Leipzig hat Glück gehabt im Juni 2013. Da flutete das jüngste "Jahrhunderthochwasser" auch die Weiße Elster. Dass es kaum zu Schäden kam, ist auch der Tatsache zu verdanken, dass das Hochwassereinlaufwerk Zitzschen am Zwenkauer See geöffnet werden konnte. Eigentlich war es offiziell noch gar nicht fertig. Baulich war es erst im Frühjahr fertig geworden. Aber dennoch war es so weit funktionsfähig, dass es zur Flut geöffnet werden konnte und Leipzig um rund 20 Millionen Kubikmeter Wasser entlastete.

Das, so schätzt Dr. Michael Feist, Vizepräsident der Landesdirektion Sachsen, ein, habe in den flussabwärts gelegenen Städten Leipzig und Halle jeweils Schäden um die 35 Millionen Euro verhindert. Das Bauwerk, das wesentlicher Teil des Hochwasserschutzkonzeptes für Leipzig ist, hat funktioniert.

Die zwei Meter Wasserpegel zusätzlich haben die Flutung des Zwenkauer Sees deutlich beschleunigt. Das war so noch gar nicht geplant. 110 Meter über Normalnull beträgt der Wasserpegel dort aktuell. Selbst im Zwenkauer Hafen stehen schon 30 Zentimeter. Bis Ende 2014 sollen 111,5 Meter üNN erreicht werden, 113,1 bis 113,8 Meter sollen es 2015 werden, wenn der See voll geflutet ist. Der genaue Endpegel hängt von einem Bauwerk ab, das es noch gar nicht gibt: dem Harthkanal.

“Wir stecken mitten in den Vorplanungen”, sagt Prof. Dr. Andreas Berkner, Leiter der Regionalen Planungsstelle des Regionalen Planungsverbandes Leipzig-Westsachsen. Aufgehalten wurde das Projekt durch aufwändige Bodenuntersuchungen im Gelände, das vor allem aus aufgekipptem Tagebauabraum besteht. Damit der Kanal nicht “ausläuft”, muss der Boden entsprechend verdichtet werden.

Aber der Kanal ist eines der wichtigen Schlüsselprojekte im Neuseenland, betont Dr. Gerhard Gey, Landrat des Landkreises Leipzig und Sprecher der Steuerungsgruppe Neuseenland. Neben der Markkleeberger Wasserschlange das aktuell wichtigste, denn es stellt die wichtige Gewässerverbindung vom Cospudener zum Zwenkauer See her. Die für den Zeitraum 2013 bis 2017 bereitgestellten §4-Mittel reichen nicht für alle Projekte im Neuseenland. 25 Millionen Euro für fünf Jahre hat der Freistaat Sachsen für die Region Leipzig bereitgestellt. 10 Millionen Euro davon fließen in den Harthkanal. “Wir können aber die genauen Projektkosten noch nicht ganz beziffern”, sagt Berkner. “Da sind wir noch in einer sensiblen Feinabstimmung.”Denn der Kanal wird aus mehreren Quellen bezahlt werden müssen, denn er ist auch ein Multifunktions-Bauwerk. Er wird nicht nur für die Bootsverbindung wichtig (und damit auch ein touristisches Infrastrukturprojekt), sondern ist auch Teil des Hochwasserschutzsystems.

Über das Hochwassereinlaufbauwerk Zitzschen, das im Juni 2013 so gut funktioniert hat, kann jetzt zwar Wasser aus der Weißen Elster in den See geleitet werden. Aber es gibt (noch) keine Möglichkeit, es wieder abzulassen. Das heißt: Der Wasserstand im See kann auch nicht gesteuert werden. Man hat eine Wanne mit einem Zulauf, aber ohne Ablauf. Das wird sich in einem ersten Schritt gegen Ende 2014 ändern, dann wird das derzeit im Bau befindliche Betriebsauslasswerk Weiße Elster in Betrieb gehen. Es erlaubt, das Wasser aus dem Zwenkauer See wieder in die Weiße Elster abzulassen, wenn der Zwenkauer See einen bestimmten Pegelstand überschreitet. Der liegt mit 113,9 Meter üNN noch deutlich über dem künftig geplanten Normalpegel von 113,1 Meter üNN. Es ist also wirklich eher so eine Art Überlaufventil, das außerdem auch nur an rund 240 Tagen im Jahr geöffnet werden kann, wenn der Wasserstand in der Weißen Elster niedrig genug ist.

Wirklich komplett wird das Hochwasserregime im Zwenkauer See erst mit der Fertigstellung des Harthkanals, mit der Andreas Berkner frühestens 2018 rechnet. Dann gibt es auch den nötigen Abflusskanal, mit dem der Pegel im See auf 113,1 Meter üNN abgesenkt werden kann. Da man mit dem Bau noch nicht begonnen hat, sind hier freilich noch Feinabstimmungen möglich.

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Wichtig ist nur, dass der nötige Stauraum vorhanden bleibt, mit dem im Hochwasserfall 18,5 Millionen Kubikmeter Wasser kurzzeitig aus der Weißen Elster abgeleitet werden können, um die Stadt Leipzig vor Überschwemmung zu schützen. Im Zwenkauer See steigt dann der Pegel kurzzeitig um 2 Meter.

Aber schon die Inbetriebnahme des Hochwassereinlaufbauwerks Zitzschen habe gezeigt, dass das System funktioniere, betont Berkner. Und fügt hinzu: “Anders als an der Goitzsche.” So wie beim “Jahrhunderthochwasser” 2002 kam es auch beim Junihochwasser 2013 zu einem Muldedurchbruch, bei dem das Wasser in den Goitzsche- und den Seelhausener See durchbrach. Eine Katastrophe, so schätzt nicht nur Berkner ein. Aber das Juni-Hochwasser hat in Sachsen wie Sachsen-Anhalt einige Aktivitäten ausgelöst. Die Gespräche der beiden Bundesländer deuten darauf hin, dass man jetzt auch an Goitzsche- und Seelhausener See daran denkt, ein ähnliches Hochwasserschutzsystem zu installieren wie am Zwenkauer See. “Schuldzuweisungen nutzen ja niemanden”, sagt Berkner.

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