Man kann ja gespannt sein, welche Ideen beim Wettbewerb „Deutscher Mobilitätspreis“ am 28. August mit Preisen bedacht werden. Die Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ hat das Jahr 2018 zum Jahr der „Innovationen für eine nachhaltige Mobilität“ erklärt. Aber man kommt natürlich ins Grübeln, wenn dann auf einmal Flugtaxis und autonome Autos angefragt werden. Also zwei der Schnapsideen, die gerade wieder von interessierten Tech-Konzernen promotet werden. Das sind ganz bestimmt keine nachhaltigen Mobilitätskonzepte.

Mit dem Deutschen Mobilitätspreis wollen die Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ und das CSU-geführte Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) digitale Innovationen für eine intelligente Mobilität öffentlich sichtbar machen, betont die Initiative. In diesem Jahr widme sich der Wettbewerb dem Thema Nachhaltigkeit. Prämiert werden sollen digitale Lösungen, die Verkehr und Logistik nachhaltiger machen. Die zehn Preisträger der Best-Practice-Phase werden Anfang August 2018 öffentlich bekanntgegeben. Ab dem 28. August sind mit Start der Open-Innovation-Phase die Ideen aller Bürgerinnen und Bürger gefragt.

Aber das hat eigentlich nichts mit Flugtaxis und selbstfahrenden Autos zu tun. Denn nachhaltig wird Mobilität erst dann, wenn sie ihren Energie- und Ressourcenverbrauch deutlich vermindert und Verkehrslösungen findet, bei denen Mobilität auch dann noch gesichert ist, wenn es eben kein billiges Erdöl mehr gibt und auch das eigene Auto längst zum Luxusgut geworden ist. Digitale Lösungen können so ein ressourcensparendes und vernetztes Verkehrssystem vorbereiten.

Aber irgendwie fallen selbst die Wettbewerbsmacher auf die alten technischen Heilsversprechen aus der Klamottenkiste des 20. Jahrhunderts herein.

Und so ließ man denn im Mai 1.010 Bundesbürger ab 18 Jahre befragen.

Das Ergebnis: Fast jeder zweite Deutsche (41 Prozent) würde gerne schon bald in ein Flugtaxi steigen oder mit einem autonomen Auto fahren. Insbesondere junge Menschen sind offen für Innovationen in der Mobilität. So lesen die Initiatoren die Ergebnisse der Umfrage der forsa Politik- und Sozialforschung GmbH im Auftrag der Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“. Und gerade die Frage nach diesen beiden technischen Wunderwerken war auch noch mit „Mut zu neuen Wegen“ überschrieben.

Was ist daran mutig? Es ist nur gleichgültig gegenüber den tatsächlichen Problemen unserer Welt. Und im ganzen Fragepaket ist der Aspekt der Nachhaltigkeit nicht einmal berücksichtigt.

Und so wird dann mit „Auto, noch immer Statussymbol der Deutschen“ wieder ein Mythos aufgerufen und gleichzeitig assoziiert, dass „nachhaltige Zukunftslösungen“ mit dem fahrbaren Untersatz verbunden sind.

„Sharing-Angebote versus Statussymbol Auto: Rund ein Drittel der Befragten würde auf den Besitz eines eigenen Autos verzichten und stattdessen dafür Sharing-Angebote nutzen. Für 62 Prozent gehört ein eigenes Auto zum Leben dazu.“

Wie lautete noch mal die Frage? – „Würden Sie auf den Besitz eines eigenen Autos verzichten und stattdessen Carsharing-Angebote nutzen?“

Das Ergebnis kann man eigentlich nur unter Ulk verbuchen, denn Menschen, die beides nicht wollen oder brauchen, kommen gar nicht vor. Was ist das für eine Umfrage? Selbst in Leipzig besitzen 42 Prozent aller Haushalte kein Auto. Hat man die Nicht-Autofahrer einfach unter den Tisch fallen lassen? Das wäre unseriös, denn damit würde etwas suggeriert, was schon lange nicht mehr der Realität entspricht – nämlich dass alle Bürger Autofahrer wären. Das ist eindeutig nicht der Fall.

