So richtig handlungsfähig ist die Merkel-Regierung nicht mehr, auch wenn nach der herbstlichen Diesel-Debatte kurzerhand ein 170-Millionen-Euro schweres „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 bis 2020“ beschlossen wurde, das den Kommunen helfen soll, kurzfristig irgendwie die Luftschadstoffbelastung in den Griff zu bekommen. Dass auch Leipzig ein bisschen Geld aus dem Topf bekommt, vermeldete das Amt für Umweltschutz am 21. Dezember.

Am Mittwoch, 20. Dezember, habe die Stadt Leipzig einen Fördermittelbescheid vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Höhe von 530.000 Euro aus dem „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 bis 2020“ erhalten, teilte das Amt für Umweltschutz mit.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn hatte die so flott vereinbarte Summe ja schon kritisiert. Erstens ist sie nur ein lächerlicher Tropfen auf den heißen Stein. Bei den von starker Luftbelastung betroffenen Kommunen kommen eigentlich nur Peanuts an. Kein Geld, mit dem man kurzerhand mal die Verkehrsstruktur der ganzen Stadt umkrempeln kann. Und viel schneller wirksam wäre eine völlig andere Entscheidung gewesen, die ja mittlerweile selbst von den Autoherstellern befürwortet wird: Die Abschaffung der Steuervergünstigung für Diesel, die tatsächlich eine Subvention ist. Umfang: 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Diese Änderung in der Subvention würde deutliche Verhaltensänderungen beim Dieselkauf mit sich bringen. Denn die meisten Käufer von Diesel-Pkw sind gute Rechner. Sie kaufen diese Fahrzeuge natürlich auch, weil sie damit ganz eindeutig finanzielle Vorteile verbinden.

Nur die Städte leiden darunter. Auch Leipzig. Der Bestand an Diesel-Pkw steigt immer weiter an. Der Anteil von Diesel-Pkw erhöhte sich von 19,4 Prozent im Jahr 2010 auf 25,5 Prozent im Jahr 2016. Das ist der Hauptgrund dafür, dass die Belastung der Luft mit Stickoxiden einfach nicht sinkt.

Denn das ist ja das Hauptproblem der neueren Diesel-Autos: dass die Technologie zur Stickoxid-Minderung schlicht nicht so funktioniert, wie von den Herstellern versprochen. Doch die möglichen Vertragsstrafen der EU drohen nun den Städten, wo die Grenzwerte für die Stickoxidbelastung nicht eingehalten werden.

Dem will Leipzigs Umweltamt nun mit einem Masterplan (Green City Plan) entgegensteuern, der in enger Abstimmung mit der Leipziger Gruppe bis zum Sommer 2018 entstehen soll und der Maßnahmen zur Reduzierung der hohen Stickstoffdioxidbelastung enthalten soll. Sollte das gelingen, werden in Leipzig durch die Bundesregierung weitere Schritte gegen die Luftschadstoffbelastung unterstützt, betont Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal.

„Wir als Umweltdezernat werden in enger Abstimmung mit den vielen Beteiligten wie insbesondere der Leipziger Gruppe durch die Erarbeitung des Masterplanes in den verschiedenen Handlungsfeldern zukunftsfähige und nachhaltige Mobilitätslösungen erarbeiten“, sagte Rosenthal auch noch, nachdem er in Berlin den Fördermittelbescheid von Christian Schmidt, dem amtierenden Bundesminister für Verkehr und Digitale Infrastruktur, entgegengenommen hatte.

Aber was kann Leipzig überhaupt tun, die Stickoxidbelastung kurzfristig in den Griff zu bekommen?

Die Maßnahmenpalette klingt noch nicht wirklich nach dem großen Wurf.

Der Masterplan soll untersuchen, wie Verkehrsleitsysteme verbessert, Park-and-Ride-Angebote mit anderen Angeboten (Bike-Sharing, dynamische Fahrgastinformation, Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge) vernetzt oder wie die Elektromobilität etwa durch die Verdichtung des Ladesäulennetzes befördert werden können.

