Seit Jahren geistert die Formel von der Netto-Null-Versiegelung durch die Leipziger Stadtpolitik. Gerade die Hitzejahre seit 2018 haben gezeigt, wie sich die Stadt mit ihren vielen versiegelten Flächen regelrecht aufheizt. Doch bislang versuchte die Verwaltung die Netto-Null dadurch zu erreichen, dass für neue Baumaßnahmen in der Stadt immer wieder Kompensation außerhalb des Stadtgebietes gesucht wurde. Dabei geht’s auch anders, stellen die Grünen fest.

Sowohl in der September- als auch in der Oktoberstadtratssitzung war das Thema auf der Tagesordnung. Im September wurde der Grünen-Antrag „Flächenverbrauch reduzieren – Strategie für Netto-Null-Versiegelung“ beschlossen.

Darin enthalten war auch schon der Beschlusspunkt „Bei Verwaltungsvorlagen ist die mit der Umsetzung verbundene Flächenversiegelung zu ermitteln und festzulegen, wann, wo und mit welchem finanziellen Aufwand die entsprechende Entsiegelung vorgenommen wird. Bei Verwaltungsstandpunkten zu Anträgen werden entsprechende Vorschläge unterbreitet“, der sogar besonders viele Stimmen bekam.

Im Oktober musste die Verwaltung dann zugeben, dass es bei ihr noch dauert, bis sie endlich eine Strategie zur Entsiegelung vorlegen wird, 2024 vielleicht. Vorher müsse man erst mal wieder das gesamte Stadtgebiet ordentlich kartieren, um den Anteil der Versiegelung festzustellen. Verwaltungen sind sehr erfindungsreich, wenn es um solche Taktiken der Verzögerung geht.

Obwohl man als Leipziger nur einmal losgehen muss, um in der Stadt haufenweise völlig sinnlos versiegelte Flächen zu sehen.

Vier Plätze, mit denen man anfangen kann

Die Grünen machen deshalb auch gleich ein paar konkrete Vorschläge.

„Als Pilotprojekte zur Entsiegelung sind kurzfristig der Vorplatz des Bayerischen Bahnhofs, der Kohlweg (Schönefeld), der Huygensplatz und der Parkplatz in der Dreilindenstraße (Flurstücke 305 und 306 in Lindenau) zu planen“, macht die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen gleich einmal vier ganz konkrete Vorschläge. „Dem Stadtrat ist bis zum IV. Quartal 2024 ein Umsetzungsvorschlag zur Beschlussfassung zu unterbreiten.“

Gleichzeitig macht die Fraktion ihre Verwunderung darüber deutlich, dass die Verwaltung sich so offensichtlich schwertut, sinnlos versiegelte Flächen zu finden: „Die Antwort der Verwaltung auf unsere Anfrage ‚Entsiegelung im Stadtgebiet strategisch planen und vorantreiben‘ hat ergeben, dass die Verwaltung sowohl bei Erfassung von Ent- und Versiegelungen und der Erarbeitung eines Förderprogramms zur Entsiegelung als auch stadtplanerischer Konzepte wie dem Konzept Doppelte Innenentwicklung und der Ausweisung von Tabuflächen die notwendigen Maßnahmen bearbeitet.

Zugleich wurde in der Antwort deutlich, dass grundsätzlich ein Mangel an möglichen Entsiegelungsflächen gesehen wird.“

Eine Leerstelle im Verwaltungshandeln

Das kann man auch deutlicher formulieren. Und das tun die Grünen auch: „Die gezielte Entsiegelung kommunaler Flächen bildet eine Leerstelle im Verwaltungshandeln. Hier besteht ein erhebliches Potential bisher nur unzureichend in den Blick genommener Entsiegelungsflächen, mit dessen Hebung die Stadt zugleich ihrer Vorbildrolle nachkommen kann.

Als mit Abstand größte Flächeneigentümerin im Stadtgebiet kann die Stadtverwaltung gezielt sowohl kommunale Liegenschaften wie Schulhöfe oder Parkplätze als auch hitzebelastete Straßen und Plätze entsiegeln. So stellt beispielsweise der Vorplatz des Bayerischen Bahnhofs bislang eine komplett versiegelte Fläche dar, die sich im Sommer stark aufheizt und wenig Aufenthaltsqualität besitzt.

