Wohin geht die Reise bei Deutschlands Banken? Jahrelang klang das Lied ja so: alles wird digitalisiert, Filialen werden geschlossen, das Personal wird abgespeckt. Schöne neue Bankenwelt. Dass davor viele Menschen berechtigterweise Angst haben, hat sich bei der Commerzbank bis in die Chefetage herumgesprochen. Deswegen setzt sie auch in Leipzig auf eine andere Strategie.

Am Montag, 27. November, lud die Bank zur großen Flagship-Eröffnung in ihre Filiale am Thomaskirchhof ein. Vier Wochen hat man hier umgebaut, einige Trennwände entfernt, alles lichter gemacht. Ein Tresen empfängt die Besucher. Eine kleine Lounge lädt zum Platznehmen ein. Auch ein paar Beratungsinseln sind entstanden, halboffen. Der Kunde ist wichtig, soll das heißen, betont Jenny Friese, Bereichsvorstand der Marktregion Ost bei der Commerzbank, also Herrin über 200 Commerzbank-Filialen im Osten. Und dass man jetzt in Leipzig eine Flagship-Filiale eröffne, sei ein Zeichen. Hier passiert etwas. Die Leipziger Commerzbank gehöre zu den am schnellsten wachsenden Einheiten der Commerzbank. Was am Bevölkerungswachstum liegt und auch daran, dass die Commerzbank 2016 – anders als andere Banken – auf Wachstum gesetzt habe. „Wir wollen wachsen“, sagt Friese.

Und sie kann auf Umfragen verweisen, nach denen heute jeder vierte Bankkunde in Deutschland zum Wechseln bereit sei. Viele sind sogar dazu gezwungen. Denn wenn der Trend so weiterläuft wie bisher, verlieren in den nächsten drei bis fünf Jahren fast 30 Millionen Bundesbürger die Bankfiliale in ihrer Nähe. Die wird einfach dichtgemacht, weil vielen Banken der Betrieb eines Filialnetzes zu teuer ist.

Dem steht eine von Friese zitierte Umfrage entgegen, dass selbst im angebrochenen digitalen Zeitalter 90 Prozent der Bankkunden Wert darauf legen, dass sie noch einen persönlichen Berater finden, wenn sie ihn suchen. Zwar könne man sich über fast alles im Internet informieren und auch seine laufenden Geschäfte sämtlich digital abwickeln. Aber wenn es um wichtige Entscheidungen ginge wie bei Vermögensbildung, Altersvorsorge oder Bausparvertrag, würden die meisten Leute dann doch die Beratung suchen.

Dafür sind die neuen Flagship-Filialen da. Was Cora Heide, Niederlassungsleiterin Leipzig, mit Aushängeschild übersetzt. Was die Filiale am Thomaskirchhof jetzt auch ist. Aber sie soll nicht nur gemütlich sein. Hier sollen Kunden das komplette Beratungsangebot finden, das sie bei einer Bank suchen. Hier ist es konzentriert mit Beratern auf vier Etagen. Konzentrierte Kompetenz, nennt es Heide.

Wer hereinkommt und eine Beratung sucht, landet am Tresen und wird sofort vermittelt. „Auch ohne Termin“, so Susanne Fleckenstein, die im Hause Commerzbank für das Filialmanagement zuständig ist. Dafür ist dann auch ein Teil der neu installierten Technik da – vom WLAN für die Kunden über die große Bildschirmwand bis hin zum Display, auf dem angezeigt wird, wann der Berater/die Beraterin für den Kunden da ist, der da einfach mal kurzentschlossen in die Filiale spaziert ist, um ein Anliegen kurzfristig zu besprechen. Bislang galt das reine Terminsystem: Wer einen Termin hatte, wurde beraten. Jetzt könne man auch kurzentschlossen die Bank aufsuchen, werde am Tresen vermittelt und erfahre auch, wann ein kurzfristig anberaumter Termin möglich ist.

Zur Eröffnungsfeier vorbereitet: die Filiale der Commerzbank am Thomaskirchhof. Foto: Ralf Julke
Zur Eröffnungsfeier vorbereitet: die Filiale der Commerzbank am Thomaskirchhof. Foto: Ralf Julke

Was natürlich auch mal ein bisschen dauern kann. Also gibt es noch einen QR-Code, den man mit seinem Handy auslesen kann – und das Handy informiert einen, wann der Berater frei ist. „Da kann man dann einfach noch mal in die Stadt gehen“, so Fleckenstein, „und pünktlich zum Termin wiederkommen.“

Das Ganze also ein Signal an die Kunden, wie Cora Heide betont: „Wichtig ist, dass die Kunden sich hier wohlfühlen.“

Oder so formuliert: Während andere große Banken auf Verschlankung und Ausdünnung der Filialnetze setzen, macht die Commerzbank das Gegenteil und hat zum Halali geblasen. Denn, so Jenny Friee: „Wir wollen wirklich wachsen.“ Bis 2020 wolle die Commerzbank netto 2 Millionen Kunden mehr haben als heute. Und der 2016 eingeschlagene Weg, lieber auf bessere Betreuung zu setzen, zahle sich schon aus: Im Gesamtkonzern habe man jetzt schon 587.000 Kunden dazugewonnen.

Nicht alle Commerzbank-Filialen sollen zu Flagships umgebaut werden. Von rund 1.000 Filialen bundesweit kommen 80 bis 100 in den größten Städten für dieses Konzept infrage. Leipzig ist die Nr. 9 der mittlerweile derart umgebauten Filialen. Und mit 600.000 Euro für den Umbau lägen die Kosten – trotz Denkmalschutz für das Haus am Thomaskirchhof – im mittleren Bereich, wie Susanne Fleckenstein betont. Die meisten anderen Filialen – auch die in Klein- und Mittelstädten – werden zu City-Filialen umgebaut. „Wir werden uns jede einzelne genau anschauen“, so Fleckenstein. Die City-Filialen sollen in der Lage sein, 80 Prozent der nachgefragten Dienstleistungen zu erbringen, auch die wichtigsten Beratungsleistungen. Erst wenn es um Spezialistenwissen geht, gibt es dann die Weiterleitung zum Flagship. Und in ländlichen Räumen werde man natürlich die wichtigsten Dienstleistungen anbieten, so Fleckenstein. Das Ganze sei nun einmal wie ein Netzwerk organisiert.

Cora Heide spricht von einem „Gastgeberkonzept“. Und Jenny Friese betont, dass das kostenlose Girokonto bei diesem Wachstumskurs eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Aber dieser simple Vorgang, die menschliche Begegnung, spielt wohl doch eine größere Rolle, als die üblichen Bankverschlanker meist verkünden. Nach Jenny Frieses Einschätzung gehen zwei von drei Neukundenverträgen auf die persönliche Begegnung in der Bankfiliale zurück.

Flagship könnte man freilich auch einfach mit Flaggschiff übersetzen. Hier zeigt eine Bank Flagge: Der Kunde ist wichtig.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar