Am Montag, 9. Juli, stellte die IHK zu Leipzig eine interessante Studie vor. Sie hatte das Beratungsunternehmen dwif-Consulting GmbH München/Berlin erstmalig beauftragt, eine Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung der tourismusrelevanten Freizeiteinrichtungen und Großevents in der Region Leipzig zu erstellen. Immerhin steigen ja die Touristenzahlen in Leipzig seit Jahren an. Ist das ein ernst zu nehmender Wirtschaftszweig oder nicht?

Die IHK jedenfalls kommt nach Auswertung der Studie zu dem Ergebnis: “Die Tourismus- und Freizeitwirtschaft im IHK-Bezirk Leipzig (Stadt Leipzig, Landkreis Nordsachsen, Landkreis Leipzig) ist eine tragende Säule der regionalen Wirtschaft.”

Was bislang fehlte, waren für diesen Teilbereich der Wirtschaft – im Gegensatz zu vielen anderen Branchen – detaillierte statistische Kennzahlen. Daher die Studie, in der die Münchner Experten auch genau erläutern, wie sie zu ihren Zahlen kamen.

Rita Fleischer, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin, erklärt die Zielstellung der Studie: “Für die Bewertung einer Branche und möglicher Planungs- und Investitionsentscheidungen auf unternehmerischer Seite sind griffige Zahlen und Kennziffern von enormer Bedeutung. Deshalb haben wir diese Daten für unsere Region erstmalig analysieren lassen. Auch eine Katalogisierung und damit die Einordnung tourismusrelevanter Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie Großevents wurde vorgenommen.”

In zwei Kategorien haben die Münchner detaillierte Erhebungen in der Region unternommen – für tourismusrelevante Großevents und für touristisch relevante Freizeiteinrichtungen – von denen die meisten, keineswegs erstaunlicherweise – im Leipziger Stadtgebiet liegen. Was natürlich Einfluss hat auf Anreisewege und damit die leichte Erreichbarkeit von Zusatz- und Alternativangeboten. Das hat dwif dann freilich nicht detailliert unterschieden, was ein gewisser Mangel ist. Denn auch Investitionsentscheidungen im Tourismusbereich müssen sich – wollen sie denn funktionieren – auf vorhandene Ergänzungsstrukturen orientieren.In Leipzig zum Beispiel, wo die Zahl der gezählten Übernachtungen von 2001 bis 2011 von 1,433 auf 2,135 Millionen stieg, sind diese Vernetzungen vorhanden. Im Leipziger Neuseeland gibt es sie erst punktuell. Aber gerade dort wird ja in letzter Zeit vermehrt über touristische Investitionen diskutiert. Man denke nur an den Ausbau des Elster-Saale-Kanals, der für satte 106 Millionen Euro gehandelt wird – samt einem Umsetzungskonzept, dass die Finanzierung dieses Vorhabens sogar als machbar suggeriert.

Doch es gibt auch im Bericht ein paar kleine, aber deutliche Zeichen, dass selbst die eher nicht involvierten Forscher aus München das sehr kritisch sehen. Sie erwähnen zwar den Wassertourismus, verweisen aber in einem Kapitel darauf, dass das Entwicklungspotenzial hier wohl eher auf dem Kanu-Tourismus läge – mit Kanu-Ausleihstation und Erlebnis-Andock-Möglichkeiten an der Strecke. Das Konzept vom Motorbootstourismus wird nicht einmal erwähnt. Dafür gibt es die Empfehlung, das vom Deutschen Tourismusverband verwendete Leitsystem der “Gelben Welle” einzusetzen – als bessere Orientierung für Wasserwanderer – zum Beispiel im Kanu.

Es gibt viele große Zahlen in der Studie. So besuchen im Jahr etwa 5,85 Millionen Besucher die relevanten Freizeiteinrichtungen, wozu auch die besucherstarken Leipziger Einrichtungen wie Zoo, Schauspiel, Oper und Gewandhaus gehören.

Weitere 4,5 Millionen etwa besuchen die diversen Großveranstaltungen, von denen ebenfalls der größte Teil in Leipzig selbst stattfindet. Noch so ein Punkt, in dem eine Extra-Beleuchtung von Großstadt und Landkreisen mehr Licht in die Sache gebracht hätte. Denn die Kreise partizipieren zwar von den großen Zahlen Leipzigs – aber tragende Strukturen entstehen dort erst, wenn man seine touristischen Module nachhaltig an den Gesamtkonzept andockt.

