Da kennt einer einen und vermittelt dann weiter und so geschieht es, dass der Sportmuffel Tanner Zeit findet, Fragen zu stellen an Menschen, die mit Sport weit mehr am Hut haben. Geschehen über einen Freund eines Freundes und dessen Schwager seine Cousine, welche - aber das würde jetzt zu weit führen. Tanner traf jedenfalls Mathias Naumann, den Vize-Präsidenten vom SV Schleußig 1990 e.V. - und es wurde äußerst unterhaltsam.

Tag auch Mathias Naumann. Du bist der VizePräsi vom SV Schleußig 1990 – unser beider Freund Daniel Richter hat uns vermittelt – was macht man denn als VizePräsi so den ganzen Tag? Bei Werner hat der VizePräsi immer den Bölkstoff geholt. Du bist aber eher ein Sportmann als ein Trinkmann, denk ich mal.

Guten Abend Volly Tanner. Heißt Du eigentlich tatsächlich Volly? Na ja, das mit dem Sportsmann ist so eine Sache. Aber auch so eine Art Klassiker. Als Spielervater seit sieben Jahren beim SVS, auch mal Co-Trainer, mal zwei Turniere organisiert, dann vor drei Jahren nicht “Nö” sagen können und im Vorstand “gelandet”…

Tagsüber macht der VizePräsi was ganz Unsportliches, nämlich arbeiten gehen. Irgendwie ist da ja der Irrtum nicht unverbreitet, dass Sportvereine sicher irgendwas Städtisches sind und jemand, der was im Vorstand macht, sicher da auch was von hat. Hat er auch, geht aber mehr in Richtung der “pawlowschen Pyramide”. Ist wie bei 99 % der cirka 70 Fußballvereine in Leipzig alles Ehrenamt.

Und als solches, in der Zeit, die verbleibt: organisieren, sich beraten und beraten lassen, Verbandssitzungen, Pläne schmieden und aufschreiben, mit Menschen sprechen (auch mal übers Web), auch mal träumen… Und dann versuchen wir da noch ein Zukunftsprojekt mit der benachbarten “Leipzig International School”. Was daraus wird muss man abwarten. Nichts Spruchreifes. Außer aktuell der Schulsport bei uns. Eigentlich bin ich der Nachwuchsleiter beim SVS und jetzt “nur” als VizePräsi aus organisatorischen Gründen nachgerückt und letzten Montag von der  Mitgliederversammlung bestätigt.

Was drücken Euch denn beim SV Schleußig 1990 gerade für Sorgen? Lass mal ab, Mathias.

Oh, das soll wohl jetzt doch eine längere Geschichte werden? Aber weißt Du, im Grunde genommen ist Sorgen gar nicht der richtige Ausdruck. Wir alle machen das ja freiwillig und könnten es auch lassen. Wollen wir aber nicht. Deshalb sind es eher zwei Hauptthemen, wie wohl bei allen Vereinen. Das erste hat was mit Menschen zu tun und das zweite natürlich mit Geld.

Kannst Du das etwas genauer ausführen?

Wir sind eigentlich ein sehr nachwuchslastiger Verein, hatten aber vor drei Jahren nur noch drei Nachwuchs-Mannschaften am Laufen (F,E,D) und verfolgen jetzt den wahnwitzigen Plan, nächstes Jahr erstmals wieder von den Bambinis bis zur A anzutreten. Bei den B-Junioren sind wir immerhin schon angekommen und haben nun neun Nachwuchsteams im Spielbetrieb. Die drei wichtigsten Dinge im ehrenamtlich geführten Nachwuchssport sind? Richtig: 1. Trainer, 2. Trainer und 3. – voriges Jahr hab ich noch Trainer gesagt – Kontinuität.

Nun wandelt sich unsere Gesellschaft aber leider, und mit leider ist eine schwindende Bereitschaft gemeint, den Schritt zu tun, seine sportlichen Ambitionen mit einem Ehrenamt als Trainer zu verbinden. Zweimal Training die Woche und am Wochenende oft früh raus. Die meisten scheuen sich, die Erfahrung zu machen, wie toll das sein kann. Und das meine ich ernst. Als Verein, dessen Ziel es ist, dass es allen wirklich Spaß machen soll, möchten wir alle Teams mit mindestens zwei Betreuern abdecken. Man muss ja auch mal nicht können können ohne dass jemand schlechte Laune bekommt. Und das ist eben ziemlich schwierig, weil – da kommt was zusammen… Vor allem wenn man wächst.

Du erwähntest noch einen zweiten drückenden Schuh.

