Neue Wahlperiode, alte Probleme. Nachdem in den vergangenen Jahren FDP-Verkehrsminister Sven Morlok den Freistaat für den Gigaliner-Feldversuch öffnete, der auch nach drei Jahren noch keine belastbaren Ergebnisse gebracht hat, spielt jetzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) das Lied vom Gigaliner. Weil der Feldversuch nicht die erhofften Ergebnisse brachte, wird er eben ausgeweitet. Ein Desaster, finden Sachsens Grüne.

Denn die von Dobrindt angekündigte Ausweitung des Testlaufs mit Riesen-Lkw (Gigaliner) erfasst auch weitere Streckenabschnitte im sächsischen Bundesfernstraßennetz. Um das es ja bekanntlich nicht allzu gut steht.

“Die Freigabe sächsischer Straßen für Gigaliner ist ökonomisch und verkehrspolitisch ein Desaster und führt in eine verkehrspolitische Sackgasse. Es gibt keine vernünftigen Gründe für Gigaliner”, erklärt dazu Eva Jähnigen, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag. “Bereits heute sind an Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang überdurchschnittlich Lkw beteiligt. Aufgrund ihres hohen Gewichts haben Gigaliner längere Bremswege. Unfälle, in die Gigaliner verwickelt sind, würden aufgrund ihrer Masse schwerwiegendere Schäden nach sich ziehen. Gigaliner machen Überholvorgänge unübersichtlich und langwierig und behindern dadurch den Verkehr vor allem für andere Lkw. Gigaliner brauchen deutlich länger, um Kreuzungen und Bahnübergänge zu räumen. Das Unfallrisiko aller Verkehrsteilnehmer erhöht sich.”

Es waren auch ihre Nachfragen im Landtag, die sichtbar machten, wie kaputt das Netz der sächsischen Bundes- und Staatsstraßen in vielen Teilen mittlerweile ist. Es hat sich – obwohl das zuständige Ministerium andere Aussagen verbreitete – in den letzten fünf Jahren nicht verbessert, sondern qualitativ weiter verschlechtert. Der Neubau von immer neuen Straßenprojekten hat der Straßensanierung die nötigen Gelder entzogen.”Der Zustand sächsischer Straßen ist bereits jetzt desaströs. 37 Prozent der Bundesstraßen und 63 Prozent der Staatsstraßen sind in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand. Statt öffentliches Geld für den durch Gigaliner notwendigen Straßenausbau zu verschwenden, etwa größeren Kurvenradien, sollte endlich die Substanz saniert werden”, fordert Jähnigen. “CDU und FDP haben es versäumt, die marode Straßeninfrastruktur bedarfsgerecht zu sanieren und instand zu halten. Gigaliner werden dieses Problem weiter verschärfen. Straßen, Brücken, Tunnel, Leitplanken, Parkplätze, Bahnübergänge ? unsere Verkehrsinfrastruktur ist weder für eine Zunahme an 44-Tonnern noch für eine Lkw-Länge von 25,25 Meter ausgelegt.”

In Leipzig betroffen wären jetzt die S1, die S9 und die B9 rund um Flughafen, Güterverkehrszentrum und BMW-Werk, außerdem verschiedenste Abfahrten von der A 14 zwischen Neuem Messegelände und dem Postzentrum in Radefeld. Das Güterverkehrszentrum Leipzig ist direkt als Sonderziel ausgewiesen – genauso wie das Güterverkehrszentrum Dresden.

“Beim Gigalinerfeldversuch geht es offenbar darum, die Transportkosten im Güterverkehrsbereich weiter zu drücken. Ich gehe davon aus, dass damit bisherige Schienentransporte auf Gigaliner verlagert werden, wodurch sich das Verkehrsaufkommen und der Ausstoß von Abgasen erhöhen werden”, benennt Jähnigen einen der Hintergründe der Lkw-Großversuchs, mit dem auch das Geschäftsmodell der Deutschen Bahn demontiert werden soll. Einen wirklich nachhaltigen wirtschaftlichen Nutzen haben die Gigaliner nicht, schon gar nicht im entscheidenden transnationalen Verkehr. Das EU-Parlament hat sich am 15. April 2014 gegen die Zulassung von Gigalinern im grenzüberschreitenden Verkehr in der EU ausgesprochen.

CO2-Emissionen von Lkw im Güterverkehr sind mehr als 4,5 Mal so hoch wie ein entsprechender Transport per Zug. Weiterer Straßengüterverkehr schadet nicht nur dem Klima, sondern auch der Straße. Wenn durch Gigaliner noch mehr Güter auf die Straße kommen, ist er nichts anderes als ein Beitrag zur weiteren Verstopfung der Straßen, kritisieren die Grünen. Notwendig wäre aus ihrer Sicht ein Kapazitätsausbau im Schienengüterverkehr, damit mehr Verkehr über die Bahn abgewickelt werden kann.

“Es wird Zeit, dass Sachsen aus dem Experiment Gigaliner aussteigt und die Gruppe der sieben Bundesländer verlässt, die vollständig beim Feldversuch mitmachen”, erklärt Jähnigen.

Zusätzlich zum Autobahnnetz wurden gemäß einer aktuell veröffentlichten Liste des Bundesverkehrsministeriums weitere 57 Straßenabschnitte in Sachsen für Gigaliner freigegeben.

Die Liste mit dem für Gigaliner freigegebenen nachgeordneten Straßennetz (Sachsen Seite 20-22) findet man hier: www.bast.de/DE/FB-V/Fachthemen/v1-lang-lkw/v1-Aenderung-VO-04.pdf;jsessionid=FFB72785847EBD7D0F76278490C68C26.live1043?__blob=publicationFile&v=2

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