Durch gezielte Entsiegelung einiger Bereiche und Anlegen von parkähnlichen Grünstrukturen unter Einbeziehung von Sitzmöglichkeiten kann der Platz umgestaltet werden. So kann mehr Schattenwurf entstehen. Um Aufhitzung zu verhindern, können auch im Sinne des Schwammstadt-Prinzips (Beschluss VII-A-01269-NF-02 Erarbeitung eines Regenwasserkonzeptes) unversiegelte, begrünte Flächen Regenwasser aufnehmen und verdunsten. Sitzbänke können die Aufenthaltsqualität erhöhen.“

Das Umdenken in einer Großstadtverwaltung geht ganz offensichtlich viel langsamer vonstatten als der Klimawandel. Doch wenn das Leben in eine Stadt wie Leipzig in den kommenden Klimaextremen nicht unerträglich werden soll, muss jetzt gehandelt werden, nicht erst, wenn auch noch der letzte Verwaltungsmitarbeiter begriffen hat, dass die versiegelte Stadt kein Stadtmodell für die Zukunft sein kann.

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Es gibt 4 Kommentare

Hallo “Leser”. Ich war damals noch sehr, sehr jung und sah noch die Eingänge. Die ältere Generation verdünnt sich, die darüber Auskunft geben könnten. Der Lindenauer Markt wurde “leider” zur Hälfte mit Beton zu gefüllt, daher ist eine Nutzung als, z.B. regional notwendige Parkmöglichkeiten entfallen. Das ehemalige “Bowlingcenter” und einige Teile der “Citti Tunnel Systeme” gab es schon von damaligen Zeiten(für andere Zwecke (Not-Versorgungslager)Untergrundmessehaus 3-4.Etage oder für “Schutzräume” oder im Bahnhof als Postkontrollzentrum der Stasi oder als Gefängnisse (Hbf.). Sicher gibt es irgend einen porovesij. Ansprechpartner in einem Stadt-Planungs-Büro. Meine Anfrage bei “MDR- Hörer machen Programm” hatte leider nur eine recht ungenügend, scheinende Antwort auf eine “Weiteren, nachhaltigen Nutzung von für “Jahrhunderte haltende, noch im Untergrund versteckten/ zugeschütteten Bauten” ergeben. Warum nicht “Regenwasser” z.B vom JC. zwischenspeichern und für die Bewässerung der Stadtbegrünung nachhaltig nutzen?

Thema Bayrischer Platz: meines Wissens gehört der Vorplatz auch noch der DB. Dazu kommt noch das Thema City-Tunnel und der dazugehörige Brandschutz inkl. Feuerwehrstellflächen.

Hallo Peter, das klingt interessant. Wo kann ich mehr über die zahlreichen Bunker(reste) im Leipziger Stadtgebiet erfahren?

Vor dem Arbeitsamt/ JC, abgebildeter Platz ist unterhalb ein ehemaliger Luftschutzbunker des 2. Weltkrieges, der durchaus geeignet ist, Regenwasser aufzufangen und gefiltert, wieder zu verwenden ist, Z.B. zur Bewässerung von Stadtgrün usw. Viele alte Bunkeranlagen aus dem zweiten Weltkrieg sind noch vorhanden, die für ein neues Nutzungskonzept “Schwammstadt Leipzig” möglich sind. Siehe Waldplatz, siehe Lindenauer Markt, siehe Leipzig Waren und andere Stadtbezirke, wo alte Luftschutzbunker auf eine sinnvolle, neue Nutzung als “Regenwasserspeicher” durchaus noch zu nutzen sind. Nicht nur in Leipzig. Sie gibt/ gab es in jeder Stadt in jedem Stadtbezirk. Einige sind für den U-Bahn-Tunnel zum Opfer gefallen und einer neuen Nutzung zugeführt. Es gibt noch versteckte Ressourcen, die in der Zukunft uns, in Folge von Wassermangel , neu zu entdecken gilt .

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