Ja, genau, das mit dem Geld? Hmm, ist zweigleisig. Zum einen scheint … nennen wir es die Politik … von ihren ehrenamtlichen Vereinen zu erwarten, dass es ja die Vorstände sind, die Sportanlagen (die letztendlich Teil einer Stadt sind) betreiben wollen und stattet diese mit finanziellen Mitteln aus, die deutlich zu gering sind, irgendetwas zu bewegen. Höchstens gerade zu überleben. Die Geschichte ist hinlänglich bekannt. Ende der 90iger gab es da eine Änderung bei der Finanzierung der notwendigen Platzwarte (Platzpflege) und seitdem kämpft in dieser Stadt jeder Verein am Rande des Existenzminimums. Oder bereits darunter. Kann man ja im Ehrenamt auch in seiner Freizeit mit abdecken.

Zum Zweiten das daraus folgende Thema Sponsoring. Aber auch das ist … gut, nennen wir es eine Aufgabe, die wir nicht zufriedenstellend bewältigen. ABER: Hier wird nicht gemeckert, hier wird trotzdem geklotzt. Glücklicherweise haben wir eine unglaublich professionelle Schatzmeisterin, die das Wenige zusammenhält. Manchmal träume ich davon, dass sie eine Fee ist und daraus mehr macht. Halt!! Ich habe noch etwas Drittes (Am Ende bist DU doch eine Fee und ich hab drei Wünsche frei! Hört man ja. Sind immer drei. Obwohl. Ne Fee, die Volly heißt? Nee, die heißen doch immer Elvira oder so. Wir brauchen DRINGEND!! und zwar ganz DRINGEND! eine Erweiterung unserer Flutlichtanlage. Zurzeit geht bei uns ab Oktober nur noch Training auf einem halben Platz (von 2) und das bei (mit Männer) 11 Teams.

Interessant ist ja auch immer die Mitgliederstruktur eines Sportvereins. Beim Tennis sind’s so Weißröckchenträgerinnen und Töchter – wer ist denn bei Euch so mit im Boot?

Fußball verbindet, ist sich Mathias Naumann überzeugt. Foto: privat
Fußball verbindet, ist sich Mathias Naumann überzeugt. Foto: privat

Wow. Über die Frage habe ich ja noch nie nachgedacht. Weißröckchenträgerinnen?! Töchter haben wir, aber die spielen bei uns fast ausschließlich Fußball und tragen dabei Hosen. In gemischten Nachwuchsmannschaften. Und seit zwei Jahren in einer Frauen-Freizeit-Fußballmannschaft. Mal schauen, wie sich der Bereich entwickelt. Ansonsten sind von unseren cirka 270 Mitgliedern 20 im Tennis aktiv. Cirka 170 Nachwuchskicker. Auszurechnen, wie viel für unsere beiden Fußball-Männer-Teams übrig bleiben, überlasse ich dem geneigten Leser und Dir. Achtung hoher Schwierigkeitsgrad: von den 270 muss man cirka 30 für Trainer und Vorstand und so abziehen.

Ich hörte von fulminanten Highlights im Jahr 2015. Kannst Du schon ein paar Eckdaten rauslassen?

Also, werter Volly! Im Fußball spricht man nicht von Jahren, sondern von einer Saison! Und danke für das “fulminant”. Aber für uns intern hast Du schon Recht. Unsere Bambinis sind komplett der Hammer! Und zwar völlig komplett! Aktueller Stadtmeister im Freien und in der Halle! Und das jeweils nach Mammut-Turnier-Serien. Dank klasse Trainer Team. Unsere F hat es in der Halle bis auf Platz 4 geschafft. Und dass unsere seit zwei Jahren neu wachsende C und B Junioren in der Stadtklasse gut mitmischen. Unsere B hat es im LVV-Cup sogar bis ins Halbfinale geschafft (+3x höhere Stadtliga). Leider am letzten Wochenende 1:2 verloren.

Hat aber viel gepasst und wir sind stolz auf die Jungs. Die neu zusammengestellte C hat sogar in der Halle den Titel in der Stadtklasse geholt. Außerdem Highlights? Bei uns ist mehr der “Weg das Ziel”. Wir versuchen, das, was wir machen, so gut wie möglich hinzubekommen wie wir es können. Und dabei insgesamt besser zu werden. Natürlich ist Fußball auch ein Ergebnissport. Und wenn sich was ergibt… Ein Tor, ein Sieg, ein Tabellenplatz, ein Aufstieg, ein Pokal? Dann wollen wir es auch. Muss aber eben passen. Und wenn nicht? Total schade. Und die Welt dreht sich weiter.

Wie können Euch die Leipziger unterstützen?

Ist natürlich im Breitensport immer auch regional orientiert. Aber allgemein für den Breitensport gesprochen: Wenn ihr Gelegenheit habt, eine Stimme zu erheben, erhebt sie bei Gelegenheit für mehr Unterstützung durch die Stadt für die Sportvereine allgemein. Sie werden ziemlich allein gelassen mit ihren Themen. Wenn ihr Zeit und ein wenig Spendengeld übrig habt… Beides ist für eine gute Sache. Und die Vereine wandeln Letzteres meistens in Bälle, Trikots, Trainingsgeräte … Und wenn mal schönes Wetter ist. Auch Zuschauer sind gern gesehen… Vielleicht funkt es ja mal.

