Alle Jahre wieder macht die Landesdirektion Sachsen etwas, was sie "Überprüfung der Nachtfluglärmbelastung am Flughafen Leipzig/Halle" nennt. Tatsächlich überprüft sie nichts, sondern wertet nur Zahlen aus, vor allem Zahlen zu Flugbewegungen. Dabei bezieht sie sich auf die geltenden Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses vom 4. November 2004 zum Ausbau des Flughafens. Aber gelten die eigentlich noch?

Haben die je gegolten? Eingehalten jedenfalls wurden sie noch nie. Und das auch in einer ganz zentralen Festlegung des Planfeststellungsbeschlusses von 2004: “Die Auflage A II.4.7.6. soll sicherstellen, dass sich die Flugbewegungen auf beide Bahnen des Parallelbahnsystems gleichmäßig verteilen, wie es auch in der Lärmberechnung unterstellt wurde.” Und diese Auflage lautet ganz eindeutig: “4.7.6. Die An- und Abflüge mit Flugzeugen sind unter Berücksichtigung der Siedlungsstruktur, soweit flugsicherheitlich vertretbar, gleichmäßig auf die beiden Start- und Landebahnen zu verteilen.”

Denn sämtliche Lärmberechnungen von 2004 beruhen auf der Grundannahme einer gleichmäßigen Bahnverteilung.

So betrachtet ist die Feststellung der Landesdirektion Sachsen auch diesmal ein Witz. Denn die teilt nun mit: “Gemäß den Bestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses erfolgte im Frühjahr 2009 die erste der Überprüfungsberechnungen des Nachtschutzgebietes, welche bis 2016 jährlich, danach aller drei Jahre durchzuführen sind. Ziel dieser kontinuierlichen Überprüfung ist es zu ermitteln, ob sich im Vergleich zwischen der im Rahmen der Planfeststellung prognostizierten und der tatsächlichen Fluglärmbelastung Differenzen ergeben. – Ergebnis der diesjährigen Überprüfung ist, dass es gegenwärtig keiner weiteren Regelungen zum Schutz vor nächtlichem Fluglärm durch die Landesdirektion bedarf. In die Überprüfung sind das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr als oberste Luftfahrt- und Genehmigungsbehörde im Freistaat Sachsen sowie das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie als technische Fachbehörde einbezogen worden.”

Schon seit Jahr und Tag gibt es diese Gleichverteilung nicht. Und für 2015 stellt die Landesdirektion nun fest: “Der Anteil des auf der Start- und Landebahn Süd abgewickelten nächtlichen Luftverkehrs ist hierbei von 89,9 % im Jahr 2013 auf 97,4 % gestiegen. Entsprechend ist der Anteil des nächtlichen Flugbewegungsaufkommens auf der Start- und Landebahn Nord im Jahr 2014 von 10,1 % auf 2,6 % gesunken. Laut SMWA waren für diese Entwicklung insbesondere die Durchführung von Instandhaltungsarbeiten auf der Start- und Landebahn Nord von April bis Juni 2014 mit verantwortlich.”

Der Hauptflugbetrieb findet seit 2007 auf der Start- und Landebahn Süd statt. Hier haben sich die Frachtlogistiker angesiedelt und die Nicht-Benutzung der Startbahn Nord wird vor allem mit wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt. Übrigens genauso wie die Wahl der An- und Abflugrouten, die sich die Planer 2004 weigerten festzulegen, den Anwohnern aber im Planfeststellungsverfahren suggerierten, die im Verfahren aufgezeigten Flugrouten würden dann auch die realen sein.

Der Satz aus dem Planfeststellungsbeschluss dazu lautet: “Die dem prognostizierten Flugbetrieb zugrunde gelegten An- und Abflugwege, die Grundlage der lärmphysikalischen Berechnungen waren, sind von der DFS im Planfeststellungsverfahren ausdrücklich als plausibel und realistisch eingeschätzt worden.”

Das war und ist seit 2004 die Konfliktstelle zwischen den Betroffenen-Initiativen und den Flughafenbetreibern. Im Verfahren wurden Flugrouten als plausibel gezeigt, die dann in der Praxis teilweise deutlich anders angelegt wurden. Und diese “plausiblen” Flugrouten waren auch noch Grundlage der Lärmberechnungen.

