Auf rund 35 Millionen Euro bezifferte Prof. Dr. Andreas Berkner, Leiter der Regionalen Planungsstelle des Regionalen Planungsverbandes Westsachsen-Leipzig am Mittwoch, 15. Januar, die Summe aus §4-Mitteln, die im Leipziger Neuseenland von 2017 bis 2023 noch gebraucht werden, um die wichtigsten Schlüsselprojekte fertigzustellen.

§4-Mitteln sind jene Gelder, die der Freistaat Sachsen direkt für Maßnahmen bereitstellt, die auf eine Sanierung der alten Braunkohletagebaue aufsetzen und Infrastrukturen schaffen, die die neuen Landschaft auch touristisch und wirtschaftlich wieder nutzbar machen. Seit 1998 bildet es ein wirksames Instrument für die Regionalentwicklung in den Sanierungstagebauen der LMBV mbH und deren Umfeldern. Mit den bis 2012 (Ende des Verwaltungsabkommens Nr. 4 zu diesem Budget) in der Region Leipzig-Westsachsen verausgabten rund 70 Millionen Euro konnten an vielen Stellen Zeichen bei der Aufwertung der Folgelandschaften des Braunkohlenbergbaus als Beiträge für touristische Aufwertungen, privatwirtschaftliche Investitionen und Imagewandel im Leipziger Neuseenland gesetzt werden, betont Berkner.

Hat aber Sorge, dass die vor 15 Jahren entwickelten Visionen unvollständig bleiben.

Im laufenden 5. Verwaltungsabkommen stehen bis 2017 für die Region weitere 24 Millionen Euro § 4-Mittel zur Verfügung, die insbesondere durch Eigenmittel und übertragene Ausgabenreste noch erhöht werden. Dies erlaube, so Berkner, zumindest eine kontinuierliche Fortsetzung des Maßnahmeprogramms unter Wahrung fairer Proportionen zwischen den Teilräumen und Konzentration auf Schlüsselmaßnahmen.

Der Wermutstropfen dabei: Der Anteil der Eigenmittel wurde erhöht. Um die anstehenden Projekte zu finanzieren, müssen die beteiligten Kommunen also tiefer in die eigene Tasche greifen.

Und es gibt auch im aktuellen Planungszeitraum nach Einschätzung von LMBV mbH und Regionalplanung nachfolgende Unwägbarkeiten, die im Sinne eines Mittelabflusses einer alsbaldigen Ausräumung bedürfen:

Eine 2,4-Millionen-Euro-Maßnahme am Seelhausener See (Strand Dreihausen) ist in Gefahr, weil die Rahmenbedingungen nach dem Einbruch des Muldehochwassers im Juni 2013 völlig offen sind. Hier muss – wie am Großen Goitzschesee – im Grunde erst einmal ein richtiges Hochwasserschutzkonzept entwickelt werden, dass den See steuerbar macht und bei den öfter zu erwartenden “Jahrhunderthochwassers” katastrophale Deichdurchbrüche verhindert. Das hat dann auch Auswirkungen auf die Investitionen, die von 2017 bis 2023 geplant sind: Die Schleuse Seelhausener See – Großer Goitzschesee hängt genauso von den möglichen – auch mit Sachsen-Anhalt zu vereinbarenden von Maßnahmen im Hochwasserschutz wie die Erschließung und Aufwertung des Seelhausener Sees, der nach dem Muldeeinbruch mehr als beeinträchtigt ist.
Nicht ausgeräumt ist ein NATURA 2000-Konflikt im Bereich der Flächen im Eigentum von Delitzsch am Werbeliner See. Noch offen ist auch die geplante Störstellenbeseitigung Pleiße an der Pleiße, für die die Eigenmittel der beteiligten Kommunen Markkleeberg und Leipzig noch nicht geklärt sind, Ende 2014 aber das Baurecht verfällt. Und auch an den Witznitzer Seen gibt es Probleme mit den Eigenmitteln.

Wen die Projekte nicht zustande kommen, will die §4-Arbeitsgruppe die Mittel umverteilen in andere Projekte, die in der Lage wären, frei werdende Budgetanteile zu übernehmen. Dazu gehört am Schladitzer See die Strandgestaltung Südufer Hayna, am Störmthaler See sind es die Strandbereiche und die erweiterte Erschließung, am Zwenkauer See wären es die erweitere Erschließung und die Entwicklung des Nordufers.

