Es gibt Interessenkreise im Land Sachsen, die haben mehr Einfluss auf die Politik als andere. Die sitzen den Ministers quasi auf dem Schoß und diktieren ihnen in die Feder, welche Gesetze sie gern hätten. Am Freitag, 21. Februar, ließ der Staatssekretär im Sächsischen Wirtschaftsministerium Roland Werner (FDP) mal wieder gucken, wie so Gesetze entstehen. Er kündete neue güldene Zeiten für Motorbootfahrer an.

Werner sprach sich dafür aus, die Nutzung von Motorbooten im Leipziger Neuseenland zu erleichtern. Minister Sven Morlok, ebenfalls FDP, geht sogar noch einen Schritt weiter und spricht von neuen Trendsportarten auf dem Wasser, wie Wassermotorrad fahren, Kitesurfen und Touren mit Amphibienfahrzeugen. Das Führen gemieteter Sportboote bis 15 Meter Länge ohne Führerschein für jedermann soll ebenfalls möglich sein. Eine Einweisung durch den Bootsvermieter würde genügen.

Und das, nachdem mit dem 2013 vom Sächsischen Landtag verabschiedeten neuen Wassergesetz sowieso schon die Schiffbarkeit auf Seen und Verbindungsgewässern erklärt werden soll. Jetzt will das Sächsische Verkehrsministerium auch noch die Zulassung von Motorbooten erleichtern. Im Sprech des Hauses eine weitere “Entbürokratisierung”. Tatsächlich werden mit dem Argument “Entbürokratisierung” in Sachsen immer mehr Schutzrechte der Bevölkerung ausgehebelt – ob nun im Umweltschutz oder im Gesundheitsschutz. Lauter Gesetze und Regelungen, die in den vergangenen Jahrzehnten geschaffen wurden, um wichtige Güter vor dem Zugriff finanzstärkerer Akteure zu schützen.

Doch der sächsischen FDP sind die Reche der Letzgenannten lieber. Und entsprechend groß war der Jubel bei Torsten Herbst, wirtschafts- und verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag und selbst begeisterter Segler, wie er sagt: “Die Vereinfachungen für Wassersportler werden den Naherholungs- und Tourismusstandort Sachsen deutlich stärken. Der positive wirtschaftliche Effekt kann nicht hoch genug geschätzt werden. Mit der Änderung der sächsischen Schifffahrtsverordnung bauen wir wieder einmal unnütze bürokratische Hürden ab, diesmal für die Wassersportler aus Sachsen und anderswo. Führerscheinfreiheit für Sportboote bis 15 PS, Charterschein anstatt Führerschein für Mietboote oder einfachere Zulassung neuer Sportgeräte wie beispielsweise Kitesurfing – all das macht das attraktive Tourismusland Sachsen um eine Facette reicher. Und nicht zuletzt wird die Arbeit der Vereine im Wassersportbereich erleichtert, deren Arbeit wir nicht nur in Sonntagsreden würdigen, sondern vielmehr durch handfeste politische Unterstützung.”

Welche Folgen die unbeschränkte Motorbootnutzung hat, können ja die Bewohner von Burghausen beobachten. Der Elster-Saale-Kanal hat sich zu einem Rennparcours für Motorbootfahrer entwickelt und die Stadt ist zur Untätigkeit verdammt.

Schlimmstes befürchtet wohl zu Recht der Naturschutzbund NABU (Sachsen), der sehr wohl gehört hat, dass Sven Morlok von neuen Trendsportarten auf dem Wasser gesprochen hat, wie Wassermotorrad fahren, Kitesurfen und Touren mit Amphibienfahrzeugen. “Solche Planungen torpedieren die Vorstellungen von Kommunen, Landkreis, Kanuten und Naturschützern”, stellt der NABU fest.

Bernd Heinitz, Landesvorsitzender des NABU Sachsen: “Solche aberwitzigen Planungen torpedieren die Vorstellungen von Kommunen, Landkreis, Kanuten und Naturschützern – immerhin hatten sich über 11.000 Bürgerinnen und Bürger für eine Seennutzung ohne Motorboote ausgesprochen, und der Wirtschaftsminister spricht doch sonst immer von mehr Selbstbestimmung für die Kommunen und weniger Zuständigkeiten für den Freistaat. Aus Naturschutzsicht würde eine Umsetzung der Planungen klare Rechtsverstöße darstellen. Die Wasserrahmenrichtlinie und der spezielle Artenschutz sind europäisches Recht und gelten unmittelbar. Da kann auch nichts liberalisiert werden. Wir werden deshalb den Natur- und Artenschutz verteidigen, notfalls auch vor Gericht.”

Das Sven Morlok die führerscheinfreie Fahrt von Sportbooten bis 15 PS möglich machen will, findet auch Gisela Kallenbach, umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, schockierend. “Das Vergnügen für wenige würde zu größerer Lärmbelastung für viele Erholungssuchende führen. Den Egoismus Einzelner zu bedienen, ist typisch für die Politik des FDP-Wirtschaftsministers Sven Morlok.”

Kallenbach erinnert auch an die Trainingsstätten der Wassersportler. “Dort trainieren Kinder. Das verträgt sich überhaupt nicht mit Motorbooten. Unverantwortlich wäre das!”

Der Vorstoß spricht auch Bände im Zusammenhang mit der im Neuseenland gerade begonnenen Diskussion um die “Charta Neuseenland”. Denn die ist ziemlich witzlos, wenn die Rahmenbedingungen mit immer neuen Gesetzaushöhlungen in Dresden vorgegeben werden. Und zuständig für die Ausgestaltung der Schifffahrtsordnung auf den Bergbaufolgeseen ist eine Landesbehörde – die Landesdirektion Leipzig.

Die ganze “Entbürokratisierung” baut tatsächlich vor allem die Spielräume und Mitwirkungsrechtte der Kommunen ab. Unterm Schafspelz wird ein autoritäres Staatsverständnis sichtbar, in dem sich FDP und CDU gegenseitig zu übertreffen versuchen.

Zur Situation in Leipzig erklärt Gisela Kallenbach: “So also geht die sächsische Staatsregierung mit den Sorgen tausender Bürger um, die sich für eine naturverträgliche Gewässernutzung und sanften Wassertourismus einsetzen. Mehr motorisierte Wasserfahrzeuge wären das Aus für etliche hochsensible Ökosysteme, wie den Floßgraben in Leipzig.”

Sie betont, dass “Landkreise, Städte und Bürger einen eigenen Gestaltungsspielraum bei der Nutzung ihrer Gewässer brauchen”. Aber das Ergebnis könnte sein, dass am Ende des Diskussionsprozesses um die “Charta Neuseenland” nur noch der Papierkorb steht. Oder ein windelweich formuliertes Formelwerk, das den Neuseenländern erklärt, dass alles paletti ist – auch wenn auf den Seen andere Regeln gelten als sie gewollt haben.

Wie weit Morlok und Werner gehen wollen, um Motorbooten das Fahren auch auf Leipziger Gewässern möglich zu machen, ist in ihrem Aktionsprogramm im PDF nachzulesen.

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