Der 1950 geborene Dr. Dietmar Pellmann gehört schon zu den Urgesteinen in der Leipziger Politik. Von 1991 bis 2009 war der Historiker Mitglied des Leipziger Stadtrates, war von 1994 bis 2001 auch Vorsitzender der Leipziger PDS, aus der mittlerweile Die Linke geworden ist. Seit 1999 vertritt er Leipzig im Sächsischen Landtag und ist dort sozialpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Auch er bekam die sieben Fragen der L-IZ zur zu Ende gehenden Wahlperiode.

Welches war aus Ihrer Sicht der größte Erfolg in dieser Legislatur? Und aus welchen Gründen?

Für einen Oppositionspolitiker lassen sich Erfolge nicht daran messen, wie viele Gesetzesentwürfe oder Anträge er durchgesetzt hat. Diesbezüglich wurde von der Regierungskoalition alles abgelehnt. Deshalb bleibt, wie es gelungen ist, die Regierung knallhart zu kontrollieren und Schwachstellen schonungslos aufzudecken. Dabei gelang mir der Nachweis, dass Sachsen hinsichtlich seiner sozialen Standards selbst im Vergleich der neuen Bundesländer bestenfalls Mittelmaß ist. Dass die entsprechende von uns erstellte Analyse Wirkung zeigte, ergibt sich schon daraus, dass sie die Staatsregierung in keiner Weise widerlegen konnte und es vielleicht deshalb auch keine Fachregierungserklärung zur sozialen Lage in Sachsen gegeben hat.

Welches war für Sie die größte Enttäuschung? Und warum?

Als langjähriger Landtagsabgeordneter ist man ja Kummer gewöhnt, lässt sich nicht so leicht aus der Bahn werfen. Dennoch ist enttäuschend, dass die Regierungskoalition wichtige Vorschläge und Interessen von Verbänden und Vereinen machtarrogant ignoriert. So wurde ein von Linken und SPD eingebrachtes Inklusionsgesetz, das von Experten bundesweit als vorbildlich bewertet wurde und an dem Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen mitgeschrieben hatten, von der Landtagsmehrheit abgelehnt, ohne dass dies überzeugend begründet worden wäre.

Welches Projekt hätten Sie gern umgesetzt gesehen? Und warum scheiterte es?

Schon in der 4. Legislaturperiode hatte ich ein Seniorenmitwirkungsgesetz in den Landtag eingebracht. Damals scheiterte das Vorhaben an der Koalition von CDU und SPD, obwohl alle relevanten Interessenvertretungen der Senioren und die Gewerkschaften ein solches Gesetz unbedingt wollten und bei uns mehr als 150 konkrete Vorschläge eingingen. Ich hoffte, dass ein erneuter Anlauf erfolgreich sein könnte, weil nunmehr auch die SPD mit im Boot war und erneut viel Druck aus allen Teilen Sachsens kam. Das Projekt scheiterte erneut, weil die nunmehrige Regierungskoalition zwar bei Podiumsdiskussionen herumeierte, aber letztlich offiziell verkündet wurde, dass ein solches Gesetz nicht nötig wäre, weil in Sachsen ja bereits alles in Ordnung sei.

Welches Projekt müsste in der nächsten Wahlperiode unbedingt angegangen werden? Und: Wäre es bezahlbar?

Die beiden oben genannten Gesetzesvorhaben müssen wieder auf die Tagesordnung. Darüber hinaus brauchen wir dringend ein eigenes Beschäftigungsprogramm des Landes, um benachteiligten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt eine Chance auf eigene sichere Existenz zu bieten und auf Sozialhilfeleistungen verzichten zu können. Insbesondere geht es dabei um Alleinerziehende, um Menschen mit Behinderungen und um benachteiligte Jugendliche.Denken Sie, dass Leipzig im Landtag gut genug vertreten war? Oder ist Leipzig als wachsende Großstadt eher benachteiligt – auch dann, wenn es um die Mittelzuweisungen geht?

Zunächst entscheiden die Parteien selbst darüber, wie unsere Stadt im Landtag vertreten ist. In der abgelaufenen Legislaturperiode waren zumindest bei den derzeitigen demokratischen Oppositionsparteien profilierte Abgeordnete anzutreffen. Ob das in der nächsten Legislaturperiode auch so ist, muss abgewartet werden – erhebliche Zweifel sind jedoch angesagt. Denn bei den Listenparteitagen im Vorfeld wurde Leipzig nicht gerade bevorzugt.

