeitragssatzung für Leipzig abzuschaffen.

„Seit dem Jahr 1996 kämpft sie in Leipzig darum“, teilen für die Linksfraktion die beiden Stadträte Sören Pellmann und Reiner Engelmann mit. „Nachdem in den 90er Jahren alle Versuche fehlschlugen, jene Satzung zu vermeiden, die seinerzeit unter Führung des CDU-Kämmerers durchgepeitscht wurde, versuchte die Linke mehrfach, die eröffnete Möglichkeit dieser Satzung auf dem Gesetzgebungsweg abzuschaffen. Der letzte Versuch der Linken schlug auch fehl, weil der Oberbürgermeister Leipzigs eine solche Initiative nicht mittrug.“

Mit dem Antrag der CDU eröffnet sich erstmals ein Weg, die Satzung aufzuheben.

„Mit den Straßenausbausatzungen eröffnet der Gesetzgeber den Kommunen den Weg, Besitzer von Grund und Boden zur Kasse zu bitten, wenn die Finanzkraft der Kommune angeblich nicht reicht. Perfid an diesem Gesetz ist, dass es freiwillig durch die Kommunen einzusetzen ist. Damit entfällt der Gleichbehandlungsgrundsatz für alle Bürger im Land Sachsen. Der Beliebigkeit von politischem Handeln wird Tür und Tor geöffnet“, kommentieren Pellmann und Engelmann das Problem. „Und die CDU/SPD-geführte Landesregierung stiehlt sich aus der Finanzierungspflicht für öffentlich gewidmete Straßen und wälzt die Last der Finanzierung auf die Kommune und den einzelnen Bürger ab. Die Folge ist vielfach, dass einzelne Bürger mit einer solchen Satzung in den Ruin getrieben werden können, weil sie nicht in der Lage sind, jemals den Mehrwert einer grundhaft erneuerten Straße zu realisieren.“

Die Linke vertrete konsequent die Haltung, dass das Gemeingut vom Gemeinwesen erhalten und gemehrt werden muss. „Dafür werden Steuern erhoben“, heißt es aus der Linksfraktion. „Wir haben nochmals diskutiert, ob die Abschaffung der Straßenausbausatzung zuungunsten der sozial Schwachen geht. Dies wurde im Laufe der Diskussion widerlegt. Denn die Mieter müssen letztlich auch die hohen Kosten tragen, da Straßenausbaubeiträge in den Mieten eingepreist werden. Letztlich muss die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zur Minderung der Mieten führen bzw. dazu beitragen, den ungebremsten Anstieg der Mieten aufzuhalten. Offensichtlich ist dies alles der CDU bei ihren verheerenden Wahlergebnissen klar geworden, so dass sie endlich die Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung aktiv betreibt. Die Linke ist sich nicht zu fein, dieses Angebot anzunehmen.“

Die Kopfschmerzen hat jetzt auf einmal die SPD-Fraktion.

Dort geht man wohl zu Recht davon aus, dass die Straßenausbaubeitragssatzung aufgehoben wird, da CDU- und Linksfraktion zusammen eine Mehrheit im Stadtrat haben.

Muss es aber der komplette Beitrag sein?

„Ich sehe die Notwendigkeit, die Grundstückseigentümer in Leipzig zu entlasten, da der aktuelle Prozentsatz mit 75 % für Anliegerstraßen in Wohngebieten viel zu hoch ist“, gesteht SPD-Stadträtin Nicole Wohlfahrt zu. Entlasten heiße aber nicht, von allen Beiträgen befreien, so Wohlfarth. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir uns auf eine Absenkung hätten einigen können.“

Eine abschließende Meinung zum Antrag hat auch die SPD-Fraktion bisher noch nicht.

„So wünschenswert es ist, dass diese Kosten nicht die Grundstücksbesitzer tragen, so verwerflich ist es, dass diese Forderung gerade von der CDU kommt. Seit 1990 regiert die CDU im Freistaat, da frage ich mich schon, warum die Christdemokraten bisher nichts unternommen haben, um die Bürger und Gemeinden zu entlasten?“, kritisiert Wohlfarth. „Mit Herrn Seidel sitzt ja auch ein ehemaliger MdL der Union im Ortschaftsrat Engelsdorf, warum hat er sich nicht an seine ehemaligen Kollegen gewandt?“

CDU und Linke würden hier geringere Einnahmen in Millionenhöhe in Kauf nehmen. Dabei gehe es nicht so sehr um die Beiträge der Bürger, die jährlich mit 1,6 Millionen Euro veranschlagt sind. „Auch Fördermittel werden uns in mindestens gleicher Höhe verloren gehen“, befürchtet Wohlfahrt.

Und kommt dann auf das Thema, das im Land tatsächlich nicht gelöst ist, aber auch im Landtag mittlerweile heftige Kontroversen auslöst: Für die finanzielle Situation in den Gemeinden ist der Freistaat zu einem großen Teil verantwortlich, regelt er doch den kommunalen Finanzausgleich und über das Kommunale Abgabengesetz die Straßenausbaubeiträge.

Die Wirtschaft in Leipzig brummt, aber das reiche bei weitem nicht aus, um alle städtischen Ausgaben zu finanzieren, so Wohlfahrt. „Sich bei der Abschaffung auf die gute Haushaltslage zu berufen ist scheinheilig. Die Fördermittel des Freistaates für den grundhaften Ausbau einer Straße hängen auch davon ab, wie hoch die Einnahmen aus der Straßenausbaubeitragssatzung sind. Das heißt: Je weniger Straßenausbaubeiträge, desto weniger Fördermittel. Dann haben wir die Wahl ob wir weniger bauen, oder ob wir das Geld an anderen Stellen einsparen.“

Wo gespart werden soll, da hat sie schon so eine Ahnung.

„Letztlich wird es auf die sogenannten freiwilligen Leistungen hinauslaufen“, befürchtet die Sozialdemokratin. Bitter sei, dass dies vor allem Unterstützungen im sozialen Bereich seien, weswegen auch die Zustimmung der Linken mehr als verwunderlich sei. „Die Argumentation, Mieter nicht weiter belasten zu wollen, ist substanzlos. Da die Straßenausbaubeiträge eine einmalige Zahlung sind, können sie auch nicht auf die Mieter umgelegt werden wie die Linke fälschlich behauptet hat.“

Möglichkeiten zu Einsparungen sieht die Sozialdemokratin nicht. „Unsere Verwaltung ächzt unter einem Personalmangel, die Baukosten für KiTas und Schulen steigen ins Unermessliche und im vergangenen Jahr haben wir die Entschuldungskonzeption heruntergefahren, damit endlich mehr Geld für Sanierungen da ist.“

Wenn jetzt auch noch die KiTa- und Hort- Beiträge abgesenkt werden sollen, wie CDU und Linke es fordern, komme Leipzig sehr, sehr schnell an den Rand eines genehmigungsfähigen Haushalts. „Das wissen sowohl Linke als auch CDU, nehmen es aber aus wahltaktischen Gründen in Kauf“, konstatiert Wohlfarth.

Ihre Vermutung: Es gelte wohl, sich im Jahr vor der Kommunalwahl mit unbezahlbaren Geschenken zu profilieren, um dann für die Lücken im Haushalt den Oberbürgermeister verantwortlich zu machen. Wohlfahrt: „Mit seriöser Politik zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger hat das nichts zu tun.“

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