Ein Winter kann sehr teuer werden in Sachsen. Auf mehrfache Weise, wie der Grünen-Abgeordnete Wolfram Günther nun mit einer Anfrage an die Staatsregierung herausgefunden hat. Mit dem Streusalz fängt es an, das auf sächsischen Staats- und Bundesstraßen schnell mal 5 bis 6 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt verzehrt. In schneereichen Wintern können es auch 17 Millionen sein.

Auch wenn Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) darauf verweist, dass die Winterdienste mit besserer Technik und sparsamerem Salzeinsatz unterwegs sind, erschrecken den umweltpolitischen Sprecher der Grünen die Zahlen trotzdem. Denn das Salz sorgt ja nicht nur für eine eisfreie Fahrbahn – über die Fahrbahnränder gelangt es in den Boden und schädigt zuallererst die Straßenbäume.

Und auch die Einsatzmengen von Streusalz deuten darauf hin, dass Sachsen nach wie vor stark auf Tausalz zur Abstumpfung der Straßen im Winter setzt. Im Grunde wird es immer parallel bei der Schneeberäumung der Straßen mit eingesetzt.

„Auch wenn alle bei winterlichen Wetterverhältnissen sicher mit dem Auto unterwegs sein sollen: Der hohe Einsatz von Streusalz bleibt nicht ohne Folgen für Mensch und Natur“, kommentiert Wolfram Günther die von Dulig vorgelegten Zahlen. „Insgesamt 383.000 Tonnen Auftausalze wurden in den letzten fünf Wintern auf sächsischen Bundes- und Staatsstraßen ausgebracht und belasteten mit über 41 Millionen Euro den öffentlichen Haushalt. Hinzu kommen die Kosten für Fällung und Nachpflanzung von geschädigten Bäumen und die Sanierung der Straßenschäden.“

Für die straßenbegleitenden Alleebäume bedeute das eine ernstzunehmende Bedrohung.

Günther: „Durch den Einsatz von Tausalz werden jeden Winter unwiderrufliche Schäden an den Bäumen angerichtet.“

Er verweist auf Berechnungen der Alleenschutzgemeinschaft, wonach deutschlandweit auf Bundesstraßen rund 9 kg Tausalz pro laufendem Meter ausgebracht wurden.

„In Sachsen war dieser Wert in den letzten Jahren deutlich höher“, kritisiert der Abgeordnete. „Im Durchschnitt wurden je Wintersaison in den letzten fünf Jahren mindestens 10,5 kg pro laufendem Meter Bundesstraße in Sachsen ausgebracht. Das bedeutet, dass auf dem Bankett beidseits der Straße pro laufendem Meter mehr als 5 kg Salz gelandet sind.“

Und zwar trotz der von Dulig beschworenen Sparsamkeit beim Einsatz.

„Die Gehölze am Straßenrand nehmen das Salz auf, wachsen deshalb langsamer, verlieren schneller ihre Blätter oder sterben ganz ab. Hauptproblem dabei sind Wurzelschäden. Die Bäume leiden im folgenden Sommer akut an Wasser- und Nährstoffmangel. Der schleichende Tod vieler Straßenbäume ist daher programmiert“, benennt Günther die Folgen. Immerhin hat er in der letzten Zeit auch immer wieder nach Baumpflanzungen an sächsischen Staats- und Bundesstraßen gefragt. „Es ist bezeichnend, dass von den ca. 257.000 Bäumen, die noch 2010 an sächsischen Bundes- und Staatsstraßen standen, bis Ende 2015 45.000 Bäume gefällt wurden. Das bedeutet, dass 17,5 Prozent des Gesamtbestandes dieser Bäume innerhalb von sechs Jahren gefällt wurden.“

Und daran seien wohl keine verunfallten Autofahrer oder zu viele Abgase schuld. Mit dem massiven Einsatz von Tausalzen würde wohl die Landesregierung selbst dafür sorgen, dass tausende Straßenbäume geschädigt werden.

Wolfram Günther: „Für mich ist klar, dass Baumschädigungen durch die massive Nutzung von Auftausalzen im Winter eine Mitursache für diesen großen Verlust sind. Übrigens wurde zu meinem Entsetzen nicht einmal die Hälfte dieser gefällten Bäume ersetzt.“

Wie auch? Der Freistaat hat so eine hohe Verlustrate an Straßenbäumen ja nicht einmal eingeplant. Augenscheinlich gibt man lieber viel Geld für Salz aus, das die Straßenbäume massiv schädigt, als ein ausreichend untersetztes Pflanzprogramm für Bäume aufzulegen. Und das Salz bleibt ja nicht im Boden. Mit dem Tauwasser wird es weitergeschwemmt.

„Zusätzlich werden durch die erhöhte Versalzung unsere Flüsse und Bäche beeinträchtigt“, erläutert Günther. „Dabei ist unser Grundwasser ohnehin schon stark belastet, z. B. durch Nitrate – wie wir nicht erst seit der Klage der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland wissen.“

„Weniger ist mehr“, fordert deshalb der Abgeordnete. „Das gilt auch für den Einsatz von Streusalz auf Sachsens Straßen. Wo durch das massive Ausbringen von Auftausalzen und den Verzicht auf mechanische Reinigung Personalkosten eingespart werden, folgen die Kosten für die Beseitigung der Schäden bei Straßen, Brücken, Straßengrün und Autos auf dem Fuß. Die Straßenschäden wären geringer, wenn weniger Salz gestreut wird.“

Und dann benennt er ein Thema, das ebenfalls zusätzliche Millionenkosten verursacht: Brücken aus Stahlbeton rosten durch Salz schneller. Auf den Straßen, aber auch in Steinbrücken erzeugt Salz Spannungsrisse. Weniger Salz entlaste demzufolge die öffentlichen Kassen zweifach: beim Kauf von Streugut und beim Flicken der Schlaglöcher.

„Wir wollen den hohen Standard bei der Verkehrssicherheit nicht herabsetzen. Wir fordern aber, dass Sachsens Staatsregierung die Empfehlungen des Umweltbundesamtes und des Bundesumweltministeriums zu Streusalzeinsätzen beachtet. Der Salzeinsatz sollte ultima ratio sein und nicht die bequeme Alternative zur Erfüllung des Winterdienstes auf sächsischen Verkehrsflächen“, stellt der Abgeordnete fest. Denn Dulig hatte ja angegeben, dass der Einsatz von Salz stets gleich beim Beräumen der Straßen mit Schneepflügen erfolgt. Quasi nach dem Motto: Doppelt hält besser.

„An vielen Stellen sind Winterdienst mit mechanischer Schneeräumung, die Förderung von Windschutzhecken und Schneezäunen in der freien Landschaft oder im Einzelfall auch temporäre Geschwindigkeitsreduzierungen mögliche Alternativen“, sagt der Abgeordnete und verweist auf Vorbilder: „Andere schneereiche Länder machen es vor: In Finnland, der Slowakei und Österreich wird weniger Salz gestreut als in Deutschland. Dort setzt man auf häufigere Schneeräumung mit anschließendem Aufstreuen von abstumpfenden Stoffen, angepasste Fahrweise und Geschwindigkeitsreduzierungen. Nur an steilen oder unübersichtlichen Stellen wird dort Salz gestreut.“

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