Nicht nur die desaströse „Polizeireform 2020“ fällt in die Regierungszeit von CDU und FDP. 2011 legte die Koalition ein Standortekonzept vor, das ab 2022 Einsparungen von über 280 Millionen Euro jedes Jahr in den sächsischen Haushalt spülen sollte. Doch schon damals stand die Rechnung auf tönernen Füßen. Und seitdem drückt sich die Regierung um eine klare Kostenaufnahme. Jetzt haken die Grünen nach.

Denn zwei Mal schon ist der Sächsische Rechnungshof auf die Kosten zum Standortegesetz eingegangen und hatte sehr deutlich festgestellt, dass sich die Zahlen von 2011 eigentlich längst als heiße Luft entpuppt haben. Schon damals war eigentlich klar, dass die versprochenen Einsparungen, mit denen sich der Neubau zahlreicher neuer staatlicher Behörden (SAB, Rechnungshof, Justizvollzugsanstalten usw.) quasi selber tragen sollte, nur zu erreichen wäre, wenn man das Landespersonal gleichzeitig um 14.000 Bedienstete abspeckte. Allein bis 2021 sollten 841 Millionen Euro eingespart werden. Eine Zahl, die durch ihre Genauigkeit verblüffte: Wie berechnet man so etwas, wenn man noch nicht einmal die Baukosten kennt? Oder weiß, wie teuer das Personal tatsächlich wird?

Aber längst ist klar, dass Sachsen sein Landespersonal schon 2009 auf das Knappeste zusammengespart hatte. Da war schlicht kein Puffer mehr. Alles, was seitdem gestrichen wurde, hat die Arbeitsfähigkeit des Landes massiv beschädigt – von den fehlenden Lehrern über die fehlenden Polizisten bis hin zu fehlenden Richtern und Justizvollzugsbeamten. Hätte Sachsen 2009 ein belastbares Personalkonzept erstellt, wäre das offenkundig geworden.

Es gibt bis heute keins. Und das Schablonendenken beherrscht heute mindestens noch einen Minister: Finanzminister Georg Unland, der den Bürgern immer wieder suggeriert, ein Land wie Sachsen wäre mit 70.000 Bediensteten noch zu verwalten. Aber das Standortegesetz versprach ja auch massive Kosteneinsparungen durch neue Behördenbauten an neuen Standorten.

Nur: Dafür fehlten 2011 fast überall die belastbaren Investitionszahlen. Auch das monierte der Rechnungshof, ohne dass die Staatsregierung sich bemüßigt fühlte, das Konzept endlich auf den Prüfstand zu stellen. In ihrem Antrag listen die Grünen das Wichtigste auf, was mittlerweile an kritischen Punkten zum Standortegesetz bekannt wurde:

Insgesamt sollten sich die Kosten des Standortkonzepts auf rund 309 Millionen Euro belaufen. Eine Zahl, die der Rechnungshof schon im Jahresbericht 2014 beanstandete. Denn die Zahl suggerierte eine Detailgenauigkeit, die die Staatsregierung bis heute nicht bieten kann.

„Im November 2014 forderte die Antragstellerin die Staatsregierung mit dem Antrag ‚Aktualisierte Kosten-Nutzen-Bilanz zur Umsetzung des Standortkonzepts unverzüglich vorlegen‘ (Drs. 6/363) auf, die tatsächlichen Kosten des Standortkonzepts zu ermitteln und den Landtag darüber zu unterrichten sowie erarbeitete Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Feinkonzepte beizufügen. Der Antrag wurde abgelehnt. Eine Aktualisierung der Gesamtkosten des Standortkonzepts erachtete die Staatsregierung für nicht erforderlich“, stellen die Grünen fest. Dabei liefen die Kosten schon 2014 aus dem Ruder.

Die Staatsregierung will augenscheinlich nicht, dass die Kosten dieses Riesen-Umzugs-Projektes tatsächlich bekannt werden.

„Im Jahresbericht des Rechnungshofs 2016 wurde eine Prüfung der Kosten für die Unterbringung der Gerichte und Staatsanwaltschaften vorgenommen. Im Ergebnis stellt der Rechnungshof fest, dass die Kosten-Nutzen-Bilanz zum Standortkonzept unvollständig sei, da insbesondere die Kosten für die Errichtung der Justizvollzugsanstalten fehlten. Zudem sei bei den Baukosten für die Unterbringung von Gerichten und Staatsanwaltschaften mit einer Steigerung von rund 13 Millionen Euro (22 %) zu rechnen“, stellen die Grünen fest. „Trotz mehrfacher Nachfrage hätten sowohl das Innenressort als auch das Justizressort keine Berechnungen der Personalkosteneinsparungen vorlegen können.“

