Das Statistische Landesamt schreibt: "Früh übt sich, wer ein Meister werden will, das sagen sich möglicherweise immer mehr Eltern in Sachsen und schicken ihre Sprösslinge in eine der über 2.800 Kindertageseinrichtungen oder zu einer Tagesmutti/einem Tagesvati". Am Montag, 29. September, hat das Amt mal wieder ein paar Zahlen zur Bildung und zu den Bildungskosten in Sachsen vorgelegt. Fast könnte man meinen: mit gewisser Absicht. Damit in den Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD nicht wieder mit falschen Zahlen operiert wird.

Denn genau das hat die vergangene Koalition getan. Manchmal ganz offensichtlich, wenn man nur an die Eiertänze um die Lehrerneueinstellungen oder das völlig sinnlose Kürzungsprogramm für Sachsens Hochschulen denkt. Aber mit falschen Zahlen macht man keine gute Politik. Schon gar keine zukunftsfähige.

Man kann sich die Zukunft auch nicht zusammensparen. Denn wenn es um Nachwuchs und Bildung und damit auch die qualifizierten Fachkräfte für Morgen geht, dann muss augenblicklich gehandelt werden.

Das geht bei der Kleinkinderbetreuung los. Auch wenn sich die sächsischen Eltern wohl eher nicht sagen “Früh übt sich, wer ein Meister werden will.” Denn das moderne Arbeitsleben ist kaum noch zu bewerkstelligen, wenn nicht beide Eltern einer Erwerbstätigkeit nachgehen und das Kind (oder die Kinder, manche Eltern wünschen sich ja einen ganzen Schwung davon) während der Arbeitszeit gut betreut werden. Und zur guten Betreuung gehört dann natürlich ein hoher Bildungsanspruch. Da sind Land und Kommunen in der Pflicht. Womit man beim nächsten Mogelthema der vergangenen Koalition wäre: der über Jahre eingefrorenen Kita-Pauschale, mit der das Land einen Teil der Kita-Kosten übernimmt. Auch der fürs Personal. Und da ist auch in den aktuellen Koalitionsverhandlungen ein Wert höchst akut: der Betreuungsschlüssel in den Kindertagesstätten.

Das Statistische Landesamt hat zu all den Zahlen für die Bildung von der Kita bis zur Hochschule eine ganze Broschüre zusammengestellt: “Bildung in Sachsen – Ausgabe 2014 Statistisch betrachtet”. Die wichtigsten Zahlen hat es dann in eine Pressemitteilung noch einmal zusammengefasst und vor allem eins getan: Sie direkt mit den Bundeswerten verglichen. So weit das geht. Aber auch so wird sichtbar, dass sich auf dem Feld einiges getan hat. Zumindest, was die Quantität betrifft.

“2013 gab es in Sachsen über 148.000 betreute Kinder im Alter von unter 6 Jahren, 16 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Weiter erhöht hat sich auch der Anteil der Absolventen von allgemeinbildenden Schulen, die mit Abitur die Schule verlassen. 2013 waren es 28 Prozent. Die Studienanfängerquote in Sachsen (Studienort) liegt mit rund 67 Prozent weit über dem Bundesdurchschnitt von knapp 55 Prozent”, teilt das Statistische Landeamt mit. Im letzten Satzteil aber steckt eine Kröte. Denn die 67 Prozent hören sich nach mehr an, als sie sind.

Denn bundesweit ist nicht nur die Quote der Schulabgänger mit Hochschul-/Fachhochschulreife mit 36,7 Prozent deutlich höher als in Sachsen mit 28,2 Prozent, auch die Studienberechtigtenquote ist deutlich höher. Da kommt Sachsen zwar auf 44,3 Prozent, der bundesdeutsche Wert für 2012 lag aber bei 58,4.Nicht jeder, der berechtigt ist zu studieren, studiert dann auch. Aber wenn von den 44 Prozent Studienberechtigten in Sachsen knapp 67 Prozent auch studieren, sind das auf alle Schulabsolventen gerechnet, dennoch nur 29,6 Prozent. Auf Bundesebene bedeuten 54,6 Prozent Studienanfänger bei 58,4 Prozent Studienberechtigten aber eine Quote von 31,9 Prozent eines Jahrgangs. Der Bundesschnitt liegt also höher. Wobei auch dieser Schnitt eher bescheiden ist. In der EU gibt es einige Länder, die locker einen Wert über 50 Prozent erreichen.

