Vielleicht ist es einfach die nonchalante sächsische Mischung, die am Flughafen Leipzig/Halle ihre Folgen zeigt, wie am 21. März im MDR-Magazin "exakt" zu sehen. Man verquickt auf hemdsärmelige Art öffentliches Interesse mit Wirtschaftsförderung und - weil's Geld bringt - auch noch mit ein bisschen Militärlogistik. Sicherheit? - Kein Problem, tönte die Flughafenholding immer wieder.

“Die Dimension, der im MDR-Beitrag aufgezeigten Sicherheitsdefizite ist besorgniserregend”, stellt nun die Leipziger Landtagsabgeordnete Gisela Kallenbach fest. “Die Staatsregierung ist jetzt in der Pflicht, umgehend Stellung zu beziehen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, ob und inwieweit die militärische Nutzung des Flughafens eine besondere Gefährdung für Passagiere, Bedienstete und Anwohner darstellt.”

Die IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle e. V. hält die Ignoranz der sächsischen Staatsregierung für ein “Spiel mit dem Feuer”.

“Jetzt ist die Katze aus dem Sack”, meint Michael Teske, Sprecher der IG. “Ein Geheimbericht des LKA Sachsen aus dem Jahr 2008 hält terroristische Anschläge auf den Flughafen Leipzig/Halle aufgrund dessen militärischer Nutzung für ‘wahrscheinlich’. Bereits seit der Stationierung der Großraum-Militärtransporter vom Typ AN 124 im März 2006 und der Eröffnung des Militärdrehkreuzes der US-Army im Sommer desselben Jahres warnen wir, gemeinsam mit Friedensinitiativen und Politikern der Linken und später auch der Grünen, vor eben dieser Gefahr.”

Doch in Anhörungen vor dem Sächsischen Landtag und in der Verhandlung der Klage der IG gegen Nachtflüge vor dem Bundesverwaltungsgericht im Juli 2008 wurde diese Gefahr vehement verneint. So heißt es in der Urteilsbegründung von 2008 (Ziffer 102): “Die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen sind nicht nur durch US-amerikanische Fachleute, sondern … auch durch deutsche Sicherheitsexperten begutachtet und gebilligt worden. Weil sie die Wahrscheinlichkeit herabsetzen, dass der Flughafen Ziel terroristischer Angriffe wird, kommen sie auch den Flughafenanwohnern zugute. Unter diesen Umständen waren Anhaltspunkte dafür, dass die Zulassung der militärischen Sonderverkehre während der Nacht die Gefahr terroristischer Anschläge mit Auswirkungen auf die Anwohner … erhöht haben könnte, nicht ersichtlich.”

Dumm nur, dass die vom Gericht honorierten Sicherheitsvorkehrungen überhaupt nicht existieren. Diese Vorspiegelung falscher Tatsachen, zieht eigentlich alle Urteile in Frage, in denen die sächsische Regierung oder die Flughafenholding Daten und Aussagen beigesteuert haben.
“Die jetzt publik gewordenen gegenteiligen Erkenntnisse der Landespolizeibehörde lagen dem Gericht ganz offensichtlich ebenso wenig vor wie dem Sächsischen Landtag”, stellt Teske fest. “Weil der Freistaat Sachsen auch Hauptgesellschafter des Flughafens ist und 1,5 Milliarden Euro Steuergelder in den Flughafen gesteckt hat, war die Landesregierung selbstverständlich nicht an deren Veröffentlichung interessiert. Ministerpräsident Tillich sowie einzelne Staatsminister, die die Sicherheitsanalyse des LKA gekannt haben müssen, haben also die Gefahr terroristischer Anschläge mit möglicherweise verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung zumindest billigend in Kauf genommen. Und dafür haben sie auch den Landtag und das Gericht belogen. Das ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer, über dessen personelle und rechtliche Konsequenzen nur der sächsische Landtag entscheiden kann. Doch die sächsische Staatsregierung sieht weiterhin keinen Grund zum Handeln!”

Er geht einen Schritt weiter und sagt: “Deshalb müssen wir, so, die Dinge jetzt liegen, alle Bürger vor der Benutzung des Flughafens Leipzig/Halle warnen, denn sie gehen ein unberechenbares Risiko ein, Ziel eines terroristischen Angriffs zu werden!”

Dabei zeigt auch das Landeskriminalamt seltsame Weltsichten. Teske: “Denn nach Ansicht des LKA sollen nicht die Kriegstreiber in den ‘Koalitionen der Willigen’, die die Kriege für Öl und Rohstoffe vom Zaun gebrochen haben und die letztlich die Militarisierung auch des Leipziger Flughafens zu verantworten haben, schuld an der terroristischen Bedrohung sein. Nein, schuld seien ‘einzelne Bürgerinitiativen’, deren Veröffentlichungen angeblich für ‘extrem-feindliche USA-Fanatiker’ zahlreiche Erkenntnisse lieferten.”

