Das Pisa-Desaster sei die Folge von wachsender Armut und schrumpfenden sozialen Angeboten – so hatte es Christoph Wittwer, ein Leipziger KiTa-Leiter, jüngst in der LVZ formuliert. Denn gerade die Betreuung, das Fördern und Fordern der Jüngsten der Gesellschaft, wirkt sich langfristig auf die Bildungsgerechtigkeit aus. Ein Antrag von Grünen und Linken wurde mit rot-rot-grüner Mehrheit im Stadtrat angenommen. Kern des Antrags ist ein Aufstocken von Geldern für Personal- und Sachkosten für KiTas in sozialen Schwerpunktgebieten.

„Wir wollen ein Handlungsprogramm auf den Weg bringen, um Armutslagen und Bildungsbenachteiligung von Kindern und Jugendlichen besser vorzubeugen“, so Linken-Stadträtin Juliane Nagel. „Die Daten zur sozialen Lebenslage, zur Dichte von Hilfen zur Erziehung, zu Kindeswohlgefährdungen, zu Bildungsempfehlungen und so weiter sind in bestimmten Ortsteilen unserer Stadt mehr als besorgniserregend. Dazu gehören große Teile von Grünau, aber auch Schönefeld-Ost, Volkmarsdorf, Paunsdorf, Mockau-Süd, Lößnig und weitere aus dem Sozialatlas.“

Konkret sind im Antrag eine Erhöhung des Personalschlüssels um 50 Prozent, sowie 200 Euro mehr Sachkosten pro Kind und Jahr vorgesehen, „um Teilhabechancen an kultureller Bildung sowie an bewegungs- und sprachfördernden Angeboten zu verbessern, in mindestens fünf Kindertageseinrichtungen in Schwerpunkträumen“.

Mitte 2024 soll evaluiert werden, ob sich die Aufstockungen lohnen. Außerdem sollen in 10 weiteren KiTas in Schwerpunktgebieten bei gleichbleibendem Personalschlüssel weniger Kinder betreut werden. Außerdem sollen durch Mithilfe des Gesundheitsamtes die ärztlichen Untersuchungen in KiTas in Grünau gestärkt werden.

Ein Beispiel nimmt sich die Leipziger Linke dabei am Dresdner Programm „Aufwachsen in sozialer Verantwortung“, das seit Jahren erfolgreich laufe.

„Wir stehen als Linke an der Seite der Kinder und Jugendlichen, aber eben auch an der Seite der engagierten und hochbelasteten Erzieherinnen und Erzieher. Wenn die Landespolitik nicht liefert, und das macht sie seit Jahren und Jahrzehnten nicht, dann muss die Stadt Leipzig aktiv werden beziehungsweise ihre Strategie erweitern“, so Nagel.

Förderung für KiFaZ

Zudem sollen nicht erst im Doppelhaushalt 2025/26, sondern bereits im kommenden Jahr 2024 die Förderungen für Kinder- und Familienzentren (KiFaZ) von 35 000 Euro auf 40 000 Euro erhöht werden. Insgesamt gibt es über 30 KiFaZ in Leipzig, vier davon wurden 2023 eingerichtet. Vier weitere sind für das kommende Jahr geplant.

Dazu Michael Schmidt von der Grünen-Stadtratsfraktion: „Die Kinder- und Familienzentren (KiFaZ) haben wir vor vielen Jahren entwickelt und immer weiter ausgebaut, gerade auch im letzten Doppelhaushalt haben wir einen ganzen Schwung dazu gemacht. Die Finanzierung ist allerdings über viele Jahre gleich geblieben und daran müssen wir grundlegend etwas ändern. (…) Das Personal bekommt nach dem Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TvöD) immer mehr Geld, aber die Träger bekommen ein gleichbleibendes Budget von uns. Da können wir nicht bis zum nächsten Doppelhaushalt 25/26 warten, sondern müssen schon im kommenden Jahr eine ganze Schippe drauflegen.“

Stadtverwaltung: Maßnahmen sind zu teuer

Der Stadtverwaltung sind diese Maßnahmen zu teuer. „Bei der Verdopplung des Personals in vier beispielhaft ausgewählten Einrichtungen in Grünau sowie der Erhöhung der Sachkosten um 200 Euro pro Kind pro Jahr würden schätzungsweise finanzielle Mehraufwendungen in Höhe von 4 Mio. Euro pro Jahr entstehen“, heißt es aus dem Dezernat für Schule, Jugend und Demokratie. Man wolle daher lieber vorher eine Evaluation durchführen, inwiefern sich die Maßnahmen effizienter gestalten ließen.

„Es gab eine neuerliche Entwicklung“, so Vicky Felthaus, Bürgermeisterin für Jugend, Schule und Demokratie. „Ende November hat Kultusminister Piwarz anlässlich der Ergebnisse aus der Pisa-Studie und der Situation in den KiTas das Thema demographische Rendite aufgerufen. Er hat gesagt, dass er willens ist, die Qualität in den KiTas zu verbessern. Demographische Rendite heißt, dass man mit dem Bestandspersonal arbeitet, obwohl man weniger Kinder betreut. Das ist eine Aussage, die ich so vom Land Sachsen noch nie gehört habe und ich freue mich darüber. (…) Ich würde das gern abwarten und da weiter verhandeln.“

Die Freibeuter unterstützen den Verwaltungsstandpunkt, der jedoch keine Mehrheit fand. Linke, Grüne und SPD wollen also nicht mehr auf Land und Bund warten. Verständlich ist auch, angesichts sich verschärfender sozialer Ungleichheiten nicht „lieber abzuwarten“, sondern Maßnahmen zu ergreifen.

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