Der Rechnungshof resümierte damals: „Es ist nicht zu erkennen, dass die Strukturreform im Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften die Voraussetzungen für den erheblichen Personalabbau (Kosteneinsparungen) schaffen kann. Im Gegenteil, es fanden bisher kaum organisatorische/räumliche Veränderungen in den neu strukturierten Gerichten statt. Auch fand der SRH keine eindeutigen positiven Wirkungen hinsichtlich einer effizienteren Arbeitserledigung in den neu strukturierten Gerichten. Zudem wurde der Stellenabbau der Jahre 2013 und 2014 zu 100 % aus Referendarstellen erbracht, die in keinem Zusammenhang mit den Strukturmaßnahmen des Standortgesetzes stehen.“

Für den Justizbereich war das Gesetz also eine echte Luftnummer.

Und dann gibt es ja noch den schönen Neubau für die Sächsische Aufbaubank in Leipzig: „Anfang des Jahres 2017 teilte die Staatsregierung auf mehrere Kleine Anfragen der Abgeordneten Wolfram Günther und Valentin Lippmann hin mit, dass allein für die Unterbringung der Sächsischen Aufbaubank in Leipzig mit Kosten in Höhe von 110 Millionen Euro zu rechnen sei. Diese Kosten wurden bei der Gesamtübersicht über die Kosten 2011 gar nicht ausgewiesen.“

Da waren es also schon über 400 Millionen.

„Auch für die (Neu-)Unterbringung der Finanzämter liegen die Kostenfeststellungen bzw. –schätzungen mittlerweile 27 % über den Schätzungen aus 2011. Ähnliche Kostensteigerungen sind durch das Standortkonzept im Bereich des Ministeriums für Umwelt- und Landwirtschaft und des Rechnungshofs zu erwarten.“

Damit werden wohl mindestens 500 Millionen verbaut. Ohne dass hinterher etwas eingespart werden kann außer vielleicht ein paar Heizkosten.

Und die Gegenrechnung mit dem eingesparten Personal, das die Sache 2011 erst so richtig effizient erscheinen ließ?

„Anders noch als 2011 geht die Staatsregierung heute nicht mehr von einem Stellenabbauziel von 70.000 Landesbediensteten im Jahr 2020 aus. Die 2011 aufgeführten Einsparungen im Bereich des Personals, mit denen sich die erwarteten Baukosten aufgrund des Standortkonzepts amortisieren sollten, bleiben daher ebenfalls aus.“

Glücklicherweise, muss man sagen. Der Staatsdienst hätte diese Personalschrumpfung nicht ausgehalten. Übrig bleibt also ein großer Umzugszirkus für diverse Landesbehörden, die in neu gebaute Gebäude an neuen Standorten ziehen werden.

Wahrscheinlich wird die endgültige Bausumme für alle diese Gebäude am Ende noch deutlich über 500 Millionen Euro liegen, denn für die meisten Bauten hat die Regierung bislang keine endgültigen Kostensätze bekannt gegeben.

Die Grünen in ihrem Antrag: „Leider werden die Kostenfeststellungen bzw. -schätzungen im Zusammenhang mit dem Standortkonzept nach wie vor unvollständig dargestellt. Wie bereits im erwähnten Antrag ausgeführt, hat die Antragstellerin die Befürchtung, dass die Investitionsausgaben auch in anderen Ressorts, welche vom Standortkonzept betroffen sind, nicht richtig ermittelt und dem Landtag nicht vollständig mitgeteilt wurden bzw. inzwischen stärker als veranschlagt angestiegen sind. Da sich die Staatsregierung weigert, eine umfassende aktualisierte Kosten-Nutzen-Analyse des Standortkonzepts vorzunehmen, richtet sich dieser Antrag an den Rechnungshof.“

Vielleicht dürfen ja die Rechnungsprüfer beziffern, was sich die Landesregierung weigert, mit Zahlen zu untersetzen.

Was schon verblüfft, aber für Sachsen gar nicht neu ist. Man beschließt großartig angekündigte Gesetze, mit denen den Bürgern Millionen an Einsparungen verkündet werden (ohne auch nur einen Gedanken auf die negativen Folgen zu verschwenden), weigert sich dann aber auch sechs Jahre danach, die tatsächlichen Kosten zu ermitteln und den Bürgern reinen Wein einzuschenken. So bleibt einer der größten Posten im sächsischen Haushalt nebulös. Aber vielleicht ist das ja beabsichtigt. Wer gibt gern zu, dass er eigentlich ziemlich großen Murks beschlossen hat mit Geld, das in anderen Landesbereichen viel dringender gebraucht wird?

Der Grünen-Antrag. Drs. 9924

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