Der künftige Landesbischof Carsten Rentzing hat auf Welt.de ein Interview gegeben. Am Schluss war er selbst von seinem Hauptthema genervt. Und viele Leser wohl auch. Gegner bekamen Steilvorlagen geliefert, Rentzing als homophob und antimodern zu betrachten. Erst am Ende kam es dann - viel zu kurz - zu einem Blick auf eine Frage, die tatsächlich Teil eines gesellschaftlichen Diskurses sein kann.

Die Landeskirche in Sachsen sei orientierungslos, kritisierte Pfarrer (i.R.) Wolff. Nun wird es bald einen Landesbischof geben, der klare Positionen und Vorstellungen einbringt. Freilich anders, als viele in der Landeskirche sich das wünschen würden.

“Die Kirche kann keine Aussagen treffen, die vor dem Wort der Bibel keinen Bestand haben”, erklärt Rentzing. Soweit alles klar. Nichtchristen mögen das belächeln, aber so ist es nun mal. Die Bibel ist die Arbeitsgrundlage der Kirche. “Ebenso wie einem Kantianer die Kritik der praktischen Vernunft nicht egal sein kann, ein Pastafari das Evangelium des FSM kennen muss und ein Jedi-Ritter dem Jedi-Kodex folgen sollte”, schreibt dazu der Leipziger Steffen Ille, der im Vorstand der Tucholsky-Gesellschaft ist.

“Die Bibel sagt, dass die homosexuelle Lebensweise nicht dem Willen Gottes entspricht”, meint Rentzing im Interview. Das ist tatsächlich die Überzeugung vieler extrem konservativer Gruppen (nicht nur binnenkirchlich). Und es war über Jahrhunderte Überzeugung der Kirchen. Die Evangelische Kirche in Deutschland sieht das heute anders. Rentzing muss wohl zur Kenntnis nehmen, dass es andere Interpretationen der biblischen Texte gibt. Und diese sind auch begründet. Und eigentlich weiß er es auch. Dazu muss er nur mit den entsprechenden Synodalen reden, die bei der Lektüre der Bibel zu anderen Ergebnissen kommen als er.

Im Dialog mit säkularen Kreisen ist die Betonung eines angeblich klaren Willens Gottes schon deshalb problematisch, weil der Bezug auf jahrtausende alte Schriften jenen fremd bleiben muss, die keinen Bezug dazu haben. Es fehlt die Brücke ins 21. Jahrhundert, wie so oft bei der kirchlichen Sprache.

Aber auch innerkirchlich provozieren seine Äußerungen Widerspruch:

“Gegenwärtig bereiten sich Studierende der Theologie auf ihren Dienst in dieser Landeskirche vor. Sollen sie noch Exegese üben? Kirchengeschichte inkl. der Reformation lernen? Systematisch denken lernen? Sich in guter Seelsorge üben, auch im Umgang mit der Öffentlichkeit? Welches Beispiel gibt der neue Landesbischof den (Theologie-)Studierenden, die sich auf den Dienst im Pfarramt, als Gemeinde- und Religionspädagogen, als Erzieherinnen und Sozialpädagogen und Kantoren in der sächsischen Landeskirche vorbereiten? Carsten Rentzing stellt sich vor als ein Gegner der Exegese, ein Kirchengeschichtsnovize, als ein bedrohlich uninformierter Systematiker und praktischer Theologe von bedauerlicher seelsorglicher Statur.” So zu lesen auf Theologiestudierende.de, einem Portal, dass dem Austausch künftiger Pfarrer der Landeskirchen dient.

Erst ganz zum Schluss des Interviews kommt Rentzing auf ein brennendes gesellschaftliches Thema zu sprechen. Zur Flüchtlingsfrage erklärt er unter anderem: “Ich werde als Landesbischof alles dafür tun, dass sich unsere Landeskirche auch weiterhin klar gegen Ausländerfeindlichkeit stellt und offen für Flüchtlinge bleibt.” Es ist der mit Abstand beste Satz des Interviews. Das kann, ja muss weiter vertieft werden, weil hier die Kirche wichtige Impulse setzt, gerade auch aus ihrer Glaubensüberzeugung heraus. In diesem Bereich ist sie auch anerkannter Partner nichtkirchlicher Gruppen – in Leipzig zum Beispiel in der Initiative Weltoffenes Gohlis. Leider ging der Abschnitt unter, weil der Hauptstoß des Interviews auf ein Feld führte, bei dem eben kein innerkirchlicher Konsens (in Sachsen) besteht. Schade.

Zur Frage des göttlichen Willens aber gab vor der Sommerpause der extra 3 Moderator Christian Ehring bereits die treffende Antwort:

“Ist das so wichtig, wer mit wem schläft? Warum ist das in allen Religionen immer so wichtig. Wenn Gott existiert, ist Geschlechtsverkehr wirklich das Thema, das ihn am meisten umtreibt? Glaube ich nicht. Denn dann wäre er nicht Schöpfer geworden, dann wäre er wahrscheinlich Urologe geworden.”

Dem habe ich als Theologe nichts hinzuzufügen.

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