Und das alles wurde von Anfang an aufgeweicht durch eine Haltung, die sich so formulierte: “Die verbindliche Festlegung der Flugrouten gemäß § 27a LuftVO geschieht durch Rechtsverordnung des Luftfahrt-Bundesamtes (auf Vorschlag der DFS) und wird erst kurz vor Betriebsbeginn erfolgen. Eine Regelungsmöglichkeit im Planfeststellungsbeschluss ist nicht gegeben. Zahlreichen Einwendungen, in denen die Festlegung bestimmter Flugrouten im Wege der Planfeststellung gefordert wurde, kann daher nicht entsprochen werden.”

Da wird all das greifbar, was die Betroffenen im nächtlich verlärmten Gebiet seither beschäftigt. Da hilft auch der jährlich wiederholte Verweis nicht: “Der Vollständigkeit halber weist die Landesdirektion darauf hin, dass unter Zugrundelegung der gerichtlich bestätigten Kriterien für die Ausweisung des Nachtschutzgebietes (Gebiet, in dem baulicher Schallschutz notwendig ist) dieses im Jahr 2014 eine Größe von ca. 131 km² hätte haben müssen. Tatsächlich umfasst das festgesetzte Nachtschutzgebiet derzeit ca. 256 km².” Das ist dann immer wieder die Watte, in die man die eigentlich alarmierende Feststellung packt, dass die Vorgaben aus dem Planfeststellungsbeschluss einfach nicht eingehalten werden. Eine Watte, die auch durch die Erkenntnis recht dünn wird, die erst Anfang des Jahres publik wurde, dass ein Großteil der zugesagten Schallschutzmaßnahmen bis heute nicht umgesetzt wurde.

Die restlichen Feststellungen der Landesdirektion Sachsen:

– Das nächtliche Flugaufkommen der sechs verkehrsreichsten Monate (Mai bis Oktober) des Jahres 2014 weist im Vergleich zum Aufkommen im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres die folgenden Veränderungen auf: Die Anzahl der zwischen 22:00 und 6:00 Uhr am Flughafen Leipzig/Halle abgewickelten Flüge hat gegenüber dem Jahr 2013 leicht auf 15.639 abgenommen (-0,3 %).

– Die meisten Flugbewegungen entfielen auf die Betriebsrichtung West (Landungen von Osten, Starts nach Westen) mit 63 %; die Betriebsrichtung Ost (Landungen von Westen, Starts nach Osten) wurde bei 37 % der Flugbewegungen registriert (2013: 65 % West, 35 % Ost).

– Die Anzahl der nächtlichen Flüge mit schweren Propellerflugzeugen (Luftfahrzeuggruppe P 2.2), einschließlich AN 12, AN 26, L 188 (Lockheed Electra), C 130 (Lockheed Hercules) und C 160 (Transall) ist im genannten Zeitraum um 14 auf 208 gefallen (- 6,3 %). Die Anzahl nächtlicher Flüge mit leichten Propellerflugzeugen (Luftfahrzeuggruppe P 2.1) hat um 524 auf 236 abgenommen (- 68,9 %).

– Bei den schweren Strahlflugzeugen (Luftfahrzeuggruppe S 3.2 einschließlich AN 124, IL 76 und S 7 mit dem Flugzeugmuster B 744) ist nach einer starken Abnahme im Jahr 2013 eine Zunahme um 72 Bewegungen auf 269 zu verzeichnen (+ 36,5 %). Für die den Flughafen Leipzig/Halle besonders häufig frequentierenden Flugzeuge der Luftfahrzeuggruppen S 5.2 (insbesondere A 320, A 321, B 733, B 734, B 738, B 752, T 204) und S 6.1 (insbesondere A 306, B 763, B 777) sind unterschiedliche Tendenzen bei den Flugbewegungen zu verzeichnen (S 5.2: Abnahme um 52 auf 9 403, also – 1,0 %; S 6.1: Zunahme um 558 auf 5 364, also + 11,6 %). Insbesondere mit diesen Flugzeugtypen wird das Luftfrachtdrehkreuz am Flughafen Leipzig/Halle mit dem Schwerpunkt im Expressfrachtverkehr betrieben.

– Die nächtlichen Flugbewegungen der Luftfahrzeuggruppe 6.2 (mit DC-10 und MD-11) sind im Bezugszeitraum Mai bis Oktober 2014 nahezu entfallen (noch eine Flugbewegung), während sie sich in 2013 noch auf 84 verdoppelt hatten.

Die nächste turnusgemäße Überprüfung ist im Frühjahr 2016 vorgesehen.

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