Als der sächsische Wirtschaftsminister einmal mehr von "unkontrolliertem Ausbau" sprach, hakte der Leipziger Landtagsabgeordnete Panter nach und fragte, was denn der Minister damit meine? Es gibt abgestimmte Landesentwicklungspläne, es gibt installierte regionale Planungsverbände, es gibt vom Landtag abgesegnete Klima- und Energieprogramme. Und trotzdem erzeugen die Verlautbarungen der sächsischen FDP, je näher die nächste Landtagswahl rückt, immer mehr das Gefühl, da draußen im Land würden alle möglichen Leute wild drauflosbauen und Windräder überall hin setzen, wo es ihnen gerade einfällt.

So wie Staatsminister Sven Morlok am 25. Februar, als die gemeinsame Bundesratsinitiative von Sachsen und Bayern zur Regelung der Abstandsflächen bei Windanlagen (beschlossen auf ihrer gemeinsamen Kabinettssitzung im Juli 2013) wieder aktuell wurde im Bundesrat.

“Wir begrüßen die Absichten der Bundesregierung, aber wir müssen das Verfahren beschleunigen”, sagte Morlok mit Verweis auf den Vorstoß des SPD-Energieminister Sigmar Gabriel, auf Bundesebene eine Drosselung für den Ausbau regenerativer Energien einzuführen. “Daher steht unsere Initiative im Bundesrat bereits am Donnerstag zur Abstimmung. Wir brauchen schnell wirkungsvolle Instrumente, um den Zubau von Windanlagen zielgerichtet zu steuern und die Bürger vor Wildwuchs zu schützen. Keine Energiewende, ohne die Bürger mitzunehmen.”

Die Initiative ist ja bekanntlich furios gescheitert. Die restlichen 14 Bundesländer sahen sich keineswegs bewegt, die seltsamen Eiertänze der bayerischen und der sächsischen Regierung mitzumachen. Gerade jene Länder nicht, die sich beim Ausbau erneuerbarer Energieanlagen mittlerweile eine gute Basis erarbeitet haben.

“Bürger vor Windanlagen schützen!” hatte das SMWA seine Pressemitteilung überschrieben. Und auch in seiner Antwort an Dirk Panter verweist Morlok auf Berge von Briefen von Bürgern und Bürgerinitiativen, die sich im Wirtschaftsministerium stapeln sollen.

Aber die Antwort Morloks ist erhellend. “Die Gefahr eines ?unkontrollierten Zubaus’ von Windkraftanlagen ergibt sich insbesondere aus dem Baugesetzbuch. Nach § 35 Abs. 1. Nr. 5 BauGB gehören Windkraftanlagen zu den privilegierten und somit zu den erleichtert genehmigungsfähigen Vorhaben”, erklärt er. “Damit besteht für Windkraftanlagen in bauplanungsrechtlicher Hinsicht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn die Erschließung gesichert ist und öffentliche Belange nicht entgegenstehen.”
Gemeinden und Regionalplanungsverbände können den Ausbau einschränken, durch “positive Standortausweisungen” das restliche Planungsgebiet von Windkraftanlagen freizuhalten. Von “unkontrolliert” kann da wirklich keine Rede sein. Wo Gemeinden keine Windräder stehen haben wollen, können auch keine geplant werden.

Und Morlok betont auch noch, dass der Freistaat von Anfang an auf einen “maßvollen und geordneten Zubau von Windkraftanlagen” hingewirkt hat. Seit 2003 ist das im Landesentwicklungsplan festgeschrieben. Ein Ergebnis dessen ist jetzt schon, das Sachsen beim Ausbau erneuerbarer Energien weit hinter anderen Bundesländern hinterher hinkt – auch hinter Bayern. Aber auch weit hinter Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Und wo seit 2003 schon mit “maßvollem und geordnetem Zubau” gegengesteuert wurde, wird seit 2010 deutlich gebremst. Das zeigen dann die Zahlen, die Morlok auf Anfrage von Panter mitliefert.

Wurden 2003, bevor der Landesentwickungsplan seine Wirkung entfaltete, in Sachsen noch 56 Windkraftanlagen errichtet, waren es in den Folgejahren nur noch 38 (2004), 22 (2005), 38 (2006) und 19 im Jahr 2007.

Nach 9 neuen Windkraftanlagen im Jahr 2008 gab es noch einmal einen kleinen Boom in den Jahren 2009 und 2010 mit je 32 Anlagen. Und dann machte sich das Ausbremsen auf Regierungsebene schon deutlich bemerkbar, nachdem 2009 die neue CDU/FDP-Regierung die Weichen neu gestellt hatte. 2011 wurden nur noch 17 Anlagen neu errichtet, 2012 waren es noch 13 und für 2013 stehen noch 8 neue Anlagen in der Liste. Vier davon stehen in Plaußig-Portitz – das sind die Windräder, die sich das BMW-Werk zur Eigenversorgung hingestellt hat.

Von einem “unkontrollierten Ausbau” kann in Sachsen keine Rede sein.
Die komplette Kleine Anfrage als PDF als PDF zum download.

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