So richtig scheint die sächsische CDU noch nicht erfasst zu haben, was es bedeutet, wenn der schwedische Staatskonzern Vattenfall seinen Kurs ändern muss. Weg von der Kohleverbrennung, hin zu einem Motor der erneuerbaren Energien. Es war ja nicht nur die FDP, die in den vergangenen fünf Jahren in Sachsen gegen Wind- und Wassermühlen kämpfte. Auch die CDU hält die Losung "Bekenntnis zur Braunkohle" hoch, als könnte sie damit die Entwicklung ausbremsen.

Das kann sie schon – mit einer tragischen Folge für Sachsens Energiewirtschaft: Die wird bald nicht mehr konkurrenzfähig sein. Die Ankündigung der neuen schwedischen Regierung jedenfalls, den Energiekonzern Vattenfall künftig anders steuern zu wollen, hat auch die sächsische CDU auf den Plan gerufen, die aber augenscheinlich auch nach der Wahl nicht von ihre Beschwörung einer heilen Welt der Kohleverstromung Abschied nehmen will. Statt Realpolitik zu machen, setzt man alle Hoffnung auf ein Machtwort aus Berlin, damit die Kohlekraftwerke in Sachsen ja weiter am Netz bleiben können.

Zu den Plänen der künftigen schwedischen Regierung, die Braunkohleförderung des Energiekonzerns Vattenfall in der Lausitz zu stoppen, erklärt nun der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und energiepolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Georg-Ludwig von Breitenbuch: “Mit dem Einstieg des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall in der Lausitz und im Südraum vom Leipzig im Jahr 2001 hat sich Schweden unmittelbar mit diesen wirtschaftsschwachen und von der Braunkohle abhängigen Regionen verbunden. Daher wäre es verantwortungslos, nun den Ausstieg übereilt anzugehen.”

Dabei holt der CDU-Abgeordnete aus dem Leipziger Südraum die alte Formel wieder hervor, die direkt aus den Marketing-Abteilungen der deutschen Energiekonzerne stammt: Braunkohle als Brückentechnologie. Das rechnet sich zwar nicht – und Energieriesen wie RWE haben sich mit dieser Marketingstrategie mittlerweile tief in die roten Zahlen laviert – aber eine realistische Sicht auf die Entwicklung will sich bei der sächsischen CDU augenscheinlich nicht einstellen.

“Die Lausitz wie auch der Südraum Leipzig brauchen langfristige Konzepte und Übergänge, um eine flankierende Wirtschaftsstruktur aufzubauen”, verlangt Breitenbuch. Als wenn er nicht seit Jahren in der Regierungskoalition säße und genau das von den jeweiligen Wirtschaftsministern der Koalition hätte abverlangen können. Stattdessen fordert er, als würde in den Reihen der machtlosen Opposition sitzen. Wer regiert eigentlich in Sachsen? “Gleiches gilt für die gesamte Energieversorgung in Deutschland”, sagt Breitenbuch. Und holt dann die alten Slogans raus: “Der Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2022 kann nur durch die Kohle flankiert werden. Deutschland braucht den Brückentechnologieträger als Grundlast, wofür die Erneuerbaren Energien bisher ohne teure Netze und Speicher nicht zur Verfügung stehen.”
Und warum stehen sie nicht zur Verfügung? Wer regiert eigentlich in Deutschland seit neun Jahren, ohne dass dieses Dauerthema endlich umgesetzt wird?

Und dann fällt Breitenbuch wieder in den Oppositionston: “Daher ersuche ich die Sächsische Staatsregierung wie auch die Bundesregierung nachdrücklich, sich gemeinsam in Schweden für vernünftige Gespräche und Lösungen einzusetzen. Gleichzeitig erwarte ich von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu Braunkohle. Nur wenn deutlich ist, dass Deutschland in absehbarer Zeit die Braunkohle braucht und sich auch dazu bekennt, kann in diese wichtige Branche nachhaltig investiert werden.”

Dass diese Haltung irgendwie seltsam ist, bemerkte denn am Montag, 6. Oktober, auch gleich Dr. Jana Pinka, Mitglied des Vorstandes der Fraktion Die Linke. “Nachdem die Union die Notwendigkeit eines Strukturwandels in der Lausitz jahrelang ignoriert hat, warnt sie nun zu Recht vor einem überstürzten Ausstieg und mahnt langfristige Lösungen an. Wie überall in der Politik gilt aber auch hier das Bonmot von Gustav Heinemann: Wer auf andere mit dem ausgestreckten Zeigefinger zeigt, der deutet mit drei Fingern seiner Hand auf sich selbst”, kommentiert sie Breitenbuchs seltsamen Appell. “Wenn die CDU einseitig an die schwedische Verantwortung appelliert, verkennt sie, dass sie selbst eine Regierung führt, die Rahmen und Ziel dessen bestimmt hat und noch bestimmt, was hier geschieht – zum Beispiel das Energieprogramm.”

Und was, wenn Vattenfall nun dennoch recht schnell Konsequenzen zieht? Zumindest der Verkauf eines Blocks im Kraftwerk Lippendorf stand ja schon mal auf der Tagesordnung. Der SPD-Vorsitzende Martin Dulig hat gleich mal lax den Komplettverkauf der ostdeutschen Energiesparte von Vattenfall vorgeschlagen. Und die SPD regiert ja demnächst mit, wird aber den Käufer nicht aussuchen können – es sei denn, der Freistaat ist so todesmutig, den “ganzen Bembel” (Detlev Rohwedder) zu kaufen und damit selbst einen Staatskonzern draus zu machen, der jedes Jahr seine Subventionsmillionen frisst. Der Freistaat Sachsen ist nicht mehr Herr des Geschehens, kann auch die Entscheidungen von Vattenfall nicht (mehr) beeinflussen, denn die Vorgaben aus Schweden und die sächsischen Forderungen, an Kohle festzuhalten, beißen sich.

Dr. Jana Pinka: “Die Lausitz verträgt einen überstürzten Kurswechsel ebenso wenig wie jede andere Region, die vor einem umfassenden Strukturwandel steht. Der Freistaat muss schnellstmöglich den Dialog mit den Entscheiderinnen und Entscheidern in Schweden suchen, um eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu erreichen. Gleichzeitig aber muss die CDU-geführte Staatsregierung Versäumtes nachholen: Sie darf sich einer wissenschaftlichen Diskussion über Entwicklungsperspektiven nicht länger verschließen. Noch im Sommer hatte sie sich in dieser Frage kein bisschen kompromissbereit gezeigt und einen entsprechenden Antrag der Linken abgelehnt.”

Die Frage ist nur: Wagt die SPD in den Koalitionsverhandlungen dieses Thema überhaupt anzusprechen? Oder überlässt sie das einem Wirtschaftsminister, der möglicherweise wieder aus den Reihen der CDU kommt?

Jana Pinka: “Den Sozialdemokraten wünsche ich guten Verhandlungserfolg dabei, einen geregelten und endgültigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung durchzusetzen. Angesichts der Tatsache, dass die CDU weiter apodiktisch auf der Braunkohleverstromung als einzigem Brückentechnologieträger beharrt, hält sich meine Hoffnung allerdings in Grenzen.”

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