Wirken Umweltzonen? Machen Luftreinhaltepläne Sinn? Die Debatte flammt immer wieder auf. Auch Zahlen und Berichte gibt es in unregelmäßigen Abständen immer wieder. Die Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag hat deswegen noch eine letzte große Anfrage vor der Wahl gestartet. Und bekam ein Antwortpaket von 54 Seiten. Auch mit der klaren Aussage. Auch Sachsens Regierung hält die Luftreinhaltepläne für notwendig.

Fünf Städte in Sachsen haben solche Luftreinhaltepläne: neben Leipzig und Dresden auch Chemnitz, Plauen und Görlitz. Eingeführt sämtlich in den Jahren 2008 und 2009, als die diversen Luftmessstationen in diesen Städten deutlich überhöhte Werte bei der Feinstaubkonzentration ermittelten. Was kein Zufall war, denn diese Messstationen wurden natürlich vorwiegend direkt an stark befahrenen Straßen in den Ortschaften aufgestellt. Die Erkenntnis ist ja nicht ganz neu, dass vor allem der Straßenverkehr für eine Erhöhung der Schadstoffbelastung sorgt. Wenn dann noch die räumlichen Bedingungen einen Anstau der Gase begünstigen, gibt es richtig dicke Luft.

So war es auch in Leipzig. Auch in den Folgejahren. 2009 war es dann das Sächsische Umweltministerium, das den damals von Leipzig vorgelegten Luftreinhalteplan nicht für ausreichend befand und vor drohenden Strafzahlungen an die EU warnte. Leipzig packte deshalb noch eine Umweltzone mit in das Maßnahmepaket, die dann 2011 umgesetzt wurde. Mit heftigen Diskussionen in der Stadt. Denn die Einführung der Umweltzone erhöhte den Druck auch auf die Leipziger Gewerbetreibenden deutlich, schnellstmöglich ihren Fahrzeugpark zu modernisieren. Jetzt war die “Grüne Plakette” in der Umweltzone Pflicht.

Drei Jahre später sieht man zwar noch immer etliche Fahrzeuge ohne die grüne Umweltplakette. Aber die Umweltzone scheint dennoch zu fruchten, wie jetzt Umweltminister Frank Kupfer (CDU) in seiner Großen Antwort mitteilt. Dafür gibt es mehrere Anzeichen.

Eines hat 2013, als Leipzig seinen neuesten Bericht zum Luftreinhalteplan vorlegte, Prof. Alfred Wiedensohler vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V. wissenschaftlich belegt: Der Rußanteil innerhalb des gemessenen Feinstaubs ist nach Einführung der Umweltzone um 30 Prozent gesunken.

Denn Feinstaub an sich ist ja ein Gemisch – darin tauchen Staub, Pollen und Reifenabrieb genauso auf wie die tatsächlich krebserregenden Verbrennungsrückstände aus Motoren und Schornsteinen. In seiner Antwort an die Grünen betont Frank Kupfer deshalb auch, dass Sachsen anstrebt, statt der recht großen Korngröße bei PM 10 besser die Partikelklasse PM 2,5 messen zu lassen, weil sie den Anteil an Rußpartikeln in der Luft besser darstellt.

Zumindest liegt Leipzig mit den gemessenen Rußwerten nicht mehr überall an der Spitze in Sachsen. Ausnahme: der hohe Wert von 2,22 Mikrogramm je Kubikmeter Schwarzer Kohlenstoff (BC), 2013 gemessen an der Station Leipzig-Mitte am Hallischen Tor. Bei Elementarem Kohlenstoff hält zwar auch mit 2,61 Mikrogramm je Kubikmeter Leipzig-Mitte die Spitze bei den Messergebnissen in Leipzig. Aber die Bergstraße in Dresden liegt mit 3,87 genauso deutlich drüber wie die Leipziger Straße in Chemnitz mit 3,0. Die Gründe, warum solche Messstellen Spitzenwerte erzielen, werden weiter hinten beim Fragenkomplex zum Stickstoffdioxid noch einmal deutlich – man hat es jedes Mal mit stark befahrenen Hauptstraßen, im Extremfall auch mit Straßenschluchten (wie in der Lützner Straße) oder gar einem stark verkehrsbelasteten Stadtzentrum (Leipzig-Mitte) zu tun.Das wird in Kupfers Antworten nicht explizit aufgeführt – aber es ist ganz unübersehbar die extrem auf die Stadtmitte ausgerichtete Hauptstraßenstruktur in Leipzig, die hier für besonders komplexe Luftbelastungen sorgt. Das Thema Stickstoffdioxid wird ab 2015 wichtig, dann gelten die gesetzten EU-Grenzwerte, die Leipzig in den vergangenen Jahren auch nicht einhalten konnte. Kupfer bestätigt zwar, dass Leipzig deshalb keine Strafzahlungen zu erwarten habe, spricht aber seinerseits eine Erwartung aus: nämlich dass Leipzig alle Maßnahmen aus seinem Luftreinhalteplan umsetzt.