Und dass das Auto schon lange nicht mehr im Zentrum der Mobilitätserwartungen steht, zeigt ja die nächste Frage: „Geht es um den Ausbau von Verkehrsinfrastruktur wie Straßen, Fahrrad- und Fußwege befürworten dies mehr als drei Viertel der Befragten. Besonders stark wünschen sich die Deutschen den Ausbau für die aktive Mobilität – Fahrradwege (84 Prozent) und Fußwege (81 Prozent).“

Das sind nämlich nachhaltige Wege und sie haben nichts mit dem Auto zu tun. Und nichts mit ausuferndem Ressourcenverbrauch.

Da hilft es nicht wirklich viel, dann irgendwie noch das Thema Digitalisierung mit hineinzumogeln. Das spielt ganz woanders eine wichtige Rolle.

Auch wenn die Wettbewerbs-Initiatoren sich freuen: „Bereits mehr als jeder Dritte (71 Prozent) nutzt in Deutschland ein Smartphone zur Wegefindung. Auch bei den älteren Deutschen ist das Smartphone zur Navigation angekommen. Unter den ab 60-Jährigen sind es 59 Prozent. Auch Fahrkarten werden oft digital gekauft. Unter den 18- bis 29-Jährigen nutzen dies bereits über die Hälfte, unter den Deutschen ab 60 Jahren immerhin 36 Prozent.“

Rad- und Fußwege sollen stärker ausgebaut werden. Grafik: Deutscher Mobilitätspreis
Rad- und Fußwege sollen stärker ausgebaut werden. Grafik: Deutscher Mobilitätspreis
Rad- und Fußwege sollen stärker ausgebaut werden. Grafik: Deutscher Mobilitätspreis
Rad- und Fußwege sollen stärker ausgebaut werden. Grafik: Deutscher Mobilitätspreis

Womit dann zumindest indirekt erwähnt wäre, dass Digitalisierung bei der Entwicklung intelligenter ÖPNV-Netze viel wichtiger ist. Denn da muss niemand mehr ein Auto kaufen – da loggt man sich einfach ins System ein, wickelt den Ticketkauf digital ab und erfährt auch gleich noch, mit welchem Fahrzeug man wann wohin kommt. Hier ist eigentlich die Hauptaufgabe für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer: Den ÖPNV und den Schienennah- und -fernverkehr in Deutschland so zu vernetzen, dass sich kein Fahrgast mehr mit irren Tarifmodellen und irgendwelchen sinnfreien Tarifzonen herumschlagen muss.

Aber es steckte auch eine gute Nachricht in der Umfrage: „Obwohl mittels technischem Fortschritt neue Kommunikationswege möglich sind und man inzwischen fast alles liefern lassen kann, fänden lediglich 15 Prozent der Bevölkerung es gut, wenn sich alles von zu Hause erledigen ließe. Die Digitalisierung macht die Deutschen also nicht zu Stubenhockern: Nicht mehr aus dem Haus gehen zu müssen ist für die meisten Deutschen (81 Prozent) keine Option.“

Da müsste man eigentlich was draus machen können – auch um das wilde Wuchern von Riesenlieferkonzernen zu verhindern, die ganze Branchen, aber auch Innenstädte zerstören, indem sie die Bürger zur Bequemlichkeit erziehen.

Eine Erziehung, die ja vor vielen Jahrzehnten beim Auto geklappt hat. Aber dann sieht man, dass (wenn man die Frage mal ernst nimmt) 33 Prozent der Autofahrer bereit sind, auf Carsharing umzusteigen. Das ist schon ein enormes Potenzial – kluge Carsharing-Gesetze könnten hier eine Menge in Bewegung bringen.

Und was an solchen Umfragen ebenfalls trügerisch ist: Sie tun so, als seien die Einstellungen der Menschen statisch. Sind sie aber nicht. Je attraktiver moderne Verkehrssysteme sind, umso eher finden sie auch Zustimmung bei den Bürgern. Und umso weniger Befragte finden, dass ein eigenes Auto zwingend zum eigenen Leben gehören muss. Auch kein fliegendes oder autonom fahrendes.

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