Ja, wie soll man nun diese Geschichte einleiten, die ziemlich deutlich macht, mit welchen Eiertänzen im Leipziger Neuseenland versucht wird, Motorboote fahren zu lassen. Auch auf Gewässern, die dafür völlig ungeeignet sind. Mehrfach hat die L-IZ über die Untersuchungen im Leipziger Gewässerknoten berichtet, um hier "Schiffbarkeit" herzustellen. Jetzt hat der NuKla e.V. Antwort aus dem Petitionsausschuss des Sächsischen Landtages bekommen.

Über 11.000 Unterschriften hatte der Verein im Jahr 2012 gegen die Schiffbarkeitserklärung und die damit mögliche Motorschifffahrt im Leipziger Auwald gesammelt. Am 30. November 2012 übergab Wolfgang Stoiber als Petent die Sammelpetition “Auwaldschutz jetzt!” mit Unterschriften von 11.163 weiteren Unterzeichnern an die Vorsitzende des Petitionsausschusses Anja Jonas (FDP) im Rahmen des 5. KlassischenKartoffelKonzertes. Die Petition richtete sich gegen den Betrieb kraftstoffbetriebener privater Motorboote auf Leipziger Gewässern insbesondere im Auwald und dem Cospudener See sowie gegen die Schiffbarkeitserklärung für diese Gewässer.

Als Empfänger der Petition wurde seinerzeit zuständigkeitshalber der Petitionsausschuss des Landtags gewählt. Immerhin hat der Sächsische Landtag erst im Sommer das Sächsische Wassergesetz so geändert, dass auf den Bergbaufolgeseen im Leipziger Südraum und auf ihren Verbindungsgewässern sofort die Schiffbarkeit gilt. Schiffbarkeit heißt: Hier können motorgetriebene Boote fahren. Ist zwar völliger Unfug im Sinn des Begriffs Schiffbarkeit, wie er auch in der Bundesgesetzgebung gilt, denn er bezieht sich rein technisch nur auf Binnenwasserstraßen, die für den Wirtschaftsverkehr nutzbar sind.

Einen Wirtschaftsverkehr gibt es im ganzen Neuseenland nicht. Und das war auch nicht Absicht der Gesetzesänderung durch CDU und FDP. Sie wollen die Erklärung der Schiffbarkeit als offenes Tor für die Bootsnutzung aller Art vorhalten. Was insofern Nonsens wäre, als öffentliche Gewässer von Jedermann benutzt werden dürfen – aber halt in der Regel nur mit muskelbetriebenen (Freizeit-)Booten. Für alles andere braucht es dort eine Ausnahmegenehmigung.

CDU und FDP aber wollen in Sachsen das Pferd vom Schwanz her aufzäumen – erst einmal Fahrerlaubnis für alle und dann im Umkehrschluss über die zuständigen Landesbehörden eine Einschränkung der Nutzungen. Die soll dann die Landesdirektion definieren im Zuge der Nutzungsfertigstellung.

Was da passieren könnte, hatten die beiden von der Landesdirektion in Auftrag gegebenen Untersuchungen zur Schiffbarkeit gezeigt – im Floßgraben und im Leipziger Gewässerknoten, beide Gewässerabschnitte jetzt schon im Sommer unter hohem Nutzungsdruck. Die erste Untersuchung zum Floßgraben endete mit der Erkenntnis, dass man in dieses schmale Gewässer nicht wirklich mehr Verkehr bringen könnte. Also nahm man diesen bislang einzigen Gewässerzubringer von der Weißen Elster zum Cospudener See erst einmal aus der Untersuchung, untersuchte dafür besonders den Leipziger Gewässerknoten (Stadtelster, Elsterbecken, Elstermühlgraben) auf Schiffbarkeit.

Eigentlich hatte der NuKla e.V. die Hoffnung, jetzt werde sich der Landtag mit dem Thema wieder beschäftigen. Aber der Petitionsausschuss verwies die Sache nun wieder dahin zurück, wo das Thema eigentlich her kam: an die Landesdirektion.

In seinem Schreiben vom 4. Dezember empfiehlt der Petitionsausschuss der Staatsregierung, die Petition der Landesdirektion Sachsen als zuständige Wasserbehörde zur Beachtung im Verfahren nach § 17 Abs. S. 2 SächsWG n. F. zu zuleiten.

“Hoppla”, staunt Wolfgang Stoiber. “Da wird, verwaltungsrechtlich einwandfrei, doch der Bock zum Gärtner gemacht, wenn diejenigen, welche den privaten Tourismus mit kraftstoffangetriebenen Motorbooten auf den Tagebaurestseen und perspektivisch auch auf den Leipziger Fließgewässern präferieren, dazu mit dem neuem Sächsischen Wassergesetz seit Sommer auch über die entsprechend ermächtigende Rechtsgrundlage verfügen, mithin diejenigen, welche alternative Konzepte gar nicht erst in Erwägung ziehen und sich für die Meinung der direkt betroffenen Bevölkerung nicht wirklich interessieren, diejenigen also werden beauftragt, sich um den Willen von 11.164 BürgerInnen zu kümmern, die eine andere Idee davon haben, was mit ihrer Region geschehen soll, in welche Richtung die Tourismus-Weichen in die Zukunft gestellt werden. ‘Willst du den Teich trocken legen, darfst du nicht die Frösche fragen’ – so der Volksmund. Was für ein hübsches Rechtskonstrukt hat man sich da zusammengebastelt, um die Verantwortungen hin und her zu schieben!”

