Es läuft einiges verquer in der deutschen Verkehrspolitik. Mit einer Menge Tamtam werden Großprojekte auch im Schienenverkehr durchgeboxt, bei denen die Kosten den Nutzen nicht widerspiegeln - so wie bei "Stuttgart 21". Und wenn dann Milliarden investiert sind, werden wichtige Zugverbindungen trotzdem gestrichen, obwohl die Nachfrage gestiegen ist. Das betrifft auch eine gefragte ICE-Verbindung von Berlin nach Leipzig.

Die Streichung der Abendverbindung um 20:52 Uhr(ICE 893) zwischen Berlin und Leipzig zum Fahrplanwechsel im Dezember 2013 macht das Bahnfahren unattraktiver. In einem Brief an den Fernverkehr der Deutschen Bahn fragen die Leipziger Bundestagsabgeordnete Monika Lazar und der sächsische Bundestagsabgeordnete und Sprecher für Verkehrspolitik, Stephan Kühn, nach den Hintergründen der Entscheidung.

“Der Jahresfahrplan 2014 hatte für Fahrgäste zwischen Berlin und Leipzig eine unangenehme Überraschung parat: Die bisherige Abendverbindung um 20:52 Uhr ist montags bis donnerstags entfallen. Seit Mitte Dezember fährt der letzte durchgehende Fernzug bereits um 18:52 Uhr ab Berlin Hauptbahnhof”, stellen die beiden Abgeordneten der Grünen fest. “Wer danach von der Spree an die Weiße Elster will, für den heißt es jetzt in Bitterfeld in Nahverkehrszüge umzusteigen und dort Wartezeiten bis zu 31 Minuten in Kauf zu nehmen. Daneben bestehen auch Nahverkehrsverbindungen mit Umsteigen in Dessau. Wir halten es für völlig indiskutabel, bei einer so nachfragestarken Fernverkehrsverbindung wie Berlin – Leipzig zur Sendezeit des Sandmännchens den Betrieb einzustellen.”Dabei war es durch den Ausbau der Strecke in den letzten Jahren erst wieder gelungen, diese Verbindung auf das Großstadtniveau der 1930er Jahre zu heben. Doch die Deutsche Bahn fühlt sich gerade für ein attraktives Netz zwischen den deutschen Großstädten immer weniger verantwortlich, wie es aussieht. Die gestiegenen Fahrgastzahlen scheinen dabei in der Konzernzentrale kaum noch eine Rolle zu spielen.

“Seitdem die Fahrzeit zwischen der Bundeshauptstadt und der sächsischen Messestadt auf etwas mehr als eine Stunde zusammengeschrumpft ist, hat es einen regelrechten Nachfrageschub gegeben. Es ist volkswirtschaftlicher Unsinn, nach dem Ausbau der Anhalter Bahn auf 200 km/h für rund 1,6 Milliarden Euro das Angebot zusammenzustreichen. Notwendig wäre ein weiterer Ausbau des Fernverkehrsangebots gerade in den Abendstunden”, kritisieren die beiden Grünen-Abgeordneten die wirtschaftlich nicht nachvollziehbare Haltung der Bahn. “Mit der Streichung des Abendzuges macht die DB die Verbindung gerade für ihre treuesten Kunden – die Pendler – wieder unattraktiver. Der Fahrgast, dem die Spätverbindung fehlt, kehrt der Bahn möglicherweise ganz den Rücken und steigt wieder auf das Auto um.”

Ein Grund für das seltsame Agieren der Bahn scheint immer öfter zu sein, dass sie in immer kürzeren “Erfolgs”-Intervallen denkt und die mittel- und langfristigen Perspektiven völlig aus dem Auge verloren hat. Sie fühlt sich als Konzern nicht mehr an Verkehrsziele der Bundespolitik gebunden, obwohl sie nach wie vor das Monopol auf die überregional attraktiven Städteverbindungen hat.

“Auch vor dem Hintergrund der 2015 bzw. 2017 anstehenden Inbetriebnahme der Neubaustrecke Halle/Leipzig – Erfurt – Nürnberg wirkt die Angebotspolitik der DB sehr irritierend”, stellen Lazar und Kühn fest. “Wir sind bisher davon ausgegangen, dass DB Fernverkehr das Angebot auf dieser Fernverkehrsachse ausweiten will.”

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