Aber warum sollte die Angst der Regierung vor Transparenz und Bürgernähe nicht auf die Landeskriminaler abfärben? Wer im Bürger die eigentliche Gefahr sieht (und so war es ja beim massiven Polizeivorgehen gegen die Anti-Nazi-Demonstranten in Dresden), der wird sich vor einem transparenten Umgang mit Bürgerinformation erst recht scheuen.

Teske: “Aus Sicht der Polizeibehörde eines ‘Freistaates, in dem Demokraten mit Zivilcourage, die sich dem braunen Mob entgegen stellen, akribisch verfolgt werden, während man rechtsextreme Mörder einfach ‘übersieht’, mag diese seltsame Schlussfolgerung konsequent erscheinen. Aber was ist die logische Folge dieser Denkweise, die diejenigen, die vor Militarisierung und Krieg warnen, als die Übeltäter, fast schon selbst Terroristen, hinstellt? – Auch dies ist ein Spiel mit dem Feuer. Denn die Konsequenz mussten unsere Vorfahren in der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte erleben: Kriegsgegner, die das Land vor Unheil bewahren wollten, wurden als Landesverräter verurteilt und in den KZs umgebracht. Wir sind nur noch einen Schritt davon entfernt.”

Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion, fragt sich nach dem “exakt”-Bericht, ob unter den gezeígten Umständen die aktuelle Betriebserlaubnis für den Flughafen Leipzig/Halle überhaupt noch rechtens ist. Einen entsprechenden Antrag hat die Linksfraktion postwendend eingereicht. Darin fragt sie nicht nur, warum “die zuständigen Behörden und Flughafenbetreiber trotz Kenntnis dieser Gefährdungsanalyse” genau diese öffentlich immer bestritten haben.

“Wir verlangen mit dem Antrag unverzügliche Aufklärung des offenkundigen Widerspruchs zwischen der im MDR-Nachrichtenmagazin ‘exakt’ wiedergegebenen Gefährdungsfaktenlagen-Analyse des Landeskriminalamtes Sachsen und den Behauptungen der Staatsregierung, eine Terrorgefahr oder sonstige besondere Sicherheitsrisiken bestünden nicht. Zugleich verlangen wir vom Wirtschaftsministerium eine unverzügliche Prüfung, ob dem Flughafen Leipzig/Halle nicht die erteilte Betriebserlaubnis entzogen werden muss, da die militärische und das erhebliche Gefahrenpotenzial auslösende Nutzung offenkundig unvereinbar mit der in der Genehmigung festgelegten rein zivilen Widmung ist”, so Bartl. “Wir betrachten es als eine Ungeheuerlichkeit, dass das Staatsministerium des Innern bereits in seiner Antwort vom 29. März 2010 auf eine Kleine Anfrage (Landtags-Drucksache 5/1571) zwar die Kenntnis ebendieser LKA-Analyse eingeräumt, aber zugleich so getan hat, als seien die Ergebnisse der LKA-Sicherheitsanalyse bei Betriebsgenehmigung und dem für Leipzig/Halle geltenden Luftsicherheitsplan berücksichtigt worden, was nachweislich nicht der Fall ist.”

Auch von der Grünen-Fraktion bekommt die Staatsregierung jetzt ein paar Fragen auf den Tisch.

“Um Licht ins Dunkel zu bringen, habe ich mehrere Anfragen an die Staatsregierung gerichtet. Ich möchte wissen, wann die Staatsregierung, welche Maßnahmen ergriffen hat, um die in der als Verschlusssache attestierten Gefährdungsanalyse (die dem MDR-Nachrichtenmagazin ‘exakt’ vorliegt) aufgeführten Sicherheitsmängel abzustellen”, erklärt Gisela Kallenbach. “Wenn tatsächlich mehr Energie in die Überwachung von Gegnern der militärischen Nutzung des Flughafens gesteckt worden sein sollte, als in das Abstellen von Sicherheitslücken, wäre das ein politischer Skandal.”

Michael Teske empfiehlt zwar den Bürgern, den Flughafen lieber zu meiden. Aber er lädt sie trotzdem zum Protest ein: “Kommen Sie am Sonnabend, dem 24. März 2012, um 15:00 Uhr zum Terminal B (Empfangshalle) des Flughafens Leipzig/Halle!”

Am 24. März protestieren die Fluglärmgegner auf allen derzeit von immer mehr Fluglärm betroffenen deutschen Flughäfen gegen die ungebremste Ausweitung der Lärmbelastung.

www.Nachtflugverbot-Leipzig.de
Der Antrag der Linken als PDF zum download.

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