Johannes Lichdi hat die sächsischen Grünen an einem Nerv getroffen, als er am 10. Februar verkündete, dass er zur Landtagswahl 2014 nicht wieder als Kandidat antreten werde. Er begründete es auch. Und mit der Grünen-Zustimmung zur "Schuldenbremse" und der schwelenden Grün-Schwarzen Perspektive benannte er zwei Punkte, an denen er den Kurs der Fraktionsvorsitzenden Antje Hermenau festmacht. Ein Missverständnis, meint Sachsens Grünen-Chef Volkmar Zschocke.

Der nahm am Mittwoch, 12. Februar, in einem Interview mit der “Freien Presse” Chemnitz Stellung. Und wurde dabei deutlich. Und es war nicht Lichdi, der mit der Überschrift “Eine größere Arroganz kann es gar nicht geben” gemeint war.

Für Lichdi zeigte Zschocke großen Respekt: “Seiner Tiefenschärfe verdanken wir auch, dass andere Parteien wie die Linke aus unserem Programm gern abschreiben. Aber wenn er sich für den Rückzug entscheidet, werden andere in die Aufgaben hineinwachsen”, sagte er, hält aber Lichdis Verdacht auf einen “klaren Schwarz-Grün-Kurs” für einen Irrtum.

“Mag sein, dass das manchmal öffentlich so aussieht durch eine unterstellte Nähe unserer Fraktionschefin Antje Hermenau zur CDU. Wir haben dazu klare Beschlüsse gefasst. Wir Grünen werden nicht als Mehrheitsbeschaffer der CDU zur Verfügung stehen. Unser Ziel ist die Ablösung der CDU-geführten Regierung”, so Zschocke. Aber wie kann dann der öffentliche Eindruck entstehen, dass genau das nicht ausgeschlossen ist? Liegt es nur an der CDU, die schon jetzt auf der Suche nach einem möglichen neuen Koalitionspartner ist, da der FDP ja bei der Landeswahl am 31. August das Nichterreichen der 5-Prozent-Marke droht?

Da wird Zschocke erstaunlich deutlich und geht auf den nur halb gewagten Weg einer echten Demokratisierung in Sachsen ein. 1990 wählten die Sachsen, wie man sich erinnert, ja königlich: Sie wählten mit “König Kurt” die CDU zur stärksten Kraft in Sachsen. Vom Biedenkopf-Effekt zehrt die sächsische CDU bis heute. “Aber wir haben eben in Sachsen keinen wirklichen demokratischen Aufbruch erlebt, hier hat eine DDR-Altpartei nach der Wende die SED abgelöst”, sagt Zschocke. “Die Staatspartei CDU ist gar nicht dazu fähig, mit anderen zusammenzuarbeiten, sie muss mal eine richtige Niederlage erleben. Sie liebäugelt mit uns doch nur, weil sie auf der Suche nach einem gefügigen Koalitionspartner ist.”

Aber die “Freie Presse” wollte trotzdem wissen, woher der Eindruck kommt, dass die sächsischen Grünen (die ja direkt aus dem Bündnis 90 und damit der DDR-Bürgerbewegung hervorgegangen sind) eine Koalition mit der CDU nicht ausschließen. Zschocke sieht auch die linke Konkurrenz dabei am Werk: “Antje Hermenau und ich arbeiten seit vielen Jahren im Team und wir hören auch aufeinander. Wenn hier jemand mit uns fremdelt, dann vielleicht deshalb, weil wir uns als Grüne nicht hinter SPD und Linken anstellen. Deshalb boykottieren sie unseren Gesetzentwurf zur Modernisierung der Sächsischen Verfassung – der übrigens die Handschrift von Johannes Lichdi trägt – und entsenden nicht einmal Experten in die Anhörung. Das ist ein mieser Stil. Gerade Antje Hermenau lässt sich das nicht gefallen, sondern repräsentiert ein grünes Selbstbewusstsein. Wir sind doch keine Verfügungsmasse der anderen Parteien.”

Ablösen könnte die CDU in ihrer Regierungsverantwortung nach 24 Jahren derzeit eigentlich nur ein Bündnis aus Linken, SPD und Grünen. Was übrigens auch SPD-Chef Martin Dulig nicht mehr ganz ausschließt, nachdem die SPD sich gegen so ein Bündnis jahrelang gesperrt hat. Gerade erst hat der Bundesvorstand der SPD diese Option für möglich erklärt – eben weil in einigen ostdeutschen Bundesländern die Linke deutlich mehr Stimmen bekommt als die SPD. Doch der Reflex kam ja prompt, als CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer SPD-Chef Martin Dulig gleich mal “Verrat an der friedlichen Revolution” vorwarf.

So richtig grün wird Zschocke mit dieser selbstherrlichen CDU nicht. Gerade auch weil Sachsens CDU so wild darauf ist, die Kohlepolitik im Land fortzusetzen. Und da fällt der Satz mit der Arroganz: “CDU-Fraktionschef Steffen Flath verkauft eine Prüfung des Braunkohleausstiegs im Jahr 2030 ernsthaft als Zugeständnis an uns. Eine größere Arroganz kann es gar nicht geben.”

Ein Interview, das im Grunde Lichdis Haltung bestätigt. Wer wirklich eine andere Politik im Königreich Sachsen will, der muss sich deutlicher von der Staatspartei abgrenzen. Der kann sich kein Türchen offen halten, nicht mal ein ganz verstecktes. Dazu sind auch die Wähler längst viel zu informiert und vor allem misstrauisch.

Zum Interview in der “Freien Presse”:
www.freiepresse.de/SACHSEN/Eine-groessere-Arroganz-kann-es-gar-nicht-geben-artikel8706498.php

Der “Spiegel” zum SPD-Votum für linke Ministerpräsidenten:
www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-spitze-oeffnet-sich-fuer-linke-ministerpraesidenten-a-952231.html

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