Nach der Erhöhung der Geldleistungen für Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz, war jetzt zwei Monate lang die Frage offen, ob sich Sachsens Staatsregierung an den Kosten beteiligt. Das sie es nicht tut, befürchtete Elke Herrmann, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag.

Sie hat den sächsischen Innenminister Markus Ulbig gefragt. Er hat am 22. August schon geantwortet.

“Auf meine Frage, wer die Kosten für die erhöhten Leistungssätze trägt, antwortete der Innenminister, dass ‘der Freistaat den Kommunen eine finanzielle Erstattung (gewährt), die sich nach § 10 des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes bemisst.’ In diesem Gesetz sind aber nur 1.125 Euro pro Person und Quartal als Erstattung an die Kommunen vorgesehen. Diese Pauschale soll alle Kosten einschließen, für die die Landkreise und kreisfreien Städte aufkommen müssen. Das betrifft etwa Unterbringung, Geld- bzw. Sachleistungen und soziale Betreuung. Der Satz war schon in der Vergangenheit viel zu knapp bemessen und ist seit dem 1. Januar 2003 unverändert. Nach der Erhöhung der Geldleistungen reicht die Pauschale bei weitem nicht mehr aus”, stellt Herrmann fest.

Mit dem Urteil vom 18. Juli 2012 hatte das Bundesverfassungsgericht die Geldleistungen für Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge erhöht. So etwa für einen Haushaltsvorstand auf 336 Euro (zuvor 224 Euro) und für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren auf 260 Euro (zuvor 200 Euro). “Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren”, begründeten die Richter ihr Urteil.
Ist nur die Frage: Wer fühlt sich für Menschenwürde zuständig in Deutschland? Denn, wenn es um mehr geht als schöne Worte?

“Ich fordere die Staatsregierung auf, schnellstmöglich einen Entwurf für die Änderung des Paragraf 10 des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes vorzulegen und darin die Kostenerstattung für die Kommunen deutlich zu erhöhen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde von allen demokratischen Parteien begrüßt. Der sächsische Ausländerbeauftragte Dr. Martin Gillo nannte es ein ‘ermutigendes Signal'”, so Hermann am Donnerstag, 13. September. “Es wäre unverantwortlich, jetzt die aus dem Urteil folgenden Kosten zum Spielball zwischen Kommunen und Staatsregierung zu machen.”

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Herrmann verwies auf Pressemeldungen aus Nordsachsen, in denen die gestiegenen Kosten für Asylbewerber undifferenziert als einer der Hauptgründe für die Verschuldung des Landkreises dargestellt wurden. Im Landkreis Leipzig hatte es in einem Asylbewerberheim Unruhe unter den Flüchtlingen und Diskussionen mit dem Landrat über die Erstattung der Kosten durch den Freistaat gegeben.

“Die Staatsregierung darf doch nicht durch die ausbleibende Angleichung der Erstattung für die Kommunen, Stimmungsmache gegen Flüchtlingen Vorschub leisten”, so die Abgeordnete. Beide Landkreise sträubten sich, die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Sätze zu zahlen. In Leipzig war das etwas anders: Man hat sich zur Zahlung der erhöhten Geldleistungen bekannt. Eine entsprechende Vorlage, die die Mehrleistungen in Höhe von 548.300 Euro nachträglich per Beschluss untersetzen soll, steht am 17. Oktober auf der Tagesordnung des Stadtrates.

Aber auch in Leipzig geht der Mehraufwand – der im nächsten Jahr dann über 1 Million Euro liegen wird – zu Lasten des Haushalts, ohne dass sich die Landesregierung bislang bemüßigt fühlte, einen Teil der Mehrkosten zu übernehmen.

Noch am Nachmittag des 13. September lenkte das Innenministerium ein und gestand zu: “Die derzeitige Erstattungsregelung im Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz deckt diese Mehrkosten nicht mehr.”

Innenminister Markus Ulbig: “Die Kommunen nehmen die humanitären Verpflichtungen mit großem Ernst und Engagement wahr. Ich setze mich dafür ein, dass die erforderliche Erhöhung der Pauschale im Rahmen der laufenden Haushaltsgesetzgebung erfolgt. Wir greifen den Kommunen in dieser Situation unter die Arme.”

Die Kommunen würden eine ausreichende Kostenerstattung erhalten. Diese erfolge auch rückwirkend. Das dafür erforderliche zusätzliche Geld werde bereit gestellt. Das erforderliche Gesetzgebungsverfahren werde jetzt mit Nachdruck betrieben.

Der vorgesehene Ratsbeschluss in Leipzig:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/133E398AA77AFF40C1257A670031B885/$FILE/V-ds-2463-text.pdf

Kleine Anfrage ‘Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz’ (Drs 5/9790):
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=9790&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=-1

Sächsisches Flüchtlingsaufnahmegesetz:
www.landtag.sachsen.de/dokumente/sab/20070625_SaechsFluechtlingsaufnahmegesetz.pdf

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts zum Urteil:
www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg12-056.html

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