Wer keine Geduld hat, muss verzweifeln am Schneckentempo deutscher Politik. Erst recht, wenn es eigentlich um simple Dinge geht wie eine wirklich niedrigschwellige Bürgerbeteiligung. Tatsächlich sind die Hürden für einen Volksentscheid so hoch, dass die meisten Initiativen schon in der zweiten Stufe - dem Volksbegehren - scheitern. Seit zwei Jahre kämpft deshalb Bernward Rothe, Mitinitiator des Bürgerbegehrens Mitteldeutschland, mit den Windmühlen der Bundespolitik.

2013 wandte sich der Rechtsanwalt aus Halle an den Bundestag, um eine Änderung des entsprechenden Gesetzes zu bewirken – des einzigen Gesetzes übrigens, dass den Bürgern der Republik ein Instrument in die Hand gibt, aus eigenem Willen einen Volksentscheid über Veränderungen der Bundesländer auf den Weg zu bringen.

Die erste Stufe – das Sammeln von Unterschriften, um einen Antrag auf ein Volksbegehren in die Wege zu leiten – ist noch relativ problemlos zu bewältigen, auch wenn Bernward Rothe und sein Leipziger Mitstreiter Roland Mey inzwischen wissen, wie hart es ist, in einem Ballungsraum wie Leipzig-Halle mit 1 Million Einwohnern die nötigen 7.000, 9.000 oder – mittlerweile erreicht – 10.000 Unterschriften zu sammeln, um den Antrag auf ein Volksbegehren durchzubringen.

Widerstand gegen Veränderungen

Das Volksbegehren ist dann aber noch kein Volksentscheid, sondern eine weitere Hürde, die der Gesetzgeber wohl bewusst eingebaut hat, damit möglichst wenige Initiativen dann auch zu den nach Schweizer Vorbild so beliebten Volksentscheiden werden. Gar noch die Landesregierungen dazu zwingen, sich über Fusionen zu verständigen? Wo käme man da hin? Der Widerstand gegen eine Neuregelung der Ländergliederung ist übrigens nicht nur in den Landesparlamenten groß. Auch im Bundestag sperren sich einige Fraktionen vehement gegen eine Veränderung ihrer Machtbasis.

Eine Fraktion teilte Rothe schon im März 2013 mit, dass es “zurzeit keinen konkreten Fall einer beabsichtigten Neugliederung, der einer solchen Regelung bedürfen würde”, gäbe. Rothe verrät nicht, welche das war. Aber die Schreiben, die er nun seit 2013 mit dem Petitionsausschuss des Bundestages wechselt, sprechen Bände.

Dabei ist selbst bei Wikipedia nachzulesen, dass die 2. Stufe – das Volksbegehren – solche Initiativen für eine Länderfusion in der Regel scheitern lässt: “Auf Bundesebene ist in Deutschland ein Volksbegehren nur für den speziellen Fall einer Gebietsneugliederung nach Art. 29 Abs. 4 bis 6 GG möglich. Dabei können 10 % der Wahlberechtigten in einem ‘zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraum, dessen Teile in mehreren Ländern liegen und der mindestens eine Million Einwohner hat’, die Gründung eines eigenen Bundeslandes fordern. Ein solcher Fall ist allerdings in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie eingetreten.”

Den zusammenhängenden Wirtschaftsraum mit 1 Million Einwohner hat Rothe mit dem Raum Leipzig-Halle, der in der Politik der jeweiligen Landesregierungen seit Jahren ein Mauerblümchendasein führt. Hier könnte wirtschaftlich deutlich mehr passieren – wenn nicht zwei unterschiedliche Landesregierungen ihre völlig unterschiedlichen Wirtschaftsstrategien verfolgen würden.

Aber 10 Prozent der Wahlberechtigten binnen zwei Wochen zur Unterschriftsleistung in die zentralen Wahlstellen zu kriegen – da bräuchte man wohl mehr als zwei tapfere Unterschriftensammler. 70.000 Menschen müssten dazu freiwillig in die zentralen Amtsstuben gehen. Ein Unding, wie mittlerweile schon viele gescheiterte OBM-Kandidaten in Leipzig wissen, denen es schwer genug fiel, ein paar Hundert Bürger für eine solche Unterschriftsleistung zu mobilisieren.

Eine Chance bestünde, so Rothe, wenn der Zeitraum, in  dem die Unterschriften fürs Volksbegehren gesammelt werden, von zwei Wochen auf sechs Monate erweitert werden könnte.