Sachsen ist davon weit, weit entfernt. Obwohl es – einfach von den Kapazitäten her – die besseren Startbedingungen haben sollte: “Die Kinderbetreuungsquote der unter 3-Jährigen lag im März 2013 in Sachsen bei rund 48 Prozent (2006: 34 Prozent) und bundesweit bei 30 Prozent.” Bei den 3- bis 6-Jährigen wird sogar eine Betreuungsquote von 97 Prozent erreicht. Aber eindeutig machen sich da die falschen Finanzierungen bemerkbar: Wenn am Personal und der Integrationsbreite gespart wird, fallen viele Kinder trotzdem durchs Raster. Und das geht ja bekanntlich mit der Einschulung und der Bildungsempfehlung munter weiter. Der Freistaat hat mittlerweile ein regelrechtes Bildungssieb installiert, bei dem an jeder neuen Entscheidungsstufe immer mehr Kinder aussortiert werden – nach unten natürlich.

“Seit dem Schuljahr 2009/10 übersteigt die Zahl der Schulanfänger wieder die der Schulentlassenen”, teilt das Statistische Landesamt noch einen erfreulichen Fakt mit. Und serviert in seiner Statistik gleich die nächste Kröte: “6.900 Euro wurden 2011 in Sachsen an öffentlichen Schulen je Schüler ausgegeben (2005: 5.000 Euro) und bundesweit 6.000 Euro.” So manche Lehrkraft dürfte der gewaltige Sprung von 5.000 auf 6.900 Euro verblüffen, denn es gab ja keine derart üppige Gehaltserhöhung und das Lehrerpersonal ist nur wenig aufgestockt worden. Die Zahl ist ein Fake, auch aus statistischer Sicht, denn sie schmeißt Ausgaben für Personal und Ausstattung mit Investitionsausgaben in einen Topf. Und gerade 2013 ist gekennzeichnet dadurch, dass die sächsische Staatsregierung sich endlich bemüßigt fühlte, mehr Geld für Schulhausbau zur Verfügung zu stellen. Ergebnis: Die Kosten pro Schüler schnellten in erstaunliche Höhen.

Ohne dass sich am Betreuungsverhältnis auch nur die Bohne was geändert hätte. Die Zahl der Schüler stieg zwar von 328.031 auf 335.866, aber die Zahl der Lehrer (die 2011 noch 29.193 betragen hatte), war nur um einen Kleckerbetrag von 28.076 auf 28.189 aufgestockt worden. Und das ist auch nur ein Viertel der Wahrheit.

Denn vollzeitbeschäftigt waren von diesen 28.189 Lehrkräften nur 16.715 – der Rest war in Teilzeit. Und auch das ist nur ein weiteres Puzzle-Stück. Denn nirgendwo im sächsischen Staatsdienst ist das Personal derart überaltert wie in den Schulen: 58 Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer ist 50 Jahre alt und älter. Was dann so ungefähr 16.000 Lehrer und Lehrerinnen ergibt, die in den nächsten 10 Jahren in Rente gehen werden. Nur 6 Prozent der sächsischen Lehrerinnen und Lehrer sind jünger als 40 Jahre.

Und extra für das beratungsresistente Wissenschaftsressort findet man auch alle Daten zu Sachsens Hochschulen. Mit einigen Eiertänzen um das Thema Studienberechtigtenquote und Studienanfängerquote. Und anders als bei der Finanzausstattung für die allgemeinbildenden Schulen operieren die Statistiker hier mit den Grundmitteln pro Studierende, eine wesentlich belastbarere Größe. 6.400 Euro je Studierenden gab Sachsen 2011 aus – der Bundesschnitt lag mit 6.800 Euro etwas höher. Trotzdem lag die Betreuungsrelation in Sachsen mit 14,1 Studierenden je wissenschaftliche Fachkraft sogar günstiger als im Bundesschnitt, wo es 16,1 Studierende auf eine wissenschaftliche Fachkraft waren.

Was aber weniger mit der nur scheinbar üppigen Finanzausstattung für Sachsens Hochschulen zu tun hat, sondern eine Menge mit der Tatsache, dass bundesweit die Studierendenzahlen um satte 25,9 Prozent gegenüber 2005 angestiegen waren. In Sachsen stiegen sie nur um 5,2 Prozent. Eine Menge Studienanfänger in westdeutschen Bundesländern bevorzugten also augenscheinlich die eigenen überfüllten Hochschulen. Oder wurden in Sachsen schlichtweg abgelehnt, weil die Universitäten und Hochschulen mehr Erstsemester gar nicht verkraftet hätten.

Die Pressemitteilung mit einigen Zahlen: www.statistik.sachsen.de/download/200_MI_2014/MI-20214.pdf

Die 40-Seiten-Broschüre “Bildung in Sachsen”: www.statistik.sachsen.de/download/300_Voe-Faltblatt/SB_Bildung_2014.pdf

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