Da hat nun so langsam auch Sachsens Staatsregierung das Thema ordentlicher Tarifverträge für sich entdeckt. Etwa wenn Sozialministerin Barbara Klepsch am 6. Dezember sagte: „Zu allererst bedarf es einer angemessenen Entlohnung und guter Arbeitsbedingungen für unsere Pflegekräfte. Es ist wichtig, dass sich die Arbeits- und Sozialministerkonferenz auf diese Themen verständigt. Der Bund sollte auf die Tarifparteien für eine Einführung eines flächendeckenden Tarifvertrages in der Altenpflege einwirken.“ Aber wie sieht es eigentlich bei Sachsens Staatsbetrieben aus?

Ein Thema, das Nico Brünler, Sprecher für Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik der Linksfraktion im Landtag, doch sehr interessierte. Denn wenn die sächsische Staatsregierung so vehement von anderen verlangt, einen flächendeckenden Tarifvertrag einzuführen – wie sieht es dann eigentlich bei den landeseigenen Unternehmen aus?

Immerhin fallen diese Staatsbetriebe ja gern auch durch allerlei Zuschüsse auf, die das Land regelmäßig zahlt. Kommen die wenigstens den Angestellten zugute?

Das Ergebnis ist eher ernüchternd, denn viele Staatsbetriebe haben gar keine Tarifverträge.

„Was die Beschäftigten von neun Unternehmen erleben, die sich im hundertprozentigen Besitz des Freistaates Sachsen befinden, ist Scheinheiligkeit pur: Auf der einen Seite zieht der SPD-Arbeits- und Wirtschaftsminister durchs Land und predigt guten Lohn für gute Arbeit, auf der anderen Seite enthält der von ihm mit repräsentierte Freistaat selbst vielen seiner Beschäftigten einen Tarifvertrag vor“, bringt Brünler das Ergebnis seiner Anfrage auf den Punkt.

„Aber nicht nur in den Schlössern Augustusburg, Scharfenstein und Lichtenwalde, auf der Festung Königstein oder in den Sächsischen Staatsbädern herrscht Tariflosigkeit. Auch in Unternehmen wie der Leipziger Messe GmbH oder der Sächsischen Dampfschifffahrts-GmbH, an denen der Freistaat beteiligt ist, werden die Beschäftigten unter Tarif abgespeist. Damit wird auch Ministerpräsident Kretschmer Lügen gestraft, der meinte, wo staatliches Geld gegeben wird, könne man auch erwarten, dass Tariflohn gezahlt wird.“

Zur Leipziger Messe hatte er eine eigene Anfrage gestellt. Mit dem Ergebnis: Innerhalb des Leipziger Messekonzerns mit seinen knapp 400 Angestellten hat nur die fairgourmet einen Manteltarifvertrag. Es könnte ja auch sein, dass in einer international so agilen Messe über Tarif gezahlt wird. Aber auch das scheint nicht der Fall zu sein.

2017 zum Beispiel lag der Personalaufwand des Leipziger Messekonzerns mit Löhnen, Gehältern, Sozialabgaben und Altersvorsorge bei 23,66 Millionen Euro. Klingt erst einmal viel. Das muss auch so ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 87 Millionen Euro (2017) erst einmal stemmen. Aber die Zahlen rücken sehr schnell in ein anderes Verhältnis, wenn man sie auf die durchschnittlich 397 Mitarbeiter im Konzern rechnet.

Da kommt dann auf jeden Mitarbeiter ein Jahresbruttoverdienst von knapp 60.000 Euro. Das ist für Sachsen kein schlechtes Einkommen. Aber es ist nur der Durchschnitt. Man kann davon ausgehen, dass die Mitarbeiter, die als Messe- und Kongressbetriebswirte tätig sind, eher die branchenüblichen 3.500 Euro im Monat verdienen, die einfachen Angestellten eher weniger.

Es könnte also durchaus sein, dass die Entlohnungen der Leipziger Messe durchaus branchenüblich sind. Nur einen Tarifvertrag gibt es für die meisten Mitarbeiter nicht. Das, so betont Finanzminister Matthias Haß in seiner Antwort, sei Sache der Unternehmensleitungen.

Was Brünler trotzdem zu der Aufforderung veranlasst: „Wir fordern Regierungschef Kretschmer und seinen Stellvertreter Dulig auf, sich persönlich dafür stark zu machen, dass diese tariflosen Zustände in Verantwortung der Staatsregierung beendet werden. Die Menschen im Niedriglohnland Sachsen, das in puncto Tarifbindung bundesweites Schlusslicht ist, verlangen jetzt ein klares Signal, dass guter Lohn für gute Arbeit nicht mehr nur ein Lippenbekenntnis ist.“

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