Schleußig hat ja einen Ruf, da denken viele Einspurige gern: reiche ökologisch dogmatisierte Familien mit Hang zum “Ich zeige den mal an, wenn der mich in meinem Eiern stört”. Ist das wirklich so? Wie sind die Schleußiger, Mathias? Wie sind sie wirklich?

Hört man ab und zu so was. Fehlt aber aus mehreren Gründen jegliche Basis. Ich wohne jetzt seit 15 Jahren in Schleußig und Du hast in einem schon Recht. Ist eher oberes Drittel im Mietpreisspiegel. Aber nicht alles. Und Schleußig ist ein unglaublich spannender Tiegel. Hier lebt, wie fast überall, alles. Unabhängig davon sind höchstens ein Drittel unserer Mitglieder Schleußiger. Wenn überhaupt. Innere Westvorstadt, Plagwitz, Lindenau, Südvorstadt… auch Ost und noch weiter weg. Schleußig ist ja auch Leipzigs kleinster und vom Altersdurchschnitt jüngster Stadtteil. Und im Verein selbst ist das sowieso völlig schnuppe.

Gibt so ein Sprichwort: Fußball verbindet. Klingt zwar nach Phrase, stimmt aber viel. Und Kinder sowieso. Im Verein treibt man Sport und/oder man ist Eltern. Vor Gott und am Spielfeldrand sind alle gleich. Was ich damit meine, es ist weder wichtig, was man ist noch woher man kommt. Eher wie man ist. Dass das Gewandhausorchester bei uns kickt (die haben tatsächlich ein eigenes Team) klingt zwar irgendwie elitär, ist aber völliger Zufall und nur eine Fußnote.

Das Netzwerk blau-gelb trainiert ja auf Eurem Gelände. Kannst Du zu diesem Netzwerk etwas erzählen, bitte? Ich glaube, es gibt Menschen in unserer Leserschaft, die noch nie davon gehört haben.

Du gibt’s mir hier ja Aufgaben! Mann oh Mann. Also ich versuche es kurz zu machen. Das Netzwerk Blau Gelb – so könnte man vermuten – steht einem Verein aus Probstheida nahe. Von der Historie und Entstehung her ist dies wohl auch so, aber dies ist völlig in den Hintergrund geraten. Grundsätzlich hat sich das Netzwerk auf die Fahne geschrieben, den Leipziger Nachwuchsfußball zu unterstützen. Auf recht vielfältige Weise. Aber unsere Zusammenarbeit hat einen anderen Hintergrund.

Teil des Netzwerkes ist der “United FC Leipzig”. Ein Projekt, das aktiv versucht, Kindern mit Migrationshintergrund durch den Mannschaftsport Fußball zu helfen, sich in unserer Gesellschaft zurechtzufinden. Sich zu integrieren. Durch Sprache, Umgang miteinander, kennenlernen… United hat dazu betreute Fußball-Mannschaften gebildet, betreut diese durch ehrenamtliche Trainer und veranstaltet Freundschaftsspiele und Turniere.

Philipp Bludovsky und ich haben uns voriges Jahr im Sommer kennengelernt und eine perspektivische Zusammenarbeit angeplant. Durch verschiedene Umstände um unsere D-Junioren herum hat es sich im Herbst angeboten, einen Teil der Jungs in unser Team zu integrieren und sie als Mitglieder des SVS und mit Spielerpässen am regulären Spielbetrieb teilnehmen zu lassen. Nach einem Elternabend unserer D.

Und weißt Du was, Volly? Ja, es holpert. Nicht nur, weil das Team zunächst ein Spiel nach dem anderen verliert. Aber, das ist nicht das wichtigste, aus Fußballern (Menschen) muss nämlich erst mal eine Mannschaft werden. Erst dann kann es funktionieren. Zufälligerweise sitzen wir gerade zusammen und werden beraten ob und wenn ja wie wir nächstes Jahr weitermachen. Egal wie es ausgeht. Es war ein richtiges Stück Weg.

Wie kommen die Interessierten zu Euch? Einfach mal rumkommen oder davor anrufen?

Theoretisch ist es einfach. Email, facebook, website oder rumkommen – zum erst mal schauen. Praktisch ist zumindest eine Aufnahme im Bambini und F-Junioren Bereich schwierig bis unmöglich. Dort wurden wir in der Vergangenheit überrannt. Aufnahmestopp bis Saisonende. Es fehlt an was? Richtig: ehrenamtliche Trainer…

Ach so, für das Wochenende 26. bis 28. Juni bereiten wir gerade unsere 25-Jahr-Feier vor – auch wenn die Fußball-Tradition knapp 100 Jahre auf dem Buckel hat.

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