Und da wird’s spannend und teuer. Denn die Einführung der Umweltzone war ja auch deshalb nötig geworden, weil die anderen 49 Maßnahmen nur teilweise oder teilweise auch gar nicht umgesetzt wurden. Der letzte Bericht zum Leipziger Luftreinhalteplan hängt der Antwort von Frank Kupfer mit an. Da wird auch an der Bepunktung sichtbar, wie schwer sich Leipzig mit der Umsetzung tut. Das beginnt bei der finanziellen Untersetzung des Projekts Fassadenbegrünung (Aktion Klettermax), geht bei den fehlenden Geldern für Straßenbäume weiter und hört bei fehlenden Baustellenkontrollen nicht auf. Hinten im Bericht liest man dann das Klagelied vom fehlenden Geld.

Hier steht freilich auch noch der Ersatz der Gasturbinen im Stadtwerke-Kraftwerk in der Eutritzscher Straße. Doch gerade der Punkt wurde umgesetzt. Während das Wegweisungskonzept für den überörtlichen Verkehr genauso in der Sackgasse steckt wie das Projekt “Autoarme Innenstadt”.

Die Umweltzone war also im Grunde nur der Ausweichschritt einer finanziell klammen Kommune.

Andererseits hat sie die Modernisierung der Fahrzeuge in Leipzig ein klein wenig beschleunigt.

Dass viele Leipziger Fahrzeughalter seit 2011 ihre Fahrzeuge ersetzt haben, zeigen zwei Zahlen. Das eine sind die Ausnahmegenehmigungen, die das Leipziger Ordnungsamt ausgereicht hat, um die wirtschaftlichen Folgen der Umweltzone insbesondere für kleine Gewerbetreibende zu lindern. Die Zahl der Ausnahmegenehmigungen sank von 6.856 im Jahr 2011 auf 4.530 im Jahr 2013.

Aber auch die Zahl der Verstöße gegen die Regeln der Umweltzone sank – von 7.309 auf 3.228. Dass der Grund für diese sinkende Zahl eine gesunkene Zahl von Kontrollen sein könnte, verneint der Minister. Ob es 2015 noch Ausnahmeregelungen gibt, ist offen. Frank Kupfer: “Die Ausnahmegenehmigungen enden zum 31. Dezember 2014. Über Fortführung einzelner Ausnahmeregelungen wird derzeit diskutiert.”

Und weil man eine bessere Luft nicht nur durchs Umrüsten von Kraftfahrzeugen erreicht, haben die Grünen nach all den alternativen Verkehrsangeboten gefragt, mit denen ein Verzicht aufs eigene Auto möglich wäre – Radverkehrsförderung zum Beispiel oder CarSharing. Und auch ein Thema brachten sie zur Sprache, das in Leipzig geradezu stiefmütterlich behandelt wird: das Thema Jobticket. Tatsächlich hat hier nur ein einziger Verkehrsverbund nennenswerte Zahlen erreicht – der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO). Er profitiert davon, dass die Staatsregierung in Dresden auch die eigenen Mitarbeiter anhält, mit einem Jobticket zur Arbeit zu kommen. Das hat die Zahl der im VVO verkauften Jobtickets von 1.479 (2011) auf 3.971 (2013) erhöht.

Ein ganzes Stück dahinter kommt dann der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV), zu dem Leipzig gehört, mit 455 Jobtickets im Jahr 2013 (2011: 114).

Ist dann nur die Frage: Kann Leipzig mit den sehr knappen Finanzmitteln, die zur Verfügung stehen, tatsächlich ernsthaft die Luftqualität verbessern? Oder wird die Umweltzone jetzt zu einer Art Dauerausrede dafür, dass man das ganz große Paket nicht hinbekommt?

Reicht denn die Umweltzone überhaupt aus, fragten die Grünen. Frank Kupfer: “Die Leipziger Umweltzone erscheint angesichts der Belastungssituation ausreichend.”

Die Zahlen zeigen eigentlich, dass es nicht ausreicht. Und dass es wohl an den Leipzigern selbst liegt, die Sache zu verändern – indem sie einfach das Verkehrsmittel wechseln.

Also haben die Grünen auch nach dem Modal Split gefragt, also dem Anteil der verschiedenen Verkehrsmittel an den täglichen Wegen der Bürger.

Die peinliche Antwort: Der letzte Modal Split wurde 2008 ermittelt. Auf eine neue Berechnung wartet man seitdem schon mit Hummeln im Hintern. Es könnte durchaus passieren, dass die neuen Zahlen zeigen, dass die Förderpolitik des Freistaats (etwa für Radwege und ÖPNV) schon längst nicht mehr den Bedürfnissen der Bürger entspricht. Denn die Frage steht natürlich über dem ganzen Fragepaket der Grünen: Fühlt sich Sachsens Regierung bemüßigt, den Kommunen genug Geld für eine bessere Luft zur Verfügung zu stellen oder bleibt’s beim alten Getröpfel?

Die Große Anfrage der Grünen-Fraktion als PDF zum Download.

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