Doch schon am 11. September 2013 bekam er eine abschlägige Antwort vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU): “Für eine Änderung des obigen Gesetzes besteht kein Bedarf, da es nicht ersichtlich ist, dass Volksbegehren nach Art. 29 Abs. 4 GG an den zu ändernden Erfolgsvoraussetzungen gescheitert sind. Angesichts dessen erscheint eine Absenkung der Erfolgsvoraussetzungen für Volksbegehren nach Art. 29 Abs. 4 GG nicht geboten.”

Und danach wurde Friedrich geradezu überheblich, indem er Rothe darauf hinwies: “Seit Einführung des Volksbegehrens in Art. 29 Abs. 4 GG im Jahr 1976 ist es weder zu einem Volksbegehren noch zu einer Volksbefragung gekommen, da bislang kein Antrag die nötigen 7.000 Unterschriften vorweisen konnte. Volksbegehren scheiterten daher nicht an den vom Petenten zur Änderung vorgeschlagenen Erfolgsvoraussetzungen, sondern bereits an den Zulassungsvoraussetzungen.”

Was ja wohl heißt: Wenn die anderen schon beim Einsammeln von 7.000 Unterschriften gescheitert sind, dann muss man doch die nächsten Stufen nicht einfacher machen.

Tatsächlich ist es Rothe und Mey mit großem Fleiß gelungen, die erste Stufe zu nehmen. Ein Novum. Doch sie sammeln weiter. Denn geändert hat sich ja an der gewaltigen Hürde Volksbegehren gar nichts. Im Gegenteil. Seit anderthalb Jahren schiebt der Petitionsausschuss des Bundestages das Thema vor sich her.

Der Petitionsausschuss machte es sich am 20. September 2013 ganz einfach und schloss sich der Meinung des Ministers an: “Nach Prüfung aller Gesichtspunkte kommt der Ausschussdienst zu dem Ergebnis, dass Ihre Petition nicht den gewünschten Erfolg haben wird. Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf die rechtlich und sachlich nicht zu beanstandenden Ausführungen des BMI vom 11. September 2013, auf die ich zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen verweise.”

Seitdem geht es hin und her: Rothe fragt nach, wie der Stand im Petitionsausschuss ist. Der Ausschuss verweist darauf, dass die Petition im Verfahren sei, die letzte Antwort aus dem geruhsamen Gremium bekam Rothe am 14. Januar. Er solle sich noch in Geduld üben.

Wie nun weiter?

Nu denn, sagten sich Rothe und Mey: Dann sammeln wir eben weiter Stimmen. Ist ja auch Werbung für unser Anliegen eines einheitlich regierten Mitteldeutschlands. Und an den Petitionsausschuss schrieb Rothe am 18. Januar trocken: “Ihrer Bitte um weitere Geduld nachzukommen setzt voraus, dass ich die Einreichung des Antrags auf Durchführung des Volksbegehrens Mitteldeutschland hinauszögere. Bin dazu bereit, weil es für die Unterschriftensammlung keine gesetzliche Frist gibt. Folglich will ich solange weiter Unterschriften sammeln, bis der Bundestag über das Anliegen der Petition, also eine Novellierung des Ausführungsgesetzes zu Art. 29 Abs. 4 Grundgesetz, abschließend entschieden hat. Die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren Mitteldeutschland hat im September 2013 begonnen, also vor 16 Monaten. Bislang sind noch nicht alle Haushalte im Großraum Halle-Leipzig mit Bürgerbriefen versorgt. Das ist zeitlich mit einem Gesetzgebungsverfahren vereinbar.”

Er wies auch darauf hin: “Möchte daran erinnern, dass ich bereits mit Schreiben vom 1. Februar 2013 als MdL Sachsen-Anhalt jedem einzelnen Mitglied des Deutschen Bundestages den Gesetzentwurf zugesandt habe, der in unveränderter Fassung Gegenstand der Petition vom 13. Juni 2013 ist. Meine Bitte war, dass die Gesetzesnovelle bis 2015 in Kraft tritt.”

Und bekam wieder die gewohnte Antwort: Der Vorgang befinde sich in Arbeit. Wenn sich was täte, bekäme er schon Antwort.

Und weil sich nichts tut, haben sich die beiden Initiatoren noch einmal aufgerafft und werden wieder mit ihrem Infostand durch die Region Leipzig-Halle reisen.

Nächster Info-Tisch am Montag, 23. Februar, in Leipzig
Dann werden die beiden zum Unterschriftensammeln von 11 Uhr bis 13 Uhr in der Petersstraße, Höhe Thomaswiese stehen. Und wenn die Leipziger Lust haben, der Sache Mitteldeutschland mal ein bisschen Schwung zu geben, dürfen sie ruhig auch mal Schlange stehen.

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