Ziemlich euphorisch freute sich Christian Piwarz, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, am Mittwoch, 5. September, über die neuesten Umfragergebnisse zu künftigen Verhältnissen im Sächsischen Landtag, die die Bild-Zeitung veröffentlichte. Die hat – ein Jahr nach der letzten Umfrage – das Institut INSA 1.003 Sachsen befragen lassen, wie sie denn wählen würden, wenn am Sonntag Landtagswahlen wären.

Sind aber nicht. Die nächsten sind erst wieder 2019 geplant.

Wenn jetzt Wahlen wären, würde sich aus Piwarz’ Sicht eigentlich gar nichts ändern. Die CDU würde einfach weiterregieren wie gehabt.

„Die aktuellen Umfrageergebnisse sind eine Momentaufnahme, die allerdings bestätigen, dass die konservative Politik der Sächsischen Union anerkannt wird“, meint der Abgeordnete. „Wir sehen das Ergebnis als Aufforderung, weiter die anstehenden Themen und Probleme im Interesse der Menschen im Freistaat Sachsen anzugehen. Die CDU wird weiterhin ihren verlässlichen, konservativen und bürgernahen Weg beschreiten.“

Nichtsdestotrotz müsse die CDU mehr denn je ihren Willen zur Verbesserung, ihre Bereitschaft zu Diskussion und ihr Ringen um die besten politischen Lösungen für die Zukunft Sachsens unter Beweis stellen, schiebt er noch nach. Was schon ein ungewöhnliches Eingeständnis ist nach 26 Jahren Dauerregieren der CDU in Sachsen. Hat die Regierung nicht eben gerade beschworen, wie vorbildhaft ihre Politik immer war?

Aber man hat in der CDU-Fraktion auch registriert, dass sich neben den scheinbar unveränderten Ergebnissen der Parteien, die schon länger im Landtag vertreten sind, der Wert für die AfD dramatisch erhöht hat.

Mit Blick auf das Abschneiden der AfD, die ihren Stimmenanteil verdoppeln könnte, und den jüngsten Forderungen, sie als Koalitionspartner in Betracht zu ziehen, erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Georg-Ludwig von Breitenbuch: „Die AfD ist eine Partei, die keinerlei Lösungen bietet, jedoch Ängste schürt und einen Keil durch die Gesellschaft treibt. Eine Partei, die jeden politischen Anstand vermissen lässt, ist kein Partner für Christdemokraten – gerade wenn ein Feindbild der AfD die Bundeskanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel ist.“

Das AfD-Ergebnis frappiert natürlich. Denn während der CDU 37,5 Prozent vorausgesagt werden (Landtagswahl 2014: 39,4 %), und der SPD 13 Prozent (12,4 %), den Grünen 6 Prozent (5,7 %) und der Linken 16 Prozent (18,9 Prozent), würde das Ergebnis der AfD von 9,7 auf 21,5 Prozent hochschnellen, einen ähnlichen Wert wie schon in Sachsen-Anhalt (24,3 %) und Mecklenburg-Vorpommern (20,8 Prozent). Wo kämen auf einmal diese Stimmzuwächse her?

Zum Teil natürlich aus dem großen dunklen Bereich der Nichtwähler, die in solchen Umfragen einfach nicht vorkommen. Auch deshalb nicht, weil eine Äußerung am Telefon noch kein verbindlicher Schritt ins Wahllokal ist. Andererseits ist die sächsische AfD gerade dabei, die rechtsradikale NPD völlig zu marginalisieren, der nach Wahlergebnissen von 9,2 Prozent im Jahr 2004 und 5,6 Prozent im Jahr 2009 im letzten Wahljahr 2014 nur noch 4,9 Prozent gelangen, womit sie wieder raus war aus dem Landtag. Jetzt scheinen nur noch 1,5 Prozent der Sachen die rechtsradikale Partei wählen zu wollen.

Marginalisiert ist aber auch die FDP, die 2009 noch 10 Prozent erreichte, 2014 aber mit 3,8 Prozent ebenfalls den Landtag wieder verlassen musste und jetzt mit 2 Prozent gehandelt wird. Und auch bei der Linkspartei holt die AfD Prozente, die vor allem unter der Überalterung ihrer Wählerschaft leidet und noch nicht wirklich bei jungen Wählern punkten kann.

Das Problem, das Piwarz jedenfalls noch nicht gesehen hat, ist dann wieder die Frage einer stabilen Regierungsbildung. Für CDU/SPD dürfte es derzeit knapper werden als noch 2014. Und ein Weiterso tut auch der CDU nicht gut. Denn tatsächlich schmilzt auch ihre Wählerschaft seit Jahren. Und das Erstarken der AfD erzählt auch in Sachsen von einem zunehmenden Unmut in der bürgerlichen Mitte, genau jenem Klientel, das die CDU mit ihren konservativen Angeboten eigentlich immer umworben hat, das sich jetzt aber zusehends radikalisiert, nicht nur als schimpfende Grauhaarige auf Dresdener Straßen und Plätzen. Der hohe Zuspruchswert für die AfD spricht eben gerade dafür, dass die Hardliner-Politik in Sachsen keinesfalls die Wählerbasis der CDU stärkt, sondern deutlich härtere Positionen im rechten Spektrum salon- oder stubenfähig macht.

Vielleicht sollte die CDU tatsächlich einhalten und einmal nachdenken darüber, welche Rolle sie tatsächlich in der aufgeheizten politischen Landschaft spielt, und dass die Erkenntnis allein, dass die AfD „die Bundeskanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel“ zu ihrem Feindbild erkoren hat, nicht ausreicht. Da wird die beste Frau in dieser Partei permanent angegriffen – aber wirkliche Schützenhilfe aus Sachsen hat sie bislang nicht bekommen. Da herrscht tatsächlich Schweigen im Wald.

Und wenn Piwarz das Befragungsergebnis als Ansporn sieht, „weiter die anstehenden Themen und Probleme im Interesse der Menschen im Freistaat Sachsen anzugehen“, dann sagt das eigentlich alles über die sächsische CDU. Man sieht die Abgeordneten und Minister regelrecht vor sich, wie sie gravitätisch um die „Themen und Probleme“ herumprozessieren und bedächtig nicken. Getan ist nichts. Es brennt bei Polizei, Schule, Investitionen. Keiner traut sich. Alle schauen auf Hannemann im gelben Wams, vielleicht traut er sich ja, die Probleme vorsichtig anzugehen. Das kann man eine verlässliche Politik nennen. Aber nur, wenn man keine mutigen Lösungen mehr erwartet.

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