Lang hat man nichts von ihnen gehört, aber es gibt sie noch, die Meteorologen der Uni Leipzig. Jetzt haben sie sich wieder zu Wort gemeldet mit einem Artikel im renommierten Fachjournal "Geophysical Research Letters". Es geht um Regen und die gar nicht so abwegige Frage: Aus welchen Wolken prasselt er eigentlich auf uns hernieder? Und was hat unsere Luftverschmutzung damit zu tun? Und - was daraus folgt: Werden die Regen künftig heftiger? Die Antwort könnte lauten: Ja.

Dabei wollte die Forschergruppe um Dr. Johannes Mülmenstädt aus dem Arbeitsbereich Theoretische Meteorologie des Meteorologischen Instituts der Uni Leipzig vor allem herausfinden, welche Rolle Eiswolken bei der Entstehung von Regen spielen. Es gibt die Warmregen, die vor allem aus Flüssigwasserwolken stammen und vor allem in den Tropen vorkommen, während für die mittleren Breiten, in denen wir leben, Kaltregen dominieren, die zumeist aus Eiswolken stammen.

Das wusste – wie die Uni-Meteorologen mitteilen – schon Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA und Erfinder des Blitzableiters. Seine Vermutung schon am Ende des 18. Jahrhunderts: Selbst an heißen Sommertagen entstehen Regentropfen aus Eiskristallen, gebildet in mehreren Kilometern Höhe.

Aber wie kann man so etwas belegen? Die moderne Weltraumforschung macht es möglich. Den Wissenschaftlern vom Institut für Meteorologie an der Universität Leipzig gelang es nämlich mit Hilfe neuer Satellitenbeobachtungen Franklins Vermutung mengenmäßig zu erfassen: Außerhalb der Tropen fallen an Land 99 Prozent des Regens aus Eiswolken. Dass der meiste Regen über Leipzig nicht aus Flüssigwasserwolken stammt, die in tiefer gelegenen Atmosphärenbereichen vorkommen und aus Wassertröpfchen in flüssiger statt in fester Form bestehen, wussten die Meteorologen zwar schon. Aber über die 99 Prozent waren sie trotzdem verblüfft.

“Dennoch sind wir über den sehr hohen Prozentsatz erstaunt, den Eiswolken übernehmen”, sagt dazu Dr. Johannes Mülmenstädt, der Hauptautor der Studie. “Unsere Erkenntnisse könnten nun helfen, die Rolle des Menschen besser zu verstehen, die er bei der Entstehung von Regen spielt.”

Innerhalb der Studie hatten die Meteorologen die Daten dreier Satelliten der NASA ausgewertet, die über fünf Jahre hinweg über 50 Millionen Regenwolken vermessen haben.

Kurzausflug: Wie Wolken entstehen

Wolken sind der Ausgangspunkt jeden Regens. Sie bilden sich, wenn Wasser durch die Sonne verdunstet und als feuchte Luft in der Erdatmosphäre aufsteigt. Dabei kühlt sich der Wasserdampf ab. Trifft er auf in der Atmosphäre schwebende, mikroskopisch kleine Partikel, sogenannte Kondensationskeime, so kann daran das Wasser zu Tröpfchen kondensieren. Nach und nach sammelt sich mehr Wasser an, sodass sie zu Regentropfen heranwachsen – bis sie irgendwann nicht mehr von den Aufwinden der Luft gehalten werden können und zu Boden fallen.

Dieser “warme Regen”, also Regen, der sich in Wolken mit Flüssigwasser bildet, ist in den Tropen besonders häufig, vor allem über den Ozeanen.

An Land der mittleren Breiten spielt diese Regenform eine untergeordnete Rolle. Vielmehr steigt hier das Wasser weiter in größere, kältere Höhen auf und gefriert zu Eiskristallen. Auch sie werden irgendwann so schwer, dass sie aus den Eiswolken herausfallen und auf dem Weg nach unten wieder flüssig werden, um sich in heftigen Regenfällen zu ergießen.

Ist der menschgemachte Staub Schuld an der Entstehung von Starkregen?

Diese Frage haben sich die Leipziger Meteorologen so direkt zwar nicht gestellt. Aber im Entstehungsmechanismus der Eiswolken und der zunehmenden Starkregenfälle über den Kontinenten deutet einiges darauf hin, dass der Staub der menschlichen Zivilisation die Wahrscheinlichkeit großer Starkregenfelder erhöht.

“Dass es an Land deutlich weniger und dafür umso heftiger regnet als über dem Meer, ist vor allem den Eiswolken als unseren Hauptregenmachern geschuldet”, erklärt Mülmenstädt. Und deutet zumindest an, wie sehr der Mensch dabei eine Rolle spielen könnte: Möglicher Grund dafür seien wiederum die menschengemachten Emissionen aus Verkehr und Industrie, durch die die Luft über dem Land zum Teil hundert- bis zweihundertmal mehr Schwebepartikel enthält.

“Dadurch können sich hier deutlich mehr Eiswolken bilden als auf offener See – möglicherweise mit steigender Tendenz”, erklärt der Meteorologe. “Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass über dem Meer immerhin bis zu 15 Prozent des Regens aus flüssigen Wolken herausnieseln.”

Denn wenn die Atmosphäre wenige solcher Partikel enthält, kondensiert das Wasser an nur wenigen Sammelstellen, sodass die Tropfen schnell schwer werden und ausregnen, häufig dann als Nieselregen. Stehen jedoch viele Schwebeteilchen zur Kondensation zur Verfügung, bilden sich mehr und dafür kleinere Tropfen, die weiter in größere Höhen aufsteigen können und zu Eiskristallen gefrieren. Ergebnis: Es werden deutlich größere Wassermengen in den Wolken gebunden.

Johannes Mülmenstädt: “Weil sich eine Eiswolke langsamer bildet, regnet es aus ihr zwar seltener, dafür aber dann umso stärker.”

Und das Ergebnis der Auswertung der NASA-Aufnahmen bedeutet natürlich auch ein Umlernen für die Wetterprognosen. Denn die Rolle der Eiswolken – und damit auch indirekt die Rolle der zivilisatorischen Staubemissionen – habe man in der Vergangenheit eindeutig unterschätzt, so Johannes Mülmenstädt:  “Bisher sagten die Modelle wesentlich häufigere, jedoch schwächere Regengüsse voraus, als letztlich auftraten, weil man die Rolle der Eiswolken unterschätzte. Wenn wir nun wissen, dass sie außerhalb der Tropen die wahren Regenmacher sind, lassen sich unsere Vorhersagen deutlich präzisieren.”

Fachveröffentlichung: “Frequency of occurrence of rain from liquid-, mixed- and ice-phase clouds derived from A-Train satellite retrievals”, Johannes Mülmenstädt, Odran Sourdeval, Julien Delanoë und Johannes Quaas, Geophysical Research Letters. Juli 2015. DOI: 10.1002/2015GL064604

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