Nicht nur Stoiber befürchtet, dass das Neuseenland mit der Freigabe für private Motorboote all seine jetzigen von der Bevölkerung geschätzten Vorteile verliert. Und zwar ohne wirkliche Not. Es gibt zwar ein kleines Häuflein emsiger Motorbootsympathisanten, die in all den Lobbys hinter den Kulissen zugange sind. Selbst die Kommunale Bürgerumfrage 2012, die so verdruckst um die Frage der Fahrt “mit einem motorbetriebenen Boot” herumeierte, zeigte deutlich, dass die Hauptnutzungen dessen, was Leipziger am Wasser suchen, Schwimmen und Strandaufenthalt, Cafébesuch und Fahrten mit muskelbetriebenen Booten sind.

Und auch die Fahrten mit einem motorbetriebenen Boot resultieren fast ausschließlich aus Fahrten mit Fahrgastschiffen.
Doch im Windschatten der Fahrgastschiffe versuchen ein paar Leute im Neuseenland, ihr privates Motorboot aufs Wasser zu bekommen. Anders kann man den Eiertanz hinter den Kulissen nicht verstehen.

“In Bayern ist von Staatswegen das private Befahren der bayerischen Seen – bis auf wenige, limitierte Ausnahmen – nur elektrisch betriebenen Booten erlaubt”, stellt Stoiber fest. “Gibt es doch zum Beispiel am Chiemsee bereits seit Mitte der 50er Jahre Elektroboote und seit Mitte der 80er Jahre keine privaten kraftstoffbetriebenen Motorboote mehr, ohne dass es für die Verleiher und deren Kunden bzw. die Selbstnutzer unwirtschaftlich, unsportlich, langweilig wäre. Diese Tatsachen stellte die ‘Arbeitsgruppe Gewässer’ des Grünen Ringes Leipzig nach einer Fachexkursion in die erfolgreiche bayerische Urlaubsregion in seiner Sitzung am 12. Dezember vor.”

Aber was sollen dann die Schiffbarkeitsuntersuchungen im Leipziger Gewässerknoten und die Schiffbarkeitserklärungen auf den Seen?

“Sachsen hingegen will zurück in die Steinzeit, will zum Eldorado für diejenigen werden, die wegen ihrer Lärmbelästigung, ihrer Luft- und Wasserverschmutzung und des bekannt hohen Unfallrisikos für andere Nutzer andernorts schon längst die Rote Karte gezeigt bekommen haben. Wohin diese ‘Reise’ geht, beklagt jetzt die Burghausener Bürgermeisterin in ihrem Beitrag auf Seite 25 einer Leipziger Tageszeitung vom 13. Dezember: Weil der Elster-Saale-Kanal als Bundeswasserstraße schiffbar ist, also jeder mit allem fahren kann, was er so hat, werden, angelockt von findigen Marketingstrategen, schon mal des Nachts die ersten Rennen mit PS-starken, volltönenden Sportmotorbooten auf dem Kanal veranstaltet. Dies ist aber nur ein ganz kleiner Vorgeschmack auf das, was da noch kommen wird und ja wohl auch kommen soll. ‘Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los’, resümiert der verzweifelte Lehrling, der doch eigentlich endlich auch nur mal etwas richtig Großes hatte machen wollen, in Goethes Gedicht. Zu späte Einsicht desjenigen, der meinte, die Sache voll im Griff haben zu können.”

Kleine redaktionelle Korrektur gleich an dieser Stelle: Burghausen hat keine Bürgermeisterin mehr, sondern einen Ortsvorsteher – Stefan Köster. Aber am Problem ändert das nichts. Und weil all das, was “eine Leipziger Tageszeitung” am 13. Dezember berichtete, auch im Protokoll nachzulesen ist, liefen wir an dieser Stelle gleich auch das Protokoll zur Sitzung des Ortschaftsrates Burghausen am 10. Dezember.

Hier ist es.

Da der Elster-Saale-Kanal ursprünglich als Wasserstraße für den Wirtschaftsverkehr geplant wurde, ging er 1990 als Bundeswasserstraße an den Bund über, der das Gewässer schon gern los bekommen hätte. Aber die Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt winkten ab. Das Ergebnis: Amtliche Hilflosigkeit auf allen Ebenen.

Die LVZ zitiert die zuständige Amtsleiterin in Leipzig, Angelika von Fritsch: “‘Das fällt leider nicht in unsere Kompetenz.’ Der Kanal sei eine Bundeswasserstraße und damit grundsätzlich für Motorboote zugelassen. ‘Da haben wir als Kommune keinerlei Einflussmöglichkeiten.’

Genau so funktioniert das. Und statt eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, den umweltschonenden Wassertourismus auf allen Gewässern im Neuseenland durchzusetzen, tanzt man selbst im sensiblen Wasserknoten den Eiertanz um die Schiffbarkeit. Da ruft man dann – recht hilflos – nach der Polizei, als die Gewässer grundsätzlich für die lärmenden Störenfriede zu sperren. Was auch auf dem Elster-Saale-Kanal möglich wäre. Aber da plant man ja lieber einen 106 Millionen Euro teuren Kanalausbau, um die Motorboote erst recht in den Leipziger Gewässerknoten zu holen.

“Und so werden es die Betroffenen sein müssen, die jetzt wach werden, im Doppelsinn des Wortes: Mögen sie Unterstützung finden bei denen, die noch ruhig schlafen können angesichts der derzeit alternativlos propagierten Tourismusvision”, kommentiert Wolfgang Stoiber diese amtlich organisierte Eiertänzerei. “Nun sind wir gespannt, wie die Landesdirektion mit dem Willen von 11.164 Menschen umgeht.”

www.NuKLA.de

Die Beschlussempfehlung zur Sammelpetition 05/03287/3 als PDF zum download.

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