Das alles sind eher kleine Maßnahmen, die noch nicht wirklich viel an der großen Zahl fahrender Diesel-Pkw ändern. Ein besseres Verkehrsleitsystem kann die Verkehrsströme etwas flüssiger machen (da stehen dann nicht so viele Kfz im Stau und belasten die Kreuzungen mit ihren Abgasen), die Verbesserung der Park-and-Ride-Nutzung könnte den völlig überflüssigen Park-Such-Verkehr zu großen Veranstaltungen gerade um das Sportforum vermindern (aber das wird ohne mutige Konsequenzen und konsequent abgeschleppte Parksünder nie funktionieren) und ein dichteres Ladenetz könnte die Zahl der E-Auto-Fahrer erhöhen. 170 E-Autos waren 2016 in Leipzig registriert. Nicht gerade viel im Vergleich mit den 56.000 registrierten Diesel-Pkw.

Die große Hoffnung von Rosenthal dabei: Kurzfristig wirksame Maßnahmen im Bereich der Verkehrsorganisation sollen helfen, Fahrverbote zu vermeiden, wie sie beispielsweise in Düsseldorf oder Stuttgart drohen. Mittelfristig soll vor allem die Nutzung des ÖPNV und alternativer Mobilitätsformen zu einer Verbesserung der Situation führen.

„Ziel ist eine möglichst hohe Lebensqualität in unser sich dynamisch entwickelnden Stadt unter Berücksichtigung der Ansprüche der unterschiedlichsten Verkehrsteilnehmer“, sagt Heiko Rosenthal. Man merkt schon, wie er versucht, den Zündstoff aus der Diskussion zu nehmen, der unweigerlich drinsteckt, gerade dann, wenn Leipzig eine kurzfristige Senkung der Stickstoffbelastung wirklich ernst meint. Und auch wenn die In-die-Pflicht-Nahme der L-Gruppe ernst gemeint ist, wo es eben nicht nur um neue E-Ladesäulen oder die Straßenbahnzubringer zu Konzerten und Sportveranstaltungen geht.

Denn die Hauptbelastungen geschehen im Alltag, im täglichen Berufsverkehr. Im Grunde müssten viele Diesel-Fahrer jetzt mit überzeugenden Angeboten zum Umstieg auf Straßenbahn und S-Bahn gewonnen werden. Hier kann man in kurzer Zeit die größeren Effekte erzielen. Aber dazu brauchte man genau das, was man noch nicht hat: einen Nahverkehrsplan, der einen Qualitätssprung im Leipziger ÖPNV mit Zahlen und Maßnahmen unterlegt.

Es ist die ganz eigene Leipziger Trödelei, die die Stadt selbst in so einem Fall fast handlungsunfähig macht.

Aber keiner der Verantwortlichen kann sagen, er habe es nicht gewusst. Seit 2012 wissen es alle. Das sind fünf Jahre, die tatenlos ins Land gegangen sind.

Schauen wir also mal, was der angekündigte Masterplan 2018 enthält.

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Das mit einer Milliarde Euro ausgestattete „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 bis 2020“ wurde von der Bundesregierung aufgelegt, weil in vielen deutschen Großstädten der gesetzlich fixierte Grenzwert für Stickstoffdioxid für das Jahresmittel überschritten wird und vielen betroffenen Kommunen gerichtlich verhängte Fahrverbote drohen. Der Masterplan und die avisierten weitergehenden Förderungen sind eine willkommene Ergänzung der Bemühungen der Stadt Leipzig durch die derzeit laufende Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt Leipzig die Luftschadstoffsituation zu verbessern, betont das Umweltdezernat.

Bessere Bedingungen für den ÖPNV sorgen schneller für bessere Luft als neue Auto-Lösungen

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