Es wäre mal wieder eine Chance gewesen, dieses Hochwasser 2013 bei der Reparatur der Schäden wirklich einmal nachhaltig zu denken und auch Gebäude völlig aus ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten herauszunehmen. Aber tatsächlich ist es genau so wie 2002: Der Freistaat reicht die Gelder zur Schadensbeseitigung aus, ohne dabei ein nachhaltiges Schadensvermeidungskonzept zu Grunde zu legen. Verständlich, dass Dr. Jana Pinke enttäuscht ist.

“Wenn es wahrscheinlich ist, dass ein zukünftiges Hochwasser erneut erhebliche Schäden verursacht, werden mit den Fluthilfemitteln auch Maßnahmen ‘zum nachhaltigen Wiederaufbau an anderer Stelle’ gefördert”, liest die Landtagsabgeordnete der Linken aus der Antwort von Umweltminister Frank Kupfer (CDU) heraus, die er jetzt auf ihre Anfrage zur Hochwasserschadensbeseitigung gegeben hat. “Durch die Absiedelung besonders gefährdeter Bereiche könnten Hochwasserschutzmittel gespart und technische Maßnahmen vermieden werden – die Forderung ‘den Flüssen mehr Raum’ könnte wahr werden”, beschreibt sie eine berechtigte Hoffnung, die man nun nach zwei großen Hochwasserereignissen in dichter Folge eigentlich stellen könnte an eine verantwortungsbewusste Landesregierung. Alles, was einfach nicht mehr in den auch amtlich ausgewiesenen Überschwemmungszonen steht, kann auch nicht mehr überschwemmt werden. Eine kluge Staatsregierung würde jede Chance nutzen, um die Betroffenen zu unterstützen, auf sicherem Grund zu siedeln.

Aber, so Jana Pinka: “Die Bilanz fällt indes schwach aus: Nur bei etwa einem Prozent der eingegangenen Anträge auf Fluthilfe wurde ein Wiederaufbau an anderer Stelle begehrt. Von diesen insgesamt 27 Anträgen wurden bislang zehn bewilligt, fünf abgelehnt. Zwölf harren noch ihres behördlichen Bescheids.”

Das Hochwasser 2013 hatte im Freistaat Sachsen immense Schäden verursacht. Insgesamt erhält Sachsen für die “nachhaltige” Beseitigung der Schäden aus der Hochwasserkatastrophe im Juni 2013 rund 1,8 Milliarden Euro aus dem Aufbauhilfefonds des Bundes und der Länder.Doch statt jetzt wirklich umzusteuern und den Betroffenen zu helfen, ihren wertvollen Besitz außerhalb gefährdeter Zonen zu sichern, wird ganz ohne genauere Übersicht wieder ausgeschüttet und Geld verteilt.

“Die Staatsregierung besitzt zudem kaum eine Übersicht über den Stand der privaten Hochwasservorsorge”, stellt Jana Pinka fest. “Überschwemmungsgebiete, definiert als ‘Gebiete, die bis zu einem Hochwasserereignis, wie es statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist, überschwemmt werden’, oder Gebiete, in denen der Schutzgrad noch niedriger liegt, sind kartiert und ausgewiesen. In diesen Gebieten wären eine frühzeitige lokal orientierte Beratung, ein stärkeres Augenmerk auf ergänzende präventive Maßnahmen und gegebenenfalls Umsiedlungen wünschenswert gewesen.”

Ein wenig hat das damit zu tun, dass der Aufbauhilfefonds im Wesentlichen die Wiederherstellung der geschädigten Bausubstanz finanziert und nur in Ausnahmefällen die Schaffung einer Situation, in der bei Hochwasser deutlich weniger Güter und Werte vernichtet werden. Was eben auch zeigt, dass das Thema auch auf Bundesebene noch nicht wirklich begriffen wurde. Man spendiert lieber ein paar Milliarden, um den alten Zustand wieder herzustellen, als die Gelder zu nutzen, das Land weniger verletzbar durch Hochwasserereignisse zu machen. Nur das betroffene Objekt soll in der Regel etwas hochwasserresistenter werden. Aber nicht einmal das wird von den Antragstellern zwingend verlangt. Jedenfalls kann Sachsens Umweltminister dazu keine Aussagen treffen.

Dr. Jana Pinka: “Bauliche geförderte Maßnahmen waren so auszuführen, dass ‘Schäden bei einem erneuten Hochwasserereignis reduziert oder vermieden’ werden. Dennoch kann die Staatsregierung keine belastbare Aussage dazu machen, inwiefern dieses Ziel erreicht wurde oder ob reiner ‘1:1’-Wiederaufbau gefördert wurde. Der Fokus ist allein auf die schnelle und reibungslose Auszahlung der Mittel gelegt worden. An kommende Hochwasserereignisse wurde zu wenig gedacht.”

Irgendwie scheinen die staatlichen Instanzen geradezu im Geld zu schwimmen und sind an nachhaltig sicheren Strukturen gar nicht interessiert. Da bleiben die mahnende Worte Kupfers aus dem Juni 2013 nur schöne Worte, die der Minister mal wieder nicht mit Taten untersetzt hat. Damals sagte Kupfer: “Angesichts der Bilder der letzten Wochen sollte jedem klar sein: Bauen in Überschwemmungsgebieten birgt großes Risiko und wird im Ernstfall zu hohen Sachschäden führen. Außerdem kostet jede Bebauung Retentionsraum. Gemeindeegoismen bei der Schaffung von Wohn- oder Gewerbegebieten sind deshalb absolut fehl am Platze.”

Man darf nicht jede richtige Einsicht dem politischen Tagesgeschäft opfern. Gerade dann, wenn die Einsicht richtig und teuer war.

Die Antwort des Umweltministers als PDF zum Download.

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