Mancher Sachse fühlt sich mittlerweile wieder an die untergegangene DDR erinnert. Und zwar höchst unangenehm. Auch damals verbarg die Regierung gern die defizitäre Wirklichkeit hinter schönen Parolen und einer Wirklichkeitsverweigerung bei den harten Zahlen. Will die sächsische Regierung gar nicht wissen, wie hoch der Investitionsbedarf in den Kommunen ist? - Das vermuten die Grünen und haben dafür extra einen Berichtsantrag gestartet.

Der Berichtsantrag “Quantifizierung des kommunalen Investitionsbedarfs” wurde am gestrigen Donnerstag, 10. Mai, als in Dresden auch Lehrer, Schüler und Studierende protestierten, im Landtag behandelt.

“Es ist schade, dass die Staatsregierung nicht anerkennt, dass die Kommunen in Größenordnungen investieren müssen, um ihre Infrastruktur zu erweitern bzw. umzubauen. Der Verweis auf Überschüsse in den kommunalen Haushalten bedeutet noch lange nicht, dass z. B. genügend Geld für notwendige Schulsanierungen und Schulneubauten vorhanden ist”, erklärt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Antje Hermenau, dazu. “Spätestens, wenn die Koalition den Kommunen unterstellt, dass sie ihren Investitionsbedarf übertreiben würden, erweckt sie den Eindruck, dass sie sich vor den finanziellen Tatsachen fürchtet.”

Entsprechend deutlich äußerte sich gestern auch das sächsische Finanzministerium. Die Bundesregierung hatte ihre neuen Zahlen zur Steuerschätzung bekannt gegeben und die verheißen auch den Bundesländern in den nächsten Jahren Mehreinnahmen. Den Haushalt 2011 zum Beispiel hatte Sachsen mit einem Haushaltsüberschuss von über 600 Millionen Euro abgeschlossen. Doch das Finanzministerium kündigte schon einmal an, dass auch der Doppelhaushalt 2013/2014 für die Kommunen eine Magerkur werden soll.

“Die dringenden Konsolidierungsbedarfe in vielen Ländern und deren Folgen bestärken den Finanzminister auch im Hinblick auf die laufende Aufstellung des Doppelhaushaltes 2013/2014: Jetzt bei der Konsolidierung nachzulassen, würde bedeuten, den Grundsatz der soliden sächsischen Finanzpolitik in Gefahr zu bringen: nur das Geld auszugeben, was wir auch einnehmen”, heißt es aus dem Hause Unland. Kein Wort dazu, dass der Freistaat seine Reservefonds von mittlerweile rund 6 Milliarden Euro auf Kosten seiner Kommunen zusammengespart hat. Wenn allein bei Schulinvestitionen im Freistaat 1,5 Milliarden Euro fehlen, dann steckt ein Großteil der Summe in diesen Rücklagen.

“Leistungsfähige Kommunen brauchen eine leistungsfähige Infrastruktur. Doch weil das Geld sowohl bei den Kommunen als auch dem Freistaat knapp ist, brauchen wir die notwendigen Steuerungsinformationen. Nur so können wir die Investitionshilfen des Landes den Kommunen zielgerichtet zukommen zu lassen”, erläutert Antje Hermenau die Hintergründe des grünen Berichtsantrags.

Der erfreuliche Geburtenanstieg der vergangenen Jahre bringt gerade für die Kreisfreien Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz großen Investitionsbedarf bei Schulneubauten und Schulerweiterungsbauten mit sich. So gibt allein Dresden seinen Schulneubaubedarf mit knapp 600 Millionen Euro an. Dazu kommen 650 Millionen Euro Sanierungsstau. Hermenau: “Dies können die Kommunen nicht allein schultern.”

Aber auch in anderen Infrastrukturbereichen gibt es große Investitionsstaus. “In den Städten brauchen wir für einen attraktiven und leistungsfähigen Öffentlichen Nahverkehr intakte Gleise und nicht noch mehr Langsamfahrstrecken. Im ländlichen Raum wiederum ist die Infrastruktur aufgrund von Abwanderung und Alterung der Bevölkerung um- und rückzubauen”, so Hermenau.

“Mit unserem Berichtsantrag wollten wir Transparenz über den tatsächlichen Investitionsbedarf in den sächsischen Kommunen herstellen. Bei den aufgrund knapper werdender Kassen erwartbar heftiger werdenden Verteilungskämpfen ist es notwendig, Vertrauen zu bilden – gerade vor dem Hintergrund, dass auf Landesebene eine Schuldenbremse installiert werden soll”, fasst Hermenau das Anliegen der parlamentarischen Initiative abschließend zusammen.

Der Antrag der GRÜNEN-Fraktion “Quantifizierung des kommunalen Investitionsbedarfs” (Drs. 5/8977):
www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Antraege/5_Drs_8977_1_1_2_.pdf

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