Am 28. Dezember warnte der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) vor einer neuen Rekordverschuldung der Kommunen in Sachsen. Jawohl: in Sachsen. Nicht in NRW, wo die Kommunen schon reihenweise tief in der Schuldenfalle stecken. Die Konsolidierungspolitik, für die sich vor allem der sächsische Finanzminister so gern auch mal selber lobt, geht zuallererst auf Kosten der Kommunen.

Mischa Woitschek, Geschäftsführer der SSG, erklärte der Nachrichtenagentur dapd dieser Tage, dass die Ausgaben der Kommunen bis Ende September schon um 145 Millionen Euro über den Einnahmen lagen. Acht Jahre lang hatten sie alle noch die “schwarze Null” geschafft. Doch 2012 haben sich zu viele Ausgaben summiert, die Bund und Land in den letzten Jahren einfach an die niedrigste Verantwortungsebene – die Kommunen – delegiert hatten, aber die Gelder dafür nicht ebenso weitergereicht haben. Zuweisungen nennt sich das. Und hört sich auch jedes Mal harmlos an, wenn etwa Bund und Freistaat ihre “Zuweisungen” absenken.

Woitschek zählte die gestiegenen Anteile der Kommunen für die “Kosten der Unterkunft” auf. Die Kosten für die Lernmittel, die nach dem Gerichtsbeschluss im Sommer fällig werden – schlagen bei den Kommunen mit 31 Millionen Euro zu Buche – der Freistaat übernimmt nur 5 Millionen. Die Pauschale für die Unterbringung von Asylbewerbern, die der Freistaat gewährt, reicht seit Jahren nicht hinten und nicht vorn. Auf den Mehrkosten bleiben die Kommunen sitzen. Und selbst die Personalkosten, die den Kommunen 2008 durch die Übernahme von Personal (und Aufgaben) aus den Landesdirektionen entstanden, hat der Freistaat nicht in voller Höhe gegenfinanziert.

Gerade die Kämmerer in den Kommunen merken, wie sich Bund und Land durch solche oft unscheinbaren “Abzweigungen” aus den Mittelzuweisungen die eigenen Haushalte auspolstern – bei den eigentlichen Aufgabenerbringern aber immer größere Finanzlöcher aufklaffen lassen.

Ab 2013 gäbe es zwar endlich auch wieder höhere Investitionszuweisungen – aber die seien, so Woitschek, längst für so notwendige Vorhaben wie den Schulneubau verplant.

Und in einem Fall dieser landesherrlichen Mittelabzweigungen erwägen die Landkreis mittlerweile Klageerhebung: bei der Verordnung zum ÖPNV, die das sächsische Wirtschaftsministerium Mitte Dezember erlassen hat. Der Sächsische Landkreistag sei von seinen Mitgliedern beauftragt worden, die Aussichten für eine Klage wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Recht auf kommunale Selbstverwaltung zu prüfen, teilt dessen Geschäftsführer André Jacob mit.
Es geht um die Finanzierung der fünf Nahverkehrs-Zweckverbände, die nach Ankündigung des sächsischen Verkehrsministeriums ab 2015 von den vom Bund bereitgestellten Regionalisierungsmitteln sage und schreibe 80 Prozent bekommen sollen. Bislang reicht das Verkehrsministerium nur 74 Prozent der Mittel weiter – mit dem Rest finanziert es zum Beispiel den Schülerverkehr und die Schmalspurbahnen und einen Teil der ÖPNV-Investitionen. Wofür die Gelder aber ursprünglich nicht gedacht waren – das alles sind Landesaufgaben. Die Regionalisierungsmittel sind jene vom Bund gewährten Mittel, mit denen in den Bundesländern der ursprünglich vom Bund direkt finanzierte Regionalverkehr auf der Schiene aufrecht erhalten werden soll.

Das Versprechen eines größeren Anteils ab 2015 ist natürlich nicht mehr als heiße Luft. Denn wirklich entscheidend für die Höhe der Regionalisierungsmittel ab 2015 ist die Finanzierungshöhe des Regionalverkehrs im Jahr 2014, wenn der Bund nämlich die nächste Runde der Regionalisierungsmittel evaluiert. Wenn die Finanzierungshöhe aus dem Doppelhaushalt 2013/2014 die Grundlage bilden sollte, könnte das durchaus bedeuten, dass die versprochenen 80 Prozent auf ein geringeres Finanzvolumen entfallen und die Zweckverbände zwar mehr Prozente, aber trotzdem weniger Geld bekommen.

Logische Folge: Die aufklaffenden Finanzierungslücken müssten dann ebenfalls die Kommunen abfedern. Weil sie das aber nicht können, ist absehbar, dass es weitere Einschnitte beim Schienennahverkehr geben wird.

Woitscheck sieht dann zahlreiche weitere Strecken von Stilllegung bedroht.

Schon im November hatte der SSG die Politik des sächsischen Verkehrsministeriums heftig kritisiert.

Mischa Woitscheck, Geschäftsführer des SSG, sagte dazu: “Mit dem vorliegenden Entwurf inszeniert das Wirtschaftsministerium einmal mehr Potemkinsche Dörfer. Es verteilt an die ÖPNV-Zweckverbände angeblich steigende Regionalisierungsmittel des Bundes, die der Freistaat noch gar nicht hat, weil der Bund diese Mittel 2014 einer Überprüfung unterziehen wird. Mit eigenen Mitteln will sich das Land dagegen nicht mehr am ÖPNV beteiligen. Bleiben die Bundesmittel aus oder werden geringer als vom SMWA prognostiziert, fällt die ÖPNV-Finanzierung wie ein Kartenhaus zusammen. Die von den Landkreisen und Kreisfreien Städten getragenen ÖPNV-Zweckverbände werden jedenfalls das alleinige finanzielle Risiko nicht übernehmen können.”

André Jacob, Geschäftsführer des Sächsischen Landkreistages (SLKT): “Der Freistaat verschiebt jegliche Finanzierungsrisiken auf die Zweckverbände und stellt sich selbst von jeglichem Risiko frei. Man könnte auch sagen, der Freistaat steigt heute noch schnell aus dem bisher gemeinsam von kommunaler und staatlicher Seite gesteuerten Boot aus, da nicht sicher ist, ob es im Jahr 2015 in schwieriges Fahrwasser gerät.”
Die Kritik des SSG als PDF zum download.

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