Bei einem Treffen am 22. August 2013 im Kulturhaus Böhlen wurde dann auch festgestellt, dass die “bis 2017 verfügbaren § 4-Mittel nach Sachlage nicht ausreichen, um die Schlüsselmaßnahmen im Sinne einer vollständigen Inwertsetzung der ‘Landschaften nach der Kohle’ abschließen zu können.”

Also haben sich die Beteiligten auf jene Maßnahmen geeinigt, die im Neuseenland unbedingt noch gebraucht werden, um das Gesamtkonstrukt zu vollenden. Dabei geht es um insgesamt 36,5 Millionen Euro.

Im Nordraum sind da noch die notwendigen Arbeiten am Seelhausener, Schladitzer und Großen Goitzschesee zu berücksichtigen (8 Millionen Euro).

Im Südraum geht es noch um 28,5 Millionen Euro.

Zu den Projekten im Südraum gehört die Anbindung des Markkleeberger Sees an die Pleiße (“Wasserschlange”) für 15 Millionen Euro, die jetzt auf die Zeit nach 2018 vertagt ist, weil man sich jetzt auf den Bau des Harthkanals konzentriert, der Zwenkauer und Cospudener See verbinden soll. Am Zwenkauer See geht es um den Schwerpunkt Nordufer im Zweckverbandsgebiet “Neue Harth” und das Zwenkauer Wehr (4 Millionen Euro), am Störmthaler See um die erweiterte Erschließung und die Magdeborner Halbinsel (2,5 Millionen Euro), am Hainer See um Nordufer, den Strand Borna und den geplanten Gewässerverbund mit dem Stausee Rötha (2,5 Millionen Euro), am Bockwitzer See geht es um die Aufwertung und Erschließung des Nordufers (1 Million Euro), am Haselbacher See um die Erschließung des Ostufers im Kontext zur Kohlebahn (0,5 Millionen Euro). Außerhalb dieser Schwerpunkte sollen weitere 5 Millionen Euro in die Regionalentwicklung investiert werden. Insgesamt macht das 38,5 Millionen Euro, davon 4,8 Millionen Euro an Eigenmitteln.

Manches könne komplett gefördert werden, schätzt der Regionale Planungsverbund ein. So die Gewässerverbünde zwischen Seelhausener und Großem Goitzschesee und die zwischen Markkleeberger See und Pleiße als hydraulisch notwendig mit resultierender 100-Prozent-Förderung.

Insgesamt ergebe das einen Finanzbedarf von etwa 33 Millionen Euro gegenüber dem Freistaat Sachsen, der bis etwa 2023 zu realisieren wäre. “Zu diesem Zeitpunkt könnten die Maßnahmen zur Erhöhung des Folgenutzungsstandards im Kontext zur Grundsanierung im Sanierungsbereich Westsachsen auf einem Niveau abgeschlossen werden, das darauf aufsetzende selbsttragende Entwicklungen gestattet”, schätzt Berkner ein.

Ein positives Echo für die erstmals absehbare Finanzierungsgröße bekam der Regionalplaner schon von der Landtagsabgeordneten Petra Köpping (SPD). Schon Ende 2012 habe sie sich mit eindringlichen Worten an den sächsischen Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) gewandt, um zu verhindern, dass dem Leipziger Neuseenland wichtige finanzielle Mittel verloren gehen. Deshalb hatte auch die SPD-Fraktion den Antrag “Attraktive Bergbaufolgelandschaften nachhaltig gestalten” in den Landtag eingebracht. Dieser Antrag wurde zwar abgelehnt, doch hatten die Abgeordneten der Regierungskoalition betont, dass auch sie die Notwendigkeit sähen, lange geplante Vorhaben in der Region umzusetzen.

“Viele Kommunen sind mit eigenen Finanzmitteln schon in Planung und Entwicklung an den Seen gegangen. Die Politik darf hier jetzt nicht die Gelder zurückbehalten”, sagt die SPD-Abgeordnete. Sie werde daher erneut einen Antrag im Ausschuss stellen und noch einmal sehr deutlich darauf hinweisen, dass die Finanzmittel vor Ort dringend gebraucht werden. Der Freistaat habe nach den letzten Steuerschätzungen alleine im letzten Jahr über 300 Millionen Euro mehr an Steuern eingenommen. “Sachsen steht finanziell sehr gut da. Das Land hat ausreichend Mittel, um den Ausbau des Gewässerverbundes angemessen zu unterstützen”, so Köpping.

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