Insgesamt wurde Leipzig, insbesondere gegenüber der Landeshauptstadt, teilweise aber auch gegenüber manch anderer Region erheblich benachteiligt bei der Zuweisung von Landesmitteln. So muss Leipzig jährlich ca. 100 Millionen Euro mehr für Sozialleistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, als Dresden aufwenden, ohne dass es dafür einen Ausgleich geben würde. Seit 1990 gab es stets auch eine Bevorzugung der TU Dresden gegenüber der Leipziger Universität. Aus meiner Sicht war es ein Kardinalfehler, die TU zu einer Volluniversität auszubauen, obwohl es dafür in Dresden überhaupt keine Traditionen gab. Gerade die sächsische Hochschulpolitik ist viel zu sehr an angeblichen Wirtschaftserfordernissen orientiert, was im Umkehrschluss zu einer Vernachlässigung der Geisteswissenschaften, die bekanntlich traditionell in Leipzig beheimatet waren, führt. Die Benachteiligung von Leipzig ist freilich auch auf anderen Gebieten messbar; wir haben daher unter dem Titel “Die ungleichen sächsischen Schwestern” eine detaillierte Analyse vorgelegt, die nach wie vor aktuell ist.

Welches sind aus Ihrer Sicht die dringendsten Probleme für Sachsen?

Fünf Jahre sind rum:

Sieben Fragen an Cornelia Falken, Landtagsabgeordnete von Die Linke

Sieben Fragen an Ronald Pohle, Landtagsmitglied der CDU

Sieben Fragen an Michael Weichert, Landtagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen

Sieben Fragen an Sebastian Gemkow, Landtagsabgeordneter der CDU

Sieben Fragen an Holger Mann, Landtagsabgeordneter der SPD

Sieben Fragen an Christine Clauß, Ministerin für Soziales und Verbraucherschutz

Sieben Fragen an Dirk Panter, Landtagsabgeordneter der SPD

Sieben Fragen an Gisela Kallenbach, Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen

Sieben Fragen an Wolf-Dietrich Rost, Landtagsabgeordneter der CDU

Sieben Fragen an Volker Külow, Landtagsabgeordneter der Partei Die Linke

Sieben Fragen an Robert Clemen, Landtagsabgeordneter der CDU

Zunächst brauchen wir in Sachsen endlich eine Atmosphäre, dass nicht länger selbstherrlich regiert wird, sondern Vorschläge der Opposition ernst genommen und ggf. auch umgesetzt werden. Als Sozialpolitiker liegt mir naturgemäß die Lösung von Problemen am Herzen, die auf mehr soziale Gerechtigkeit zielen. So brauchen wir endlich tragfähige Regierungskonzepte zur Eindämmung von Armut, weil ansonsten vor allem Altersarmut rapide ansteigen wird.

Unbedingt entlastet werden müssen die Kommunen. Es kann nicht länger hingenommen werden, dass der Freistaat seinen vergleichsweise niedrigen Schuldenstand feiert, aber immer mehr Lasten den Kommunen aufgebürdet werden. Deshalb brauchen wir dringend einen gerechten Soziallastenausgleich zwischen den Kommunen, finanziert aus Haushaltsmitteln des Landes.

Haben Sie Vorschläge, wie sie angepackt werden können?

Zunächst bedarf es einer schonungslosen Analyse des Ist-Zustandes, anstatt des bisherigen Regierungskurses der Schönfärberei. Bei den bevorstehenden Haushaltsberatungen müssen mehr Mittel für den gesamten Sozialbereich eingestellt werden, um zunächst wenigstens den Abwärtstrend der letzten Jahre wieder auszugleichen. Dafür sind durchaus auch Mittel vorhanden.

Wenn es etwa um die Erhöhung der den Kommunen zugewiesenen Jugendpauschale geht, ist allein das ein Scheck in die Zukunft, denn rechtzeitige Prävention erspart wesentlich höhere Aufwendungen in der Zukunft. Gleiches gilt für die Ehrenamtsförderung, deren Rahmenbedingungen sich in den letzten Jahren immer mehr verschlechtert haben. Bei alledem muss natürlich die Stimme Sachsens auf Bundesebene hörbarer werden, weil über den größten Teil sozialer Rahmenbedingungen in Berlin entschieden wird.

Website von Dietmar Pellmann: www.dietmar-pellmann.de

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