Im Dezember war der Landtagsabgeordnete der Grünen, Wolfram Günther, alarmiert: Der Flughafen Leipzig/Halle hatte im Schkeuditzer Stadtrat vorgefühlt, ob die seit 2012 geltenden Regeln für Triebwerksprobeläufe nicht geändert werden könnten. Mehr Probeläufe im Freien, war der Wunsch des Flughafens. Will er damit eine der wenigen Erfolge im Kampf gegen Fluglärm wieder zunichte machen? - Günther fragte bei der sächsischen Staatsregierung nach.

Die sitzt als Haupteigentümer in allen Kontrollgremien des Flughafens. Die Triebwerksprobeläufe im Freien hatten bis 2011 für massive Lärmbelastungen der Flughafenanwohner gesorgt. Insbesondere die 45 Probeläufe, die noch dazu mitten in der Nacht (22 bis 6 Uhr) stattfanden, sorgten für berechtigten Ärger. Denn seit 2008 gab es die Testhalle, die extra für die Probeläufe errichtet worden war. Für die Jahre 2009 und 2010 gibt es nicht mal Angaben zu nächtlichen Probeläufen im Freien – es kümmerte auf dem Flughafen einfach niemand.

Im Jahr 2012 wurde nach langem Drängen von Bürgerinitiativen ein Verbot von nächtlichen Triebwerksprobeläufen im Freien am Flughafen Leipzig/Halle durchgesetzt. Nun droht ein Rückschritt, stellt der Grünen-Landtagsabgeordnete Wolfram Günther fest. So plant die Staatsregierung laut der Antwort von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), einem Antrag der Flughafenbetreibergesellschaft zuzustimmen, wodurch das planungsrechtliche Verbot solcher Tests im Freien zwischen 22 und 6 Uhr ausgehöhlt würde.

Die strenge Regelung von 2012 hat dazu geführt, dass es – außer im Januar 2012 – nachts keine Probeläufe mehr im Freien gab.

“Die Anzahl der Triebwerksprobeläufe am Flughafen Leipzig/Halle ging zwar laut den Antworten der Staatsregierung auf meine Kleine Anfrage auf sehr hohem Niveau von 408 (2013) auf 291 (2014, ohne Dezember) leicht zurück. Aber weiterhin finden 25 Prozent dieser sehr lauten Tests von Flugzeugtriebwerken im Freien statt und beeinträchtigen Mensch und Umwelt. Die Hälfte der Probeläufe wird zudem an Wochenenden und Feiertagen durchgeführt und 20 Prozent in der Nacht zwischen 22:00 und 06:00 Uhr. Hierdurch werden die Anwohner des Flughafens besonders mit Lärm belastet”, kommentiert Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, die Antworten der Staatsregierung.

Und da taucht natürlich die Frage auf: Will der neue sächsische Wirtschaftsminister die Politik seines Vorgängers fortsetzen? Oder zeigt der SPD-Mann ein bisschen mehr Verantwortung für die Gesundheit der Flughafenanwohner?

“Im Wahlkampf hat sich der neue Minister Dulig vor die Wählerinnen und Wähler gestellt und ihnen versprochen, etwas gegen den Verkehrslärm im Freistaat Sachsen zu tun. Ich nehme ihn jetzt beim Wort und fordere ihn auf, dem Antrag auf Ausnahmeregelungen für nächtliche Triebwerksprobeläufe nicht zuzustimmen, sonst droht den Anwohnerinnen und Anwohnern bald noch mehr Lärm. Leider deuten die Antworten der Staatsregierung darauf hin, dass sie plant, Ausnahmen grundsätzlich zu genehmigen. Das wäre ein Rückschritt”, stellt Günther fest.

Anstelle von Dulig hatte Eva-Maria Stange geantwortet. Aber die Antwort zur Aufweichung der Ausnahmeregel klingt genauso, wie Günther es beschreibt. Sie lautet: “Zur zukünftigen Häufigkeit solcher Ausnahmen können im Vorfeld keine Aussagen getroffen werden. Die Staatsregierung wird auf eine restriktive Inanspruchnahme besagter Ausnahmeregelungen hinwirken.”

Diese Art Formulierungen kennen die Flughafenanrainer nun seit den Planungen für die Startbahn Süd. Und sie misstrauen diesen windelweichen Versprechungen der Staatsregierung mittlerweile wohl zu Recht. Denn so werden Entscheidungen zum Lärmschutz am Flughafen immer wieder ausgehebelt und aufgeweicht. Und wenn die Bürger nach Daten und Fakten fragen, stellt sich immer wieder heraus, dass man in Sachsen derlei gar nicht hat.

“Wirtschaftsminister Dulig hat jetzt, nachdem bereits seit Jahren Triebwerksprobeläufe, draußen, nachts und an Wochenenden sowie Feiertagen stattfinden, ein Gutachten eingefordert, das die Auswirkungen der Triebwerksprobeläufe auf Mensch und Umwelt beschreibt. Zum einen bin ich froh, dass dieser Schritt getan wird. Zum anderen bin ich entsetzt, dass er erst jetzt erfolgt. Seit Jahren werden jährlich Hunderte solcher extrem lauten 20- bis 60-minütigen Tests mit den Triebwerken verschiedener Flugzeugtypen am Flughafen Leipzig/Halle auch nachts und im Freien durchgeführt. Seit Jahren werden hierdurch die Bürgerinnen und Bürger, die in der Nähe wohnen, gesundheitlich belastet und in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Ich werde auch bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen im Landtag genau darauf achten, wie viel Geld für den Lärmschutz bspw. für den Flughafen Leipzig/Halle eingestellt wird”, so Günther.

Das wird möglicherweise nicht viel nützen. Denn immer wieder wirkt auch die Staatsregierung in Sachen Flughäfen wie getrieben, lässt sich von den Nutzern der Flughäfen die Rahmenbedingungen vorgeben und knickt jedes Mal ein, wenn es um die Minderung von Fluglärmbelastung geht.

“Hinter den Zahlen und Tabellen der Staatsregierung zu den Triebwerksprobeläufen stehen aber Menschen, die nicht wollen, dass der Flughafen Leipzig/Halle weiter ausgebaut wird. Ich habe deshalb bereits die nächste Kleine Anfrage gestellt und die Staatsregierung detailliert nach dem Fluglärm am Flughafen sowie den tatsächlichen Flugbewegungen gefragt, denn mir liegen die Sorgen und Ängste der Leipziger in Bezug auf den Lärmschutz am Flughafen sehr am Herzen”, sagt Günther. “Besorgte Bürger fragten per Leserbrief in der Leipziger Volkszeitung vor Kurzem zu Recht: Wie viele durch Fluglärm erkranke Menschen ist ein schlecht bezahlter Arbeitsplatz bei DHL denn wert?”

Die Kleine Anfrage: “Nächtliche Triebwerksprobeläufe im Freien am Flughafen Leipzig/Halle” und Antwort der Staatsregierung (Drs. 6/348) als PDF zum Download.

Die Kleine Anfrage: “Fluglärm und Flugbewegungen am Flughafen Leipzig/Halle” (Drs. 6/494) als PDF zum Download.

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