Teilweise geschieht das schon mit engerer Kooperation des Leipziger LTM mit dem Leipziger Neuseenland e.V. Aber wie sind die wirtschaftlichen Daten dahinter?
Auch beim Bruttoumsatz der Freizeiteinrichtungen wird der größte Teil der von dwif Consulting errechneten 161,48 Millionen Euro in Leipzig erwirtschaftet. Die tourismusrelevanten Großveranstaltungen bringen weitere 139,96 Millionen Euro Umsatz pro Jahr, was dann den errechneten Gesamtumsatz der Branche von rund 300 Millionen Euro ergibt. Ist das viel? Könnte es mehr sein?

Die Zahl basiert natürlich auf den durchschnittlichen Einzelumsätzen pro Besucher, die dwif abgefragt hat. In Freizeiteinrichtungen sind das zwischen 25,50 Euro und 28,50 Euro pro Besucher, bei Großevents zwischen 28,50 und 31,50 Euro. Alles recht überschaubare Werte, die aber vor allem durch das relativ niedrige Kaufkraftniveau im gesamten Einzugsbereich zu tun hat. Was aber auch ein Achtungszeichen ist: Auf solche Zahlen kann man nicht wirklich neue touristische Großinvestitionen aufbauen. Sie amortisieren sich nicht.

Ein Großteil der Gelder, die über die touristisch relevanten Einrichtungen eingenommen wird, dient natürlich zur Finanzierung von Arbeitsplätzen. So werden darüber in den Freizeiteinrichtungen 4.790 Personen beschäftigt, bei Großveranstaltungen weitere 4.040 Personen

Auch die Mehrwertsteuer und die Einkommenssteuer lassen sich aus den Erhebungen ungefähr berechnen: Es sind 17,9 Millionen Euro über die Freizeiteinrichtungen und 15,3 Millionen über die Großevents.

Rita Fleischer sieht es positiv: “Das Multiprodukt Tourismus strahlt weit über seine engeren Branchengrenzen hinaus – eine hohe Attraktivität an Freizeiteinrichtungen und touristischer Highlights sind wichtige Standortfaktoren: sowohl bei der Standortwahl von Unternehmen als auch bei der Gewinnung von Fachkräften.”

Aber der genaue Blick auf die Zahlen zeigt auch, dass in diesem Bereich jede mittlere oder größere Investition gut überlegt sein will. Denn die Hauptkundschaft sind die Einheimischen. Auch das hat dwif abgefragt. In den Freizeiteinrichtungen kommen 70 Prozent der Besucher aus dem Nahbereich, sind quasi “Wohnortausflügler”. Der Rest sind dann “Urlaubsausflügler”, die extra anreisen, um in und um Leipzig etwas zu erleben, und die dann oft auch Übernachtungen buchen.

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Bei “Großevents”, bei denen man eigentlich denken würde, die würden das überregionale Publikum in die Region locken, ist es noch extremer: Hier sind 87 Prozent Wohnortausflügler.

Und die Abbildung 4 ist regelrecht gespickt mit kleinen Warnschildern. Hier geht es um die abgefragten Folgen von größeren Investitionen im Tourismusbereich. Und es folgt eben nicht immer eine Steigerung der Besucherzahlen und eine vertretbare Steigerung der Eintrittspreise. Einige Einrichtungen hatten nach der Investition sogar gesunkene Besucherzahlen.

Das Ganze also eine Studie, die durchaus das Potential beleuchtet, das die Tourismusregion hat. Aber sie zeigt auch, wie sehr die gesamte Region vom Zugpferd Leipzig abhängig ist und wie brisant es ist, von Großinvestitionen zu träumen. In aller Ruhe legt die Studie der Tourismusbranche in der Region sogar ans Herz, lieber in kleinen Schritten zu wachsen – dafür nachhaltig und ressourcenschonend, wie der sanfte Hinweis auf den Kanu-Sport zeigt.

www.leipzig.ihk.de

Die vollständige Studie findet man als PDF hier: www.leipzig.ihk.de

Informationen zur “Gelben Welle”: www.